Lokale Wirtschaft

Norgren-Streik: „Mit den Blauen kam das Grauen“

Kundgebung in Ötlingen: Norgren-Mitarbeiter machen auf das Problem der Leiharbeitnehmer, Werkverträge und Streikbruch aufmerksam

Die geplante Werkschließung der Firma Norgren in Großbettlingen, von der über 100 Mitarbeiter betroffen sind, schlägt weiter hohe Wellen: Die streikenden Norgren-Arbeiter kritisierten am Donnerstag bei einer Kundgebung in Ötlingen vor dem Gebäude der Firma Jahn-interprof deren Einsatz von Leiharbeitnehmern scharf.

Transparente und Trillerpfeifen: Norgren-Beschäftigte demonstrierten am Donnerstag in Ötlingen.Foto: Jean-Luc Jacques
Transparente und Trillerpfeifen: Norgren-Beschäftigte demonstrierten am Donnerstag in Ötlingen.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Nach mehrtägigem Warnstreik und einer erfolgreichen Urabstimmung sind die Norgren-Beschäftigten in Großbettlingen bereits seit Mitte Oktober im unbefristeten Streik. Ihr Arbeitgeber hält den Betrieb aber teilweise durch Leiharbeitnehmer aufrecht. Mit Transparenten und Parolen wie „Mit den Blauen kam das Grauen“ und „Streikbrecher raus aus Norgren“ brachten die Streikenden ihre Meinung zum Verhalten der Leiharbeitsfirmen zum Ausdruck. Die „Blauen“, das sind in diesem Fall die Leiharbeitnehmer der Kirchheimer Firma Jahn-interprof, die im Betrieb an ihren blauen Jacken erkennbar seien.

„Wir sind nicht hier, weil wir als IG Metall gegen Leiharbeitnehmer sind“, betonte Thomas Maier von der IG Metall Esslingen bei der Kundgebung vor dem Firmensitz der Leiharbeitsfirma in Ötlingen mehrfach. „Wir sind aber entschieden dagegen, dass uns das einzige Mittel, das uns im Arbeitskampf bleibt – nämlich der Streik – durch Streikbrecher kaputt gemacht wird.“ Auch die Firma Jahn-interprof hätte laut Maier entscheiden können, in dieser Auseinandersetzung, wo es um die Arbeitsplätze von über 100 Menschen und deren Familien gehe, zu sagen: „Wir lassen unsere Leute zu Hause.“ Doch sie habe sich anders entschieden.

Unterstützung erhielten die Norgren-Beschäftigten dabei auch von Nikolaus Landgraf, dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) im Bezirk Baden-Württemberg, der an diesem Tag ebenfalls vor Ort war. „Bevor ich euch eine schriftliche Solidaritätserklärung schicke, komme ich lieber direkt zu euch“, erklärte Landgraf unter den Jubelrufen der Streikenden. „Auch am Montag werde ich in Großbettlingen bei euch sein.“

Leiharbeit müsse laut Landgraf wieder auf ein vernünftiges Maß zurückgefahren werden. Früher sei es gang und gäbe gewesen, Leiharbeiter bestenfalls in Zeiten von Auftragsspitzen einzusetzen. „Heute aber hat sich Leiharbeit leider wie ein Krebsgeschwür auf dem Arbeitsmarkt breitgemacht“, erklärte der DGB-Vorsitzende.

Dass durch Vermittlung von Leiharbeitern an Norgren das Streikrecht vor Ort ausgehöhlt werde, sei ein ganz schlechtes Zeichen – er appellierte deshalb an alle Verantwortlichen, ihre Haltung zu überdenken. Auch das Verhalten der Firma Norgren gegenüber seinen Mitarbeitern finde er bedenklich. „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften stehen hinter euch“, ermutigte Landgraf die Streikenden. „Ihr setzt mit eurem Einsatz ein Zeichen gegen Unternehmer, die in diesem Land keine soziale Verantwortung haben.“ Es gehe nicht nur darum, auf diese Unternehmer aufmerksam zu machen und sie öffentlich zu kritisieren, sondern maßgeblich auch um eine Verbesserung der Situation ihrer Arbeitnehmer. Thomas Maier erinnerte die Versammelten an drei solche Leiharbeitnehmer, die in der Vergangenheit an ihn herangetreten seien. Diese hätten bei ihren Leiharbeitsfirmen gekündigt, weil sie „so nicht leben wollen“ – eine Entscheidung, vor der er „riesige Hochachtung“ habe.

„Wir haben einige Leiharbeitsfirmen im Landkreis Esslingen“, erklärte Thomas Maier weiter. „Bei zweien haben wir es durch unsere Bemühungen geschafft, dass ein Betriebsrat gegründet wurde, dass sie sich an höhere Tarifverträge halten, und dass dort eine Sozialkarta unterschrieben wurde.“ Thomas Maier kündigte an, alle Betriebsräte in den metallverarbeitenden Betrieben über die Praktiken der Firma Jahn-interprof zu informieren. Trotz der mehrmaligen Aufforderung von Landgraf und Maier war während der gesamten Kundgebung kein Verantwortlicher der Ötlinger Firma zu einer Stellungnahme bereit – stattdessen verschanzte man sich hinter heruntergelassenen Rollläden und hüllte sich in Schweigen.