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Schwerer Start in die Kita

Flüchtlingskinder gewöhnen sich langsamer an den Kindergarten als andere Kinder

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland, da­runter Familien mit kleinen Kindern. Der einfachste Weg, sie zu integrieren, führt über die Kindertagesstätten. Ein Besuch im Au-Kindergarten in Kirchheim zeigt: Bis die Kinder dort wirklich ankommen, dauert es oft sehr lange.

Immer mehr Flüchtlingskinder besuchen Kindertageseinrichtungen -  Au-Kindergarten
Immer mehr Flüchtlingskinder besuchen Kindertageseinrichtungen - Au-Kindergarten

Kirchheim. Blondschöpfe sind im Au-Kindergarten in der Minderzahl. Die allermeisten Familien, die ihre Kinder in die Einrichtung im Paradiesle schicken, stammen nicht aus Deutschland. Von 38 Kindern haben 29 einen Migrationshintergrund. Fünf davon sind Flüchtlingskinder. Sie besuchen diesen Kindergarten, weil er der größten Kirchheimer Asylbewerberunterkunft in der Charlottenstraße am nächsten ist. Intensiv-Sprachförderung gehört im Au-Kindergarten selbstverständlich zum Alltag.

Bevor an Förderung zu denken ist, müssen die Kinder eingewöhnt werden. Und das dauert bei Flüchtlingskindern in der Regel länger als bei deutschen Kindern. Fluchterfahrungen und traumatische Ereignisse führen dazu, dass sich die Kinder nicht gern von Mutter oder Vater trennen. Am problematischsten für die Erzieherinnen ist die Ungeduld der Eltern. „Es ist schwierig, ihnen zu vermitteln, dass sie ihre Kinder nicht gleich für drei Stunden bei uns lassen können, sondern dass wir erst einmal mit einer halben Stunde beginnen“, sagt Erzieherin Marianne Seybold. Die Eltern fühlten sich im Kindergarten häufig unsicher, auch aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, würden am liebsten gleich wieder nach Hause gehen.

Die Kinder zu schnell und zu lang von den Eltern zu trennen, sei für die Kleinen jedoch ein Schock: „Die Folge ist dann meistens, dass die Kinder über Wochen schreien und weinen und sich durch nichts und niemanden beruhigen lassen“, sagt Marianne Seybold. Bis die Kinder sich wohl und sicher fühlten, könne es Monate dauern. „Wenn sie dann mal richtig angekommen sind, sind sie eine große Bereicherung“, sagt Marianne Seybold.

Die Kinder lernten schnell Deutsch, brächten sich ein. Allerdings sind die Kinder häufig ebenso schnell wieder weg, wie sie gekommen sind. „Nach zwei Jahren müssen die Familien aus der Charlottenstraße ausziehen. Dann sind sie häufig von heute auf morgen verschwunden. Ohne Abschied“, sagt Marianne Seybold. Durch die kurzen Verweildauern der Kinder gebe es in der Kita das ganze Jahr über Eingewöhnungen. „Das schlaucht sehr.“

Neben der Intensiv-Sprachförderung wird im Au-Kindergarten Bewegung großgeschrieben. Davon profitieren besonders auch Flüchtlingskinder, deren Radius in den engen Unterkünften stark eingeschränkt ist. Der Au-Kindergarten ist als „Bewegungskindergarten“ ausgezeichnet. Täglich gehen die Kinder in die eigene Turnhalle. Einmal monatlich ist Fußball- oder Basketballtraining.

Auch beim Thema „Gesunde Ernährung“ haben viele Familien Nachholbedarf. „Manche wissen es einfach nicht besser und geben ihren Kindern als Vesper Chips oder Kekse mit“, sagt Leiterin Katerina Jelinek. Weil die Verständigung auf Deutsch häufig nicht klappt, zeigen die Erzieherinnen mithilfe von Bildern oder den Vesperboxen anderer Kinder, welche Lebensmittel gesund sind. „Die allermeisten Eltern sind total dankbar für die Tipps“, sagt Erzieherin Marianne Seybold. Der Kindergarten nimmt aktuell am Landesprogramm BeKi (Bewusste Kinderernährung) teil und wird täglich kostenlos mit frischem Obst und Gemüse beliefert. Gemeinsam mit den Erzieherinnen schnibbeln die Kinder Obst für einen Fruchtsalat oder Gemüse für den Rohkostteller. „Am Anfang mögen sie es meistens nicht. Mit der Zeit gewöhnen sie sich an die ungewohnten Lebensmittel“, sagt Katerina Jelinek.

Die Arbeit im Au-Kindergarten könne man mit der in anderen Einrichtungen nicht vergleichen, sagt Erzieherin Dorina Weng. „Die Flüchtlingskinder sind auf einem deutlich niedrigeren Entwicklungsstand. In vielen Bereichen fängt man wirklich bei null an.“ Die Arbeit mache dennoch Spaß, weil sie innerhalb kürzester Zeit so große Fortschritte machten. Und weil für die Flüchtlingskinder alles etwas Besonderes sei. Und sei es nur ein Spaziergang im Wald. „So viel Dankbarkeit, wie wir sie von diesen Kindern bekommen, gibt es sonst nirgendwo“, sagt Dorina Weng.

Sprachförderung gehört im Au-Kindergarten zum Alltag. Erzieherin Marianne Seybold will den Kindern Spaß an Büchern vermitteln.Fo
Sprachförderung gehört im Au-Kindergarten zum Alltag. Erzieherin Marianne Seybold will den Kindern Spaß an Büchern vermitteln.Fotos: Jean-Luc Jacques-