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„Regelung bringt keinen Vorteil“

Am 1. Juli kommt das Wechselkennzeichen – Keine Entlastung bei der Kfz-Steuer

Man stelle sich vor, man hätte ein austauschbares Kennzeichen für zwei Autos, würde aber nur für den teureren Wagen Kfz-Steuer und -Versicherung bezahlen. Das klingt für viele sicherlich reizvoll. Doch diese ursprüngliche Idee des Wechselkennzeichens gestaltet sich hierzulande etwas schwieriger.

Das Wechselkennzeichen gilt in Deutschland ab 1. Juli für zwei Fahrzeuge. Das austauschbare Schild bringt man an dem Fahrzeug an
Das Wechselkennzeichen gilt in Deutschland ab 1. Juli für zwei Fahrzeuge. Das austauschbare Schild bringt man an dem Fahrzeug an, das man gerade nutzen will ¿ das andere Fahrzeug muss man dann stehen lassen. Kfz-Steuer bezahlt man jedoch für beide Pkw.Foto: Jean-Luc Jacques.

Kreis Esslingen. Was in Österreich und der Schweiz längst funktioniert, ist in Deutschland ein schwieriges Unterfangen: Das Wechselkennzeichen, also ein austauschbares Nummernschild, steht schon länger zur Diskussion. Nun soll es im Juli kommen – allerdings nicht in der Form wie in den beiden Nachbarländern.

In der Schweiz und in Österreich erhält man, wenn man ein Wechselkennzeichen beantragt, ein austauschbares Schild für zwei Autos, die man allerdings nicht gleichzeitig fahren darf. Die Kfz-Steuer und -Versicherung bezahlt man nur für das teurere Auto. Insgesamt ergibt sich also eine finanzielle Entlastung. Für Menschen, die neben ihrem „gewöhnlichen“ Pkw zum Beispiel einen kleinen Stadtflitzer, ein Wohnmobil oder ein Cabrio fahren, ist das Wechselkennzeichen durchaus interessant.

Hierzulande jedoch ist es einem Streit zwischen dem Bundesverkehrs- und dem -finanzministerium geschuldet, dass die Autofahrer mit einem finanziellen Anreiz bei der Kfz-Steuer nicht rechnen können. Denn Finanzminister Wolfgang Schäuble will auf die Einnahmen aus der Kfz-Steuer schlichtweg nicht verzichten.

„Man bezahlt für zwei Fahrzeuge die komplette Kfz-Steuer, kann die beiden Autos aber nicht gleichzeitig fahren. Ich weiß nicht, ob sich viele Menschen dafür finden werden“, sagt Robert Legner, Leiter der Kfz-Zulassungsstelle im Esslinger Landratsamt. Er und seine Mitarbeiter erhalten derzeit täglich mehrere Anfragen zum Wechselkennzeichen, erzählt er. „Wir erklären den Menschen die gesetzlichen Grundlagen. Als Antwort kommt dann meistens: Das rentiert sich für mich nicht.“ Dafür bringt der Leiter der Kfz-Zulassungsstelle durchaus Verständnis auf. „Die Leute schauen, wo sie was sparen können oder ob sie einen sonstigen Vorteil haben. Doch so, wie die Regelung jetzt ist, bringt sie keinen Vorteil.“

Auch Konstantin Lepadusch, Obermeister der Kfz-Innung Nürtingen-Kirchheim, hält nichts von der deutschen Regelung des Wechselkennzeichens. „So wie es momentan aussieht, ist das nix G‘scheits“, winkt er ab. Denn es sei schlichtweg sinnlos, für beide Autos zu bezahlen und nur einen Pkw fahren zu können. „Da werden alle sagen: Das brauch‘ ich nicht. Die Regelung ist eine richtige Totgeburt“, findet Konstantin Lepadusch drastische Worte. Wenn sich der Staat nicht am Modell der Nachbarländer orientiert, „dann ist es absoluter Quatsch“.

Dabei sei die Grundidee des Wechselkennzeichens eigentlich sehr gut, findet Konstantin Lepadusch und ärgert sich deshalb umso mehr. „Es ist doch oft so bei neuen Gesetzen: Am Anfang steht etwas Gutes. Und dann kommen so viele Verwässerungen rein, dass am Ende nichts mehr davon übrig bleibt.“

Das Kfz-Gewerbe habe sich ursprünglich vom Wechselkennzeichen eine größere Nachfrage nach Autos und damit eine Ankurbelung der gesamten Konjunktur versprochen, informiert der Obermeister. So sei man davon ausgegangen, dass das Wechselkennzeichen einige Menschen dazu bewegt hätte, sich einen Zweit- oder Drittwagen anzuschaffen. Professor Dr. Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen habe im vergangenen Jahr in einer Studie eine zusätzliche Nachfrage nach Neuwagen durch das Wechselkennzeichen von bis zu 90 000 Autos prognostiziert. „Doch das ist jetzt gestorben“, sagt Konstantin Lepadusch.

Nicht ganz so verteufeln will Reimund Elbe, Pressesprecher des ADAC Württemberg, das deutsche Wechselkennzeichen: „Es bietet gewisse Vorteile und trägt der Praxis Rechnung.“ So sei es für Menschen, „die gewisse Fahrzeuge nur zu bestimmten Zeiten nutzen“ – also zum Beispiel Wohnmobile, Cabrios oder Oldtimer – eine Erleichterung. „Für sie ist das Wechselkennzeichen reizvoll.“ Denn beim Saisonkennzeichen habe man den bürokratischen Aufwand beim An- und Abmelden. Das entfalle mit dem Wechselkennzeichen.

Dem widerspricht Robert Legner von der Kfz-Zulassungsstelle: Beim Saisonkennzeichen habe man den Vorteil, dass man nur für einen bestimmten Zeitraum Kfz-Steuer bezahlt. Für das Wechselkennzeichen hingegen bezahle man das ganze Jahr.

Reimund Elbe räumt ein, dass die derzeitige Regelung „nicht ganz unseren Erwartungen entspricht“. „Wir haben insgesamt mehr erhofft, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, fasst der Pressesprecher zusammen. Freilich sei ein finanzieller Anreiz wichtig, aber „die Entbürokratisierung“ sei für den ADAC der springende Punkt. „Das Finanzielle wäre dann noch das i-Tüpfelchen.“

Der ADAC hoffe nun, dass die Versicherungen für das Wechselkennzeichen wenigstens einen Nachlass gewähren. Denn sie haben sich bislang noch nicht dazu positioniert, wie die Prämien für das Wechselkennzeichen aussehen werden. „Wir rechnen damit, dass die Tarife im Mai oder Juni vorgelegt werden. Da müssen wir jetzt einfach abwarten“, fügt Reimund Elbe hinzu. „Wenn wir aber feststellen, dass die Versicherungen nur Geschäfte machen wollen, dann stellen wir uns dagegen auf“, betont er.

Robert Legner von der Kfz-Zulassungsstelle glaubt jedenfalls nicht, dass die Versicherungen dem österreichischen und Schweizer Modell folgen werden. „Vielleicht wird es einen Abschlag geben – wenn überhaupt . . .“

Das Wechselkennzeichen

Das Wechselkennzeichen wird zum 1. Juli 2012 in Deutschland eingeführt. Es gilt für zwei Fahrzeuge. Das austauschbare Nummernschild steckt der Fahrer an dem Wagen an, den er gerade nutzen will. Voraussetzung ist, dass die Fahrzeuge in dieselbe Fahrzeugklasse fallen. Das Wechselkennzeichen gilt also zum Beispiel für einen Groß- und einen Kleinwagen, für ein Auto und ein Wohnmobil oder für zwei Motorräder – nicht aber beispielsweise für ein Auto und ein Motorrad. Das „ruhende“ Fahrzeug darf nicht auf öffentlichen Straßen abgestellt werden. Ansonsten droht dem Fahrzeughalter eine Strafe.alm