Lokales

„Mit Leib und Seele Psychiater“

Auf dem Säer wurde Dr. Waelsch, Chefarzt der Plochinger Psychiatrie, in den Ruhestand verabschiedet

Dr. Martin Waelsch, der langjährige Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Kreisklinikum Plochingen, wurde jetzt in der Klinik auf dem Nürtinger Säer offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger ist Privatdozent Dr. Christian Jacob, der sogleich in seinem neuen Amt begrüßt wurde.

Dankesworte und viel Lob gab‘s von Landrat Heinz Eininger für den scheidenden Psychiatrie-Chef Dr. Martin Waelsch (links).Foto:
Dankesworte und viel Lob gab‘s von Landrat Heinz Eininger für den scheidenden Psychiatrie-Chef Dr. Martin Waelsch (links).Foto: Jürgen Holzwarth

Nürtingen. Die Kreiskliniken streben der Fusion mit den Städtischen Kliniken Esslingen entgegen. Die Psychiatrien sollen nach Kirchheim ziehen und dort in ihrer Gesamtheit untergebracht werden. Bereits im Oktober trat Privatdozent Dr. Christian Jacob seinen Dienst als Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Klinik Nürtingen an. Nun ist er auch Chef der Plochinger Klinik. Deren Betten sollen bis Ende des Jahres bereits nach Kirchheim umziehen. Die Betten aus Nürtingen sollen bis 2016 folgen.

Waelsch war seit 2002 Chefarzt in Plochingen. Bereits 1981 war er mit dem langjährigen Nürtinger Chefarzt Dr. Andreas Schlingensiepen nach Nürtingen gekommen. Landrat Heinz Eininger skizzierte den Lebensweg von Waelsch, der in Prag geboren wurde und 1968 angesichts der Niederschlagung des Prager Frühlings emigrierte. Er studierte in Bochum Medizin und begann seine Laufbahn als Arzt in der Rheinischen Landesklinik Bedburg Hau.

Eininger würdigte Waelsch als eine der „markantesten Persönlichkeiten, die die Kreiskliniken haben“. Er habe sich im Laufe der Jahre einen hervorragenden Ruf erarbeitet und maßgeblich zur gemeindenahen, inte­grierten und modernen Versorgung psychisch Kranker im Kreis beigetragen. Mit seinem Wirken habe er Maßstäbe über den Landkreis hinaus gesetzt und gegen die Stigmatisierung psychisch Kranker gekämpft.

In letzter Zeit habe Waelsch als kritischer Kopf im Zuge der Überlegungen zur Strukturveränderung der Kreiskliniken stets darauf hingewiesen, dass eine Psychiatrie am Standort Plochingen ohne Anbindung der für die Erkrankungen des Körpers zuständigen Somatik nicht überzeugend sei.

Waelschs Nachfolger Dr. Christian Jacob sicherte Landrat Eininger sein Vertrauen für die große Herausforderung zu, die darin bestehe, die beiden Psychiatriestandorte Nürtingen und Plochingen in Kirchheim zusammenzuführen. Dr. Ulrich Römmele erinnerte als ärztlicher Direktor daran, dass Waelsch einer der Ärzte gewesen sei, die in den 70er-Jahren den Aufstand gegen die menschenunwürdigen Verhältnisse in der Psychiatrie gewagt hätten. Die Geschichte der Psychiatrie im Kreis habe er entscheidend mitgestaltet. Waelsch habe nach dem Motto „Den Mensch, dem man nicht helfen kann, gibt es nicht“ gehandelt. Er sei mit Leib und Seele Psychiater und Psychotherapeut und habe viel zu den viele Hilfsangebote vernetzenden Strukturen im Kreis beigetragen. Die Plochinger Pflegedirektorin Barbara Munz wiederum lobte Waelsch für eine Zusammenarbeit, die stets von gegenseitigem Vertrauen geprägt gewesen sei.

In seiner Dankesrede verwies ­Waelsch darauf, dass jeder Mensch psychisch erkranken könne und dann das Recht habe, gut, modern und wohnortnah versorgt zu werden. Die Reformbewegung in der Psychiatrie sei durch Geldmangel ins Stocken gekommen. Der Gleichstellung psychisch Kranker mit körperlich Erkrankten habe sich die Medizin erst in den 70er-Jahren zugewendet. Nun drohe angesichts des Kostendrucks ein Rückschritt. Politik, Verwaltung und Medizin müssten an einem Strang ziehen, um diesen zu verhindern. Die Begehrlichkeiten nach Geld und Gewinn stünden einer Modernisierung der Medizin entgegen, mahnte er. Strikt wirtschaftlich orientierte Reformen gingen zu Lasten der Patienten.

Dr. Christian Jacob betonte, dass er von Waelsch ein wohlbestelltes Feld übernehme. „Sie hinterlassen eine wunderbare Klinik“, lobte er seinen Vorgänger. Thomas A. Kräh, der Geschäftsführer der Kreiskliniken, wagte einen Ausblick in die Zukunft. Es müsse nicht nur die Zusammenführung der Abteilungen aus Plochingen und Nürtingen bewerkstelligt werden. In der Psychiatrie müsse nun auch eine pauschaliertes Entgeltsystem umgesetzt werden. Das sei eine bundesweit tief greifende Veränderung, denn gerade der Verlauf psychischer Erkrankungen lasse sich nicht planen.

Für die schwungvolle musikalische Umrahmung der Feierlichkeit sorgte die Iris Oettinger Jazz Band. Dies diente zugleich als Geburtstagsständchen, denn Waelsch feierte auch seinen 65. Geburtstag.