Lokale Kultur

Steckt die Männlichkeit in der Krise?

Bei der 13. Schlossgala ging es um das Thema „Das starke Geschlecht – Das Ende von einem Mythos“

Hauptredner des Abends zum Thema ¿Das starke Geschlecht¿ war Dr. Jürgen Strohmaier.Foto: Natalie Becker
Hauptredner des Abends zum Thema ¿Das starke Geschlecht¿ war Dr. Jürgen Strohmaier.Foto: Natalie Becker

Kirchheim. Geht der Mythos vom Mann als dem starken Geschlecht zu Ende? Das war Thema der 13. Schlossgala des Vereins „Diakonie & Gemeinde“ und der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim am

Freitagabend in der Schlosskapelle. Bevor Referent Dr. Jürgen Stroh- maier seine Denkmodelle, wie er sie nannte, zum Verstehen von Männlichkeit darlegen konnte, lauschten die etwa 90 Gäste mehreren Grußworten.

Der Vereinsvorsitzende Martin Ludwig betonte, dass der Verein so wichtig sei wie noch nie – auch deshalb, weil die Altersarmut zunehme. Der Verein unterstützt mit seinen Mitgliedsbeiträgen die Diakonische Bezirksstelle und Ausbildungsprojekte. Außerdem gibt er unbürokratisch Geld für in Not geratene Familien. Verbunden ist der Verein mit der Stiftung Tragwerk, die die Schlossgala sponsert und ebenfalls zur Diakonie gehört.

Roswitha Sylla arbeitet dort in der Erziehungsberatung und schilderte, wie Kindern und Jugendlichen mit persönlichen Gesprächen wieder Lebensmut vermittelt werden kann. Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker würdigte die Arbeit des Vereins. Außerdem hatte sie sich Gedanken zum Thema „Starkes Geschlecht“ gemacht. Der Mythos vom starken Mann habe im vorigen Jahrhundert seinen negativen Höhepunkt erreicht. Die Emanzipation der Frau habe die traditionellen Geschlechterrollen aus den Fugen geraten lassen. Heutzutage gehe es darum, die Bedürfnisse der Geschlechter wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Jungen und Mädchen müssten gerecht gefördert werden, denn „wir brauchen starke Geschlechter für eine starke Gesellschaft.“

Angelika Matt-Heideckers Einschätzung, der Mythos vom „Starken Geschlecht“ rühre aus religiösen Bildern, widersprach anschließend Dekanin Renate Kath. Die Männer in der Bibel seien sehr unterschiedlich gezeichnet. Renate Kath sieht in den biblischen Geschichten vor allem die Individualität von Männern und Frauen betont.

Nun beschränkt sich Religion nicht aufs Christentum. Das wurde im Hauptvortrag des Abends deutlich. Der Sozialwissenschaftler und Referatsleiter beim Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, Jürgen Strohmaier, meinte, der Mythos vom Mann als starkes Geschlecht stamme aus der altgriechischen Philosophie und Dichtung über Götter, Halbgötter und Menschen. In der Antike sei der Phallus zum Symbol für Machtfülle, Wohlstand, Ruhm und Ehre und damit des männlichen Seins geworden. Heutzutage sei der Männlichkeits-Mythos von der Genderforschung gründlich zerlegt. Ein gelungenes neues Männlichkeitskonzept gebe es aber nicht, sagte der Referent und fragte: „Ist die Männlichkeit wirklich in der Krise? Oder handelt es sich nicht eher um eine Krise zwischen Frauen- und Männerwelten?“ Eine Antwort gab er nicht, das hatte er auch angekündigt. „Ich habe keine Rezepte zu verteilen. Ich biete Denkmodelle an.“

So dachte sich Jürgen Strohmaier 40 Minuten lang durch die Welten diverser anderer Denker. Ob Bourdieu, Heidegger, Hans-Georg Gadamer, Sloterdijk, Sokrates, Diogenes oder Houllebecq – es fielen viele Namen, und es gab viel Soziologen-Deutsch. So führen laut Jürgen Strohmaier die Schwierigkeiten von Männern bei der Identitätsfindung bei einer bestimmten Gruppe junger Männer dazu, dass sie Bildung ablehne und „sich einer Durchsetzungskultur zuwende“. Der Sozialwissenschaftler sieht darin ein „ethnisch-kulturelles Bedürfnis nach Standhaftigkeit“.

Zwischen den einzelnen Reden versuchte das Improvisationstheater „Wir sind‘s“ das Publikum zu unterhalten. Dem Frau-Mann-Duo gelang es bei seinen drei Kurzauftritten jedoch nur selten, den berühmten Funken überspringen zu lassen – was auch an den etwas langatmigen Erklärungen vor jeder Szene gelegen haben mag. Entschädigung bot hingegen die hervorragende Band „Jazz and More“.