Leserbriefe

Überqualifiziert in die Pflege

Zum Artikel „Gute Chance auf Arbeit“ vom 20. Mai

Im Artikel können fast alle Ukrainer, die nach Deutschland geflohen sind, auf Anerkennung ihrer Berufs- und Schulabschlüsse hoffen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) teilt mit, dass 93 Prozent der Ukrainer, die nach Deutschland kommen, Abitur oder studiert hätten. Das sind Fachkräfte, die wir auf unserem Arbeitsmarkt, der ein Industriestandort ist, brauchen.

Und was wollen wir mit diesen Menschen tun? Wir wollen sie in die Pflege stecken. Ganz nach dem Motto „Wer aus Osteuropa kommt, ist für die Pflege prädestiniert“. Wohlgemerkt, 93 Prozent mit Abitur! Seit dem Jahr 2015 bekamen wir 1,2 Millionen Flüchtlinge in unser Land. Von diesen, meist männlichen, Asylbewerbern hatten 25 Prozent keine oder nur die Grundschule, 26 Prozent eine Mittel- oder Fachschule und 46 Prozent Abitur oder eine Fachhochschule besucht. 

Man könnte doch meinen, dass Menschen mit geringerem Bildungsniveau besser in den Pflegeberufen untergebracht wären. Und solche mit hohem Bildungsstand notwendige, hochwertige Berufe besetzen. Vielleicht aber liegt es auch daran, dass osteuropäische Frauen, und das ist der Großteil der Geflohenen, in die Pflege gehören, während die männlichen, seit 2015 hier ansässigen Menschen dort nicht hingehören! Die damalige Bundesregierung hat uns seinerzeit den hohen Bildungsstand angepriesen, und die IW hat sich seinerzeit nie ähnlich geäußert. Heute haben wir zumeist weibliche Kriegsflüchtlinge, die mit ihren Kindern in Deutschland Schutz gesucht haben. Aber die gehören, trotz ihres hohen Bildungsstandes, in die Pflege.

Das ist Deutschland.

Gert Carstens, Kirchheim