Lokalsport

Mosolf Interview

Es ist die schärfste Zäsur, die der Fußball in Kirchheim in seiner 100-jährigen Geschichte erlebt hat. Was sind die Gründe, und wer trägt die Verantwortung für die aktuelle Finanzkrise des VfL? Bernd Köble und Peter Eidemüller haben VfL-Abteilungsleiter Dr. Jörg Mosolf im Redaktionsgespräch befragt.

Herr Mosolf, die wichtigste Frage vorneweg: Wie viel Geld fehlt im Etat der VfL-Fußballabteilung denn nun wirklich?
Mosolf: Wir müssen zwei Dinge unterscheiden. Den Etat für die laufende Saison und den für die neue Saison. Für die Saison 2010/2011 ist die Abteilung inzwischen schuldenfrei. Für die neue Saison gibt es eine Deckungslücke, die circa 100 000 Euro beträgt. Nachdem im Winter klar war, dass ein Sponsor ausfallen wird, hatte man gehofft, dass man Ersatz finden könnte. Da gab es zahlreiche Gespräche und auch positive Signale.
Über wie viel Geld reden wir, was diesen Ausfall betrifft?
Mosolf: Ungefähr 50 000 Euro. Damit war klar, dass man sich auf neue Sponsoren konzentrieren muss. Mit dem Haus Mosolf hat dies allerdings nichts zu tun. Wir haben unsere Aufgaben erfüllt und für mich ist klar, dass damit die Grenze dessen erreicht ist, was wir zu leisten gewillt sind.
Waren Sie als Abteilungschef zu gutgläubig, was die Einschätzung der Lage durch ihren hauptamtlichen Geschäftsführer anbelangt?
Mosolf: Wie gesagt, es gab positive Signale in Sponsorenverhandlungen. In der Region und auch außerhalb. Das wurde mir auch glaubhaft vermittelt. Am Ende ist es nun mal so, wenn die Unterschrift fehlt, haben sie eine Etatlücke. Dann stellt sich die Frage, lässt man das Thema laufen und baut möglicherweise Schulden auf, oder zieht man die Reißleine. Wenn Sie die Historie kennen, dann wissen Sie, dass in der Abteilung Schulden angehäuft wurden bevor ich kam, und nun bin ich eben derjenige, der das nicht akzeptiert.
Ab wann gab es denn erste Signale, dass entscheidende Einnahmen für die neue Saison wegbrechen würden?
Mosolf: Das war im Januar.
Trotzdem hat der Verein in der Winterpause sechs neue Spieler verpflichtet, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits abzusehen war, dass es finanziell eng werden könnte.
Mosolf: Wir haben Spieler ausgetauscht, ohne dabei den Spieleretat zu erhöhen. Ich gebe Ihnen aber Recht, dass man ab dem Winter stärker hätte reagieren müssen und den einen oder anderen Spieler nicht hätte verpflichten dürfen. Wir haben personell zwar keine Mehrkosten, aber wir haben die Etatlücke nicht geschlossen. Da wurden die Vorgaben nicht erfüllt.
Wer trägt also die Hauptverantwortung dafür?
Mosolf: Da ist zunächst die Frage der Kontrolle. Diesen Vorwurf muss ich mir machen, da gibt es nichts zu diskutieren. Das Zweite ist, es gibt einen Geschäftsführer, den ich genau deshalb eingestellt habe, weil ich nicht die Zeit habe, mich täglich um dieses Thema zu kümmern. Da muss ich einfach erwarten, dass der seinen Job ordentlich macht. Als Abteilungsleiter trage ich natürlich immer die Hauptverantwortung. Dazu stehe ich.
Es kommt nun alles auf den Prüfstand, wie Sie betonen. Wo sehen Sie das größte Sparpotenzial?
Mosolf: Den wichtigsten Schritt haben wir Montagabend beim Treffen mit Geschäftsführer Walter Rau, der VfL-Gesamtvorsitzenden Doris Imrich und meinem Stellvertreter Kurt Dangel bereits getan, indem wir beschlossen haben, die erste Mannschaft vom Spielbetrieb in der Oberliga abzumelden.
Da stellt sich nun die Frage, warum erst jetzt? Warum nicht vor dem 30. Juni, der als Melde-Stichtag für die Oberliga gilt? Dann wäre Freiberg drin geblieben und den ganzen Wirbel um die Verlegung des Reutlingen-Spiels nach Heilbronn hätte es nicht gegeben?
Mosolf: Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Die Sache ist einfach die, dass mir die Zahlen zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt waren. Ich kann nur entscheiden aufgrund von Fakten, die ich kenne. Da muss ich einfach den Vorwurf an die Geschäftsführung machen, dass in dem Punkt nicht transparent agiert wurde?
Heißt das, Ihnen wurden Zahlen vorenthalten oder Ihnen wurden falsche Zahlen genannt?
Mosolf: Ich wiederhole, mir waren die Zahlen nicht bekannt. Endgültige Zahlen habe ich erstmals am Montagabend gesehen. Es war immer von Hoffnung auf neue Sponsorenverträge die Rede. Ein Termin vor dem 30. Juni wäre sicher der bessere gewesen. Aber besser jetzt, als die Sache laufen zu lassen, im Wissen, dass es nicht funktioniert. Das Einzige, worum es mir leid tut, sind die vielen Ehrenamtlichen, die sich für den Verein engagieren.
Wie teuer kommt Sie denn nun die  Mannschaft zu stehen, auch wenn sie nicht spielt?
Mosolf: Wir haben gültige Verträge, und die werden wir auch erfüllen müssen. Das geht arbeitsrechtlich gar nicht anders. Natürlich werden wir jetzt mit jedem über eine Vertragsauflösung reden. Sie müssen aber auch die Struktur der Verträge sehen. Ein großer Teil sind Zuschläge und Prämien. Es geht jetzt ums Grundgehalt. Das werden wir tragen können.
Ist mit dem Rückzug das Problem nun behoben?
Mosolf: Sie können davon ausgehen, dass die Fußballabteilung im kommenden Jahr ohne Schulden in die neue Saison gehen wird.
Dann wird es einen Neustart in der Verbandsliga geben?
Mosolf: So weit denke ich bisher noch nicht. Wir werden vorerst nur eine Mannschaft anmelden in der Bezirksliga, bis wir die Dinge abschätzen können und dann entscheiden, wie wir weiter handeln. Die Frage wird dann auch sein, will man in Kirchheim Fußball in einer höherklassigen Amateurliga überhaupt haben oder nicht. Dann ist auch die Wirtschaft gefragt, die dies fördert. Das kann nicht allein auf einer Schulter ruhen. Das sind die Diskussionen, die wir im nächsten Jahr führen werden.
Die Bereitschaft, Geld in ein Produkt zu investieren, hängt immer auch von dessen Strahlkraft ab. Wie lange kann es sich ein Fußballverein, der Spielergehälter bezahlt, leisten, weniger als 100 Zuschauer im Stadion zu haben?
Mosolf: Bei der Jugend haben wir kein Problem, bei der zweiten Mannschaft haben wir kein Problem. Dort hatten wir teilweise mehr Zuschauer als in der Oberliga. Man muss einfach auch sehen, dass wir für den höherklassigen Amateurbereich keine ideale Infrastruktur haben, die man braucht, um eine entsprechende Wirksamkeit nach außen zu haben. Die zweite Frage ist, warum die Kirchheimer höherklassigen Amateurfußball nicht begleiten. Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Für mich persönlich heißt das: Wenn ich heute die Wahl hätte, höherklassigen Fußball oder Jugend, dann wäre die Entscheidung klar. Mit der Jugend haben wir eine soziale Aufgabe. Wer darüber hinaus etwas anderes will, der muss sich engagieren.
Was die angesprochene Infrastruktur betrifft, laufen bekanntlich die Planungen für eine Modernisierung des Stadions. Nun sind Sie ja nicht nur Abteilungsleiter, sondern auch Stadtrat. Wird das Stadion-Projekt über eine Betreibergesellschaft nach dem, was wir wissen, noch politisch mehrheitsfähig sein?
Mosolf: Das kann ich nicht sagen. Darüber wird man jetzt gemeinsam sprechen müssen. Klar ist für mich: Es kann nur eine Gesamtlösung geben. Mit Vereinsheim und mit einer Modernisierung der Außenanlagen. Das eine ohne das andere ergibt keinen Sinn.
Welche Lehren ziehen Sie persönlich aus dem Fall und welche personellen Konsequenzen wird es in der Abteilung geben.
Mosolf: Das werde ich gründlich überdenken. Ich habe eine feste Regel: Bevor ich Entscheidungen treffe, die schwerwiegend sind, schlafe ich erst mal drüber. In dem Fall ist mir vermutlich eine Nacht zu wenig. Tatsache ist, dass wir in der Bezirksliga keinen Trainer vom Schlage eines Rainer Kraft benötigen und klar ist auch, dass ich mit der Arbeit der Geschäftsführung nicht zufrieden bin.
Sie haben es eingangs erwähnt, dass es Parallelen gibt zur Schuldenkrise der Fußballabteilung in den Neunzigern. Was sagen Sie denen, die sich jetzt fragen, warum man beim VfL aus früheren Fehlern nicht lernt?
Mosolf: Da muss man zwei Dinge unterscheiden. Als ich beim VfL angefangen habe, stand der Verein in der Verbandsliga kurz vor dem Abstieg. Wir hatten anschließend Erfolg und sind aufgestiegen, ohne irgendwelche Schulden zu machen. Dann hat man eine Vereinbarung getroffen mit dem Hauptverein, der die Altschulden übernahm, gleichzeitig hat die Fußballabteilung Werbeeinnahmen in Höhe von rund 20 000 Euro im Jahr  an den Hauptverein abgetreten. Die Fußballabteilung hat also einen Beitrag geleistet, um diesen Schuldendienst zu tragen. Dadurch werden ­diese Schulden kontinuierlich abgetragen und das wird auch weiterhin so sein. Das Zweite ist die Frage, „lernen die nichts?“ Gerade weil wir daraus lernen, lassen wir es nicht zu, dass die Abteilung in neue Schulden einsteigt. Das ist der Punkt. Der Vorwurf wäre berechtigt, wenn wir jetzt nicht die Reißleine ziehen würden.
Inwieweit ist dies für Sie auch eine persönliche Niederlage?
Mosolf: Natürlich ist dies eine Niederlage. Da ich Abteilungsleiter bin, muss ich auch zur Verantwortung stehen. Insofern schmerzt dies.
Werden Sie bei den nächsten turnusmäßigen Wahlen erneut als Abteilungsleiter zur Verfügung stehen?
Mosolf: Ich wollte das Amt schon im letzten Jahr niederlegen. Dann hat man mich gebeten, dabeizubleiben, angesichts des bevorstehenden Jubiläums. Meine Begeisterung auf diese Frage können Sie daran leicht ablesen. Das hat mit der aktuellen Situation allerdings nichts zu tun. Vielmehr bin ich froh, dass ich jetzt da bin und beitragen kann, die Weichen in einer schwierigen Lage richtig zu stellen.
Welche Auswirkungen hat die Situation auf das am Samstag beginnende Teckbotenpokal-Turnier?
Mosolf: Gar keine. Da wird es keine Abstriche geben. Das Turnier wie auch der Gastauftritt von Turbine Potsdam am Samstag ist vielmehr eine willkommene Chance, mit Gewinn rauszugehen.