Zwischen Neckar und Alb

Wendlingens Zankapfel Johanneskirche

Bürgerentscheid Am morgigen Sonntag findet der Bürgerentscheid in Wendlingen statt. Dabei wissen viele Bürger nicht, worüber sie überhaupt abstimmen. Von Gaby Kiedaisch

Um die Johanneskirche in Wendlingen geht es beim morgigen Bürgerentscheid.Foto: Markus Brändli
Um die Johanneskirche in Wendlingen geht es beim morgigen Bürgerentscheid.Foto: Markus Brändli

Mit ihrer Stellungnahme will die evangelische Kirchengemeinde Wendlingen nicht nur ihre „Guten Gründe für den Neubau“ darlegen, sondern den Wählern verständlich machen, um was es bei der Wahl am morgigen Sonntag überhaupt geht. Pfarrer Stefan Wannenwetsch erklärt dazu: „Es wird darüber abgestimmt, ob wir als evangelische Kirchengemeinde das Recht der Bebauung unseres Grundstücks in ein vielseitig nutzbares Gemeindezentrum ausüben dürfen, oder ob die Stadt Wendlingen lenkend eingreifen soll.“ Eine rechtskräftige Abrissgenehmigung liege ja bereits vor. Daran könne auch die Stadt Wendlingen nichts ändern.

Es werde auch nicht über einen Umbau der Johanneskirche abgestimmt. Denn der Erhalt des Kirchengebäudes mit neuen Anbauten als Gemeindezentrum und Verwaltungssitz sei für die Kirchengemeinde „nicht nur äußerst unwirtschaftlich, sondern ebenso unzweckmäßig“. Stattdessen wolle die Kirchengemeinde ein neues Gemeindezentrum für alle in der Stadtmitte gestalten, das aus folgenden Gründen „zukunftsweisend, ökologisch und auch ökonomisch am sinnvollsten ist“: Weil durch den demografischen Wandel die Zahl der Gemeindemitglieder und Gottesdienstbesucher sinke, seien neue Konzepte gefragt. Deshalb wirft die Kirchengemeinde einen weiteren Grund in die Waagschale, der bei der Abstimmung berücksichtigt werden sollte: Wenn der Bürgerentscheid positiv beschieden werde, dann würde die Gemeindearbeit für mindestens drei weitere Jahre nur unter eingeschränkten Bedingungen in der Lauterschule stattfinden können.

Tatsächlich hat der Bürgerentscheid die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses. Er kann innerhalb von drei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.

Durch den Rückgang der Zahl von Kirchenmitgliedern fehlen der Kirche auch finanzielle Mittel, um alle Kirchen und Baudenkmäler erhalten zu können. Die Folgekosten eines Neubaus sind laut Kirchengemeinde geringer als die eines Umbaus.

Unter Beteiligung der Stadt hat der Architektenwettbewerb im letzten Jahr einen Entwurf für das neue Gemeindezentrum hervorgebracht, der die neue Mehrfachnutzung optimal berücksichtigt, gibt Pfarrer Wannenwetsch deshalb zu bedenken. Dem Beschluss für einen Neubau mit der Behinderteneinrichtung sei ein langer Entscheidungsprozess vorangegangen, in dem auch die Option, ein Gemeindezentrum in die bestehende Kirchenhülle einzubauen, mitbedacht worden sei. In zahlreichen Gemeindeversammlungen sei diese Option Gegenstand der Diskussion gewesen. Die Kirchengemeinde habe sich sehr intensiv mit der Fragestellung der zukünftigen Nutzung ihres Grundstücks auseinandergesetzt. Sie habe deswegen mehrere Gutachten erstellen lassen und sich letztlich für eine Neubebauung des Grundstücks entschieden.

Die Initiative Pro Johanneskirche und der Freundeskreis sehen dagegen keine Notwendigkeit, die Johanneskirche abzureißen, und sind der Auffassung, dass der Abriss des Kirchengebäudes im Stadtzentrum von „öffentlichem Interesse“ sei. Sie sehen Gemeinderat und Bürgermeister daher in der Pflicht, sich damit zu befassen. Ebenso stehe die Kirchengemeinde als öffentliche Institution anders als ein privater Bauherr in „besonderer Verantwortung“ und müsse deshalb „städtebauliche und orts- und zeitgeschichtliche Belange“ berücksichtigen.

Das öffentliche Interesse zeige sich auch darin, dass die Johanneskirche Teil des städtebaulichen Ensembles von Rathaus, Post, Sparkasse, Marktplatz und Stadthalle sei und durch ihre „eigenständige Formensprache stadtbildprägenden Charakter“ habe. Für die Heimatvertriebenen sei die Kirche von 1964 ein Symbol dafür gewesen, endgültig in ihrer neuen Heimat angekommen zu sein.

Aus Respekt vor dem demokratisch gewählten Gremium des Kirchengemeinderats und in Anerkennung des Eigentumsrechts der Kirchengemeinde ist es nach der Auffassung von Bürgermeister und Gemeinderat geboten, die weitere Entscheidung dem Grundstückseigentümer zu überlassen. Sollte es zu einer Neubebauung kommen, sei die Stadt nach der Rechtslage aufgefordert, die planungsrechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Aber erst, wenn die Kirchengemeinde einen Bauantrag zur Neubebauung stelle. Bürgermeister und Gemeinderat werden weder einen Rat erteilen noch sich in anderer Weise über die rechtliche Zuständigkeit hinaus für eine bestimmte Lösung engagieren. So weist auch die Stadt Wendlingen darauf hin, dass die Bürger nicht über den Erhalt der Johanneskirche beim Bürgerentscheid abstimmen.

Wichtiges Kriterium für ihre Haltung ist, dass das Grundstück an der Albstraße der evangelischen Kirchengemeinde gehöre und die Stadt es deshalb ablehne, sich in deren Entscheidung einzumischen. Eine strikte religiöse Neutralität sehe bereits das Grundgesetz für alle staatlichen Ebenen vor.

Deshalb sei ein Kirchengebäude aus baurechtlicher Sicht zu behandeln wie jedes andere Gebäude auch. Die Stadt habe sich zu allen den Städtebau und das Baurecht betreffenden Fragen im Vorfeld der Entscheidung der Kirchengemeinde geäußert. Darüber hinaus sehe sie keinerlei Zuständigkeit, stellt sie dazu fest.