Lokales

Zugeständnisse – ja oder nein?

Staatsanwalt wehrt sich vehement gegen die Anschuldigungen der Verteidigung

Haben die Ermittlungsbehörden und die Stuttgarter Staatsanwaltschaft einem zunächst als Kronzeugen bezeichneten Kurden sowie einem weiteren Zeugen strafrechtliche Zugeständnisse gemacht oder nicht?

BERND WINCKLER

Nürtingen. Im Nürtinger Musiknacht-Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht wehrte sich am gestrigen 23. Prozesstag der Staatsanwalt vehement gegen solche von der Verteidigung vorgebrachten Anschuldigungen. Der Streit um die Rolle der Ermittlungen und vor allem die des Staatsanwalts über das Zustandekommen der Aussage eines ehemaligen PKK-Funktionärs gegen die jetzigen neun Angeklagten ist offensichtlich noch lange nicht ausgefochten. Die Verteidiger der vor der Jugendkammer wegen versuchten Totschlags und schweren Landfriedensbruch Angeklagten hatten bereits vor Wochen vom Staatsanwalt wissen wollen, welche Rolle er bei der ersten Vernehmung eines damals noch als „Kronzeugen“ benannten Kurden inne hatte und ob man dem Zeugen, der auch als Mitbeschuldigter gilt, Versprechungen gemacht habe. Und wie es zur Vernehmung eines weiteren Zeugen kam, gegen den jetzt ein Verfahren wegen Strafvereitelung läuft.

Gestern wollte der Ankläger sich dazu äußern. Eine sogenannte „Dienstliche Äußerung“ sollte dies sein, die allerdings einer der Verteidiger per Antrag plötzlich doch verhindern wollte. So war die 3. Große Kammer gezwungen, auch diesen Antrag per Beschluss abzulehnen und die Dienstliche Äußerung zuzulassen.

Vor allem der „Kronzeuge“ sei im Ermittlungsstadium von der Nürtinger Polizei zunächst als Beschuldigter, dann als Zeuge vernommen worden. Als der Zeuge sich dann bereit erklärte, den Ermittlern über die Struktur der in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu berichten, sei er laut der Erklärung in das Zeugenschutzprogramm genommen und aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Er habe sich in großer Gefahr befunden, weil die PKK ihn als „Verräter“ titulierte, sagt der Ankläger.

Den Verteidigern sagte der Staatsanwalt, dass man diesem und auch einem weiteren Zeugen keinerlei Zugeständnisse gemacht habe. Man habe ihn zur Vernehmung mit einem Hubschrauber aus Berlin geholt, weil die Fluggesellschaften es aus sicherheitsrelevanten Gründen abgelehnt hatten, ihn zu transportieren, sagte der Ankläger. Die genauen Hintergründe dieses Heli-Fluges will zumindest einer der Verteidiger näher erklärt bekommen, wie er beantragte.

Im Februar, als das Verfahren bereits vier Wochen lang im Gange war, habe sich der Kronzeuge nicht mehr an die Vorgaben des Zeugenschutzprogramms gehalten. Daher wurde er wieder in Untersuchungshaft genommen. Inzwischen hat sich der Kurde im Zeugenstand dazu entschlossen, keinerlei Angaben mehr zu machen, was nicht nur die Ermittler, sondern auch die Richter bedauern.

Angesichts weiterer Anträge der Verteidiger und auch der Anklagevertretung wachsen inzwischen im Musiknacht-Prozess die Aktenberge immer höher. Und die Zeugenliste wird immer länger. Weil sich die Staatsanwaltschaft immer noch dagegen verschließt, einen sogenannten „Deal“ des Gerichts mit den Angeklagten einzugehen, in dem man Geständnisse mit Strafmilde belohnt, verzögert sich das Verfahren und soll noch bis Ende September dauern.