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Die Pflege wird aufpoliert

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung will den Menschen nicht zu viel vorschreiben

Alte Menschen möchten in Deutschland überwiegend eines: zu Hause leben und zu Hause sterben. Für Karl-Josef Laumann, Patientenbeauftragter der Bundesregierung, ist ganz wichtig, dass der persönliche Wunsch des Einzelnen respektiert wird: „Es ist nicht Sache der Politik, zu entscheiden, wo Pflege stattfinden soll.“

Staatssekretär Karl-Josef Laumann (links) und der Kirchheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich plädieren beim Redaktio
Staatssekretär Karl-Josef Laumann (links) und der Kirchheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich plädieren beim Redaktionsgespräch für individuelle Entscheidungsfreiheit in der Pflege.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Deutschland hat ein Problem. 2,6 Millionen Menschen bekommen derzeit Geld aus der Pflegeversicherung. Zwei Drittel davon werden zu Hause gepflegt, ein Drittel lebt im Heim. Doch dabei bleibt es nicht. Die Zahlen steigen drastisch: „Wir gehen von jährlich zwei bis drei Prozent mehr Pflegefällen aus“, sagt Staatssekretär Karl-Josef Laumann. Der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Münsterland ist seit 2014 Beauftragter der Regierung für Patientenbelange und Pflegebevollmächtigter. Daher hat er viele Pflegeheime besucht. Fast allen stellt er ein gutes Zeugnis aus: „Dort arbeiten Menschen mit großer fachlicher Qualifikation und hohem moralisch-ethischem Anspruch.“ Dennoch haben Heime mitunter ein Imageproblem, zudem werden sie als teuer empfunden. Ein Platz kostet weit mehr als die Versicherung hergibt. Bezahlt werden muss aber nicht nur die Pflege. „Miete, und Verpflegung ist nicht Sache der Pflegeversicherung“, gibt Laumann zu bedenken.

Häusliche Pflege ist günstiger, sowohl für die Gesellschaft als auch für den Einzelnen. „Ohne häusliche Pflege hätten wir Riesenprobleme“, sagt Laumann. Denn zwei Drittel der Menschen mit Pflegestufen, die zu Hause sind, kommen sogar ganz ohne Dienst und äußere Unterstützung aus. Familienangehörige leisten hier die Pflege. Für diese Aufgabe wären die 700 000 Beschäftigten der Altenpflege, die derzeit in Deutschland Dienst tun, viel zu wenig. Ohnehin besteht laut Laumann die Herausforderung darin, Menschen zu finden, die pflegen wollen. Wer sich kümmert, das sind eben doch überwiegend Familienmitglieder, sprich die Kinder. Schließlich ist es die Babyboomer-Generation, deren Eltern jetzt betagt oder hochbetagt sind. „Meist funktioniert hier Familienzusammenhalt noch“, ist eine Erfahrung, die Laumann wiederholt macht. Er stammt selbst aus der Landwirtschaft und lebt mit Großfamilie in einem Dorf.

Den alten Menschen kommt es entgegen, zu Hause bleiben zu dürfen: „91 Prozent der Menschen wünschen sich, einmal zu Hause sterben zu dürfen“, zitiert Laumann eine Statistik. – Am Ende sind es keine 20 Prozent, denen dieser Wunsch erfüllt wird.

Doch auch wer zu Hause ist, ist oft sehr einsam. „Die Hälfte aller Pflegebedürftigen zu Hause leben ganz allein, viele sehen nur den Pflegedienst, sonst niemanden“, bedauert Laumann. Deswegen sieht er einen enormen Schritt im Pflegesektor darin, dass die Leistungen für Tagespflege „verdoppelt wurden. „Wer also zu Hause gepflegt wird, kann tageweise einen Pflegeplatz beanspruchen. Allerdings stehen diese Plätze (noch) nicht in ausreichendem Maß bereit. Das will Laumann ändern: „Kleine Kinder haben Strukturen im Alltag, dafür hat die Gesellschaft gesorgt. Doch auch alte Menschen brauchen Strukturen“, so seine Argumentation.

Ein ganz großes Problem ist das Image der Pflege: „Das Pflegeberufegesetz soll Pflege aufpolieren“, sagt Laumann. Alten- und Krankenpflege sollen einander nahezu gleichgestellt werden, sind doch ähnliche Qualifikationen wichtig. Weiter gelte es, an der Wertschätzung zu feilen. Dabei hilft die Tatsache, dass die Lehrlingsquote im Altenpflegebereich infolge einer Ausbildungsumlage gestiegen ist. Geworben wird auch um Frauen, die nach langer Familienphase hier wieder eine sinnstiftende Betätigung finden können. Was die Politik nicht will, ist eine Akademisierung der Altenpflege: „Das soll ein bodenständiger Beruf bleiben, den man mit gutem Hauptschulabschluss oder mit Realschulabschluss lernen kann“, betont Laumann. Er sei auch dankbar für jeden, der aus dem Ausland komme, um in Deutschland zu pflegen. Schließlich gebe es hier schon jede Menge gute Erfahrungen. Allerdings ist klar: „Zur Pflege gehört auch Sprache und Verständnis für die Kultur.“

Zur Pflege gehört aber auch angemessene Entlohnung. Und dazu will die Pflegereform mit ihrer Erhöhung des Pflegevolumens von 23 auf 29 Milliarden Euro beitragen. – Grundlage ist die Erhöhung der Pflegebeiträge. Immerhin: Sie ist gesellschaftlicher Konsens und wird nicht infrage gestellt.