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Kein Patent auf Leben

Landwirte wollen Sortenvielfalt erhalten – Drei Konzerne kontrollieren zwei Drittel des Weltmarkts

Patent auf Leben – das ist das angestrebte Ziel großer, weltweit agierender Agrarkonzerne. Der Europäische Gerichtshof stärkte mit einem Urteil die Position der Bauern. Sie dürfen Saatgut künftig selbst verkaufen. Viele befürchten jedoch einen Pyrrhussieg.

Die Kartoffelsorte Linda kam in Deutschland zu einiger Berühmtheit. Einige Landwirte kämpften für den Erhalt der Sorte und gegen
Die Kartoffelsorte Linda kam in Deutschland zu einiger Berühmtheit. Einige Landwirte kämpften für den Erhalt der Sorte und gegen die Übermacht der Saatgutkonzerne. Der Vorwurf: Sortentod aus Profitgier durch Lizenzgewinne mit neuen Sorten. Nach jahrelangem Kampf siegten die streitbaren Bauern gemeinsam mit den Linda-Liebhabern, und die Sorte ist wieder auf dem Markt. Foto: Jean-Luc Jacques

Kreis Esslingen. „Tier- und Saatzucht ist seit Jahrtausenden eine bäuerliche Angelegenheit. Das darf nicht in die Hände von Großkonzernen gelangen“, hat Karl Ederle. Landwirt mit Leib und Seele, eine klare Position. Auf seinem Hof in Bissingen tummeln sich unter anderem Turopolje-Schweine – eine vom Aussterben bedrohte Haustierrasse aus Kroatien – und seine Galloway-Rinder grasen auf den Wiesen rund um den Rauberhof und auf der Alb. „Sich Saat- oder Erbgut patentieren zu lassen, ist reine Profitgier der großen Konzerne. Wohin das führt, sieht man in Indien. Dort haben schon Tausende von Kleinbauern Selbstmord begangen, weil sie das Saatgut nicht mehr bezahlen können und ihre Familien dadurch hungern müssen“, wettert Karl Ederle.

Dabei waren es gerade indische Bauern, die über Jahrhunderte eine Weizensorte herauszüchteten, die Gebäck besonders knusprig werden lässt. Diese genetische Eigenschaft mischte der US-Konzern Monsanto seinem Saatgut bei und wollte prompt von seinen Kunden dafür Lizenzgebühren kassieren. Das Umweltinstitut München spricht in diesem Zusammenhang von Biopiraterie. Dieser Vorgang geschah bereits 2003, und das Europäische Patentamt hat ein Jahr später dem Einspruch von Bauernverbänden und anderer Organisationen stattgegeben und die Patentierung zurückgenommen.

Nun musste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Thema Saatgut auseinandersetzen. Zur Freude der Landwirte kippte er das Saatgut-Monopol der Großfirmen. Ein bäuerliches Netzwerk war von einem Hersteller auf 50 000 Euro Schadensersatz verklagt worden, weil es mit altem, aber amtlich nicht zugelassenem Saatgut handelte. Diese Zulassungen sind aufwendig und teuer, weshalb sich bäuerliche Erzeugergemeinschaften diese Verfahren nicht leisten können. Anders die Großkonzerne: Bayer in Leverkusen, Syngenta – im Jahr 2000 aus einer Fusion der Agrarsparten von Novartis und AstraZeneca entstanden – mit Sitz in Basel, und Monsanto aus St. Louis im US-Bundesstaat Missouri kontrollieren weltweit rund zwei Drittel des Saatguts. Maßgeschneidert gibt es dafür auch die entsprechenden Spritzmittel, die die Landwirte gleich mitkaufen können.

Aus diesem Kreislauf hat sich Arnim Kächele aus Unterlenningen schon lange verabschiedet. Seit 1987 ist sein Wiesenhof ein Biolandbetrieb und das Saatgut kommt von einem Schweizer Demeter-Züchter. „Der Samen kommt aus der Natur – aus der Schöpfung – und gehört allen“, sagt Arnim Kächele. Für ihn ist es deshalb ein Unding, dass sich Konzerne ihre Züchtungen patentieren lassen. „Es geht nicht um Verbesserungen für den Menschen, etwa eine bessere Verträglichkeit, sondern es geht ganz einfach darum, dass die Konzerne Toleranzen für ihre Spritzmittel in ihr Saatgut einbauen, um das dann besser verkaufen zu können“, nennt der Biolandbauer Ross und Reiter.

Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Esslingen, legt großen Wert darauf, zwischen Saatgutzucht und dem Saatgut als solches zu unterscheiden. „Um eine neue Sorte entwickeln zu können, braucht es Kapital“, erklärt er. Bei neuen Züchtigen geht es neben einem höheren Ertrag auch um Widerstandsfähigkeit gegenüber Pilzen wie beispielsweise Mehltau. Sind die Züchter mit ihrem Werk zufrieden, kommt dieses auf kleinen Flächen erzeugte Basissaatgut zu einem Vermehrer auf weit größere Flächen. Erst diese zweite Generation kommt dann als Z-Saatgut – also zertifiziert – in den Handel. „Es ist das beste, alle weiteren Generationen vermischen sich auf den Feldern mit anderen Sorten“, erläutert Siegfried Nägele. Die Sorte baue recht schnell ab, weshalb es sich nur ein- oder zweimal lohnt, das eigene Getreide auf den Feldern auszusäen.

Der Landesbauernverband und auch der Bundesverband sprechen sich klar gegen Biopatente aus, egal ob bei Pflanzen oder Tieren. „Ich haben ein bisschen Mores vor den Biopatenten und einer möglichen Einführung durch die Hintertür“, traut Siegfried Nägele dem Frieden auf europäischer Ebene nicht so recht. „In Deutschland haben wir eine Regelung, die von beiden Seiten akzeptiert ist: Landwirt und Züchter“, sagt der Kreisvorsitzende. Deshalb wollen die Landwirte „ihre“ Züchter halten. „Ich möchte nicht, dass es eine europäische Biopatentrichtlinie gibt, durch die die deutschen Züchter gefährdet werden“, so der Vorsitzende. Die Landwirtschaft brauche gerade diese eher kleineren, innovativen Züchter. „Doch wenn die nichts mehr verdienen, hören diese Firmen auf, und wir Landwirte sind von Riesenkonzernen abhängig“, befürchtet Siegfried Nägele.