Lokales

Vorsicht Stolperfalle

In der Turmstraße in Kirchheim lauern rutschige Lüftungsschächte und „unsichtbare“ Stufen

In der Turmstraße in Kirchheim sorgen Stolperfallen für Ärger: An den dortigen Stufen stürzen immer wieder Menschen. Außerdem werden die Lüftungsschächte bei Regen zur Rutschpartie.

Auf den Stufen und Lüftungsschächten vor den Geschäften in der Turmstraße stürzen immer wieder Passanten.Foto: Jean-Luc Jacques
Auf den Stufen und Lüftungsschächten vor den Geschäften in der Turmstraße stürzen immer wieder Passanten.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Ulrich Weiß aus Kirchheim ist sauer. Der Stein des Anstoßes: die Stufen und Lüftungsschächte direkt vor den Geschäften in der Turmstraße im Gebäudekomplex über der Tiefgarage Schweinemarkt. Dort stürzen immer wieder Passanten – weil die Schächte bei Regen spiegelglatt beziehungsweise weil die Stufen nicht sofort als solche zu erkennen sind. Letztere sind als eine Art Podest gestaltet, das von null auf etwa 20 Zentimeter Höhe ansteigt. Die „Treppenanlagen“ heben sich farblich nicht vom restlichen Straßenbelag ab. Die Stadt hat zwar kleine weiße Signalpunkte an den Kanten anbringen lassen; doch laut Ulrich Weiß bringen diese keine Verbesserung.

Es war im November vergangenen Jahres, als seine Frau bei starkem Regen auf einem der Lüftungsschächte stürzte und sich den Arm brach. Die Mitarbeiter eines anliegenden Geschäfts haben sich um sie gekümmert und den Notarzt gerufen, erzählt der Kirchheimer. Seine Frau kam ins Krankenhaus und musste operiert werden. „Sie hat bis heute Schwierigkeiten.“

Ähnlich erging es Gertrud Metzger aus Dettingen. Die 73-Jährige stürzte im Januar 2008, weil sie eine der Stufen nicht erkannt hatte. „Ich habe in die Schaufenster geschaut. Dann bin ich plötzlich ins Leere getreten“, erinnert sie sich. Mühevoll schleppte sie sich zu ihrem Auto und fuhr sofort ins Krankenhaus. Dort wurde eine Fraktur am Schultergelenk festgestellt. Sie musste operiert werden und kam nach zehntägigem Krankenhausaufenthalt sieben Wochen in Reha. „Ich konnte den Arm kaum bewegen. Bis heute habe ich Probleme und immer wieder Schmerzen.“

Ebenso wie Manfred Hartfiel aus Kirchheim, der vor einigen Jahren ebenfalls über eine Stufe gestolpert war und Hämatome im Gesicht davontrug, möchte Gertrud Metzger nun kein böses Blut in Richtung Stadtverwaltung schüren. Sie und auch Ulrich Weiß bitten aber andere Betroffene darum, sich im Rathaus zu melden. Die Dettingerin hatte damals mit Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker über das Problem gesprochen. Die Folge: Die Stadt ließ die weißen Punkte anbringen. „Das reicht aber nicht. Ich habe erfahren, dass nach mir wieder zahlreiche Menschen gestürzt sind.“ Gertrud Metzger spricht sich für einen Handlauf oder Ähnliches aus. Das jedoch würde nicht schön aussehen, erhielt sie von der Stadtverwaltung als Antwort.

Solche Aussagen bringen Ulrich Weiß auf die Palme. „Die Signalpunkte sind ein Provisorium, die zur Dauerlösung geworden sind.“ Die Stadt wisse um die Problematik – auch was die Lüftungsschächte anbelangt, und unternehme trotzdem nichts. Bürgermeister Günter Riemer sei vor Ort gewesen und habe bezüglich der nassen, spiegelglatten Lüftungsschächte unter Zeugen gesagt, dass er dies so nicht erwartet hätte. „Jetzt schwächt er diese Aussage aber wieder ab.“

Die Verwaltung wolle die Fehlplanung nicht eingestehen. „Wenn man sagt, man ist eine bürgerfreundliche Stadt, und reagiert auf solche Vorfälle nicht, dann ist das traurig“, betont der frühere Vorstandsvorsitzende der Volksbank Kirchheim-Nürtingen.

Er ärgert sich auch darüber, dass sich die Stadtverwaltung kein einziges Mal bei seiner Frau und ihm gemeldet hat. „Der Fall wurde nur an die Haftpflichtversicherung weitergegeben.“ Von dieser erhielt das Ehepaar Weiß ein Schreiben, in dem folgender Satz stand: „Die Lüftungsschächte und Metallgitter sind ( . . . ) ohne Weiteres erkennbar und können problemlos umgangen werden. Die Situation stellt sich daher in keiner Weise als verkehrswidrig dar.“ Diese Aussage empfindet Weiß als provozierend. Es sei blanker Hohn, zu sagen, man könne ja einfach „drum rum laufen – und das mitten in der Fußgängerzone“.

Ulrich Weiß verspricht eines: „Wenn dort jemand noch schlimmer zu Schaden kommt, geht es um Unterlassung und persönliche Haftung der Verantwortlichen der Stadtverwaltung. Dafür werde ich sorgen.“

Auf den Stufen und Lüftungsschächten vor den Geschäften in der Turmstraße stürzen immer wieder Passanten.Foto: Jean-Luc Jacques
Auf den Stufen und Lüftungsschächten vor den Geschäften in der Turmstraße stürzen immer wieder Passanten.Foto: Jean-Luc Jacques

So entstehen Wutbürger

Die Kirchheimer Stadtverwaltung hat ein Problem: In Sachen Biergarten am Wachthaus brach ein regelrechter Shitstorm auf sie herein. Und die Stolperfallen in der Turmstraße sind nun ein weiterer Zankapfel.

Die Verwaltung behauptet, dass es keine Stürze an den Stufen und Lüftungsschächten mehr gebe. Diese Aussage steht jedoch in krassem Widerspruch zu den Beoachtungen der Geschäftsinhaber und Mitarbeiter vor Ort: Immer wieder fallen Menschen – übrigens nicht nur Senioren, sondern auch jüngere –, weil sie die Stufen nicht gesehen haben oder weil die Schächte bei Nässe rutschig sind. Die meisten rappeln sich wieder auf und gehen schnell weiter – sie schämen sich und suchen die Schuld bei sich selbst. Leider gehen nur die wenigsten ins Rathaus und melden das Problem.

Die Verwaltung macht es sich zu einfach. Anstatt die Sorgen, Anliegen und Wünsche ihrer Bürger ernst zu nehmen, verschanzt sie sich hinter ihrer Versicherung, die logischerweise nur eines will: nicht bezahlen. Beim rigorosen Nein des Rathauses zu baulichen Veränderungen in der Turmstraße gibt es Parallelen zum Wachthaus-Biergarten: Auch hier hieß es, dass es keine andere Möglichkeit gab, als die schönen alten Bäume abzuholzen. Dabei gilt im Leben immer: Viele Wege führen nach Rom. Vielleicht hätte man die Bewohner Kirchheims einfach mal in die Planungen mit einbeziehen sollen?

Übrigens: Genauso entstehen Wutbürger. HEIKE ALLMENDINGER