Lokales

Die „alte Dame“ versteht zu feiern

900 Jahre Ochsenwang: Festakt und Heimatabend – Festumzug mit über 500 Teilnehmern

Die „alte Dame Ochsenwang“, wie sie Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf beim Festakt der 900-Jahr-Feier genannt hat, ist zweiundzwanzigeinhalbmal so alt wie der Landkreis Esslingen. Das Jubiläum haben die Ochsenwanger am vergangenen Wochenende mit einem Kinderfest, Heimatabend und Festumzug ausgiebig gefeiert.

900-Jahr-Feier: Auch nach dem Festumzug bleibt in Ochsenwang die Kirche im Dorf.Foto: Markus Brändli
900-Jahr-Feier: Auch nach dem Festumzug bleibt in Ochsenwang die Kirche im Dorf.Foto: Markus Brändli

Bissingen. Es war ein Festwochenende, wie es die Eduard-Mörike-Gemeinde Ochsenwang in ihrer 900-jährigen Geschichte noch nicht erlebte. Beim gestrigen Höhepunkt des Jubiläums, dem Festumzug, zog sich ein bunter, stimmungsvoller „Lindwurm“ aus 37 Gruppen mit rund 550 Teilnehmern – mehr als der Flecken Einwohner zählt – anderthalb Stunden durch das festlich herausgeputzte Albdörflein, vorbei an zahlreichen Besuchern aus nah und fern.

„Sie können stolz auf das Geleistete sein“, gratulierte Landrat Heinz Eininger beim Festakt am Samstagabend der Eduard-Mörike-Gemeinde zum historischen Jubiläum. Das „Fest des Zusammenhalts und der Verortung“ trage in einer globalen Welt dazu bei, sich über seine Wurzeln bewusst zu werden und zu wissen, was Heimat ausmache. Wenn er von seinem Lieblingsort, dem Breitenstein, über den Landkreis blicke, dann sage er sich scherzhaft „älles mei‘s“, doch er wisse um seine Verantwortung für den Kreis. Dieser Blick mache dankbar. „Wir hatten noch nie eine so lange Zeit des Friedens, des Wohlstands und der prosperierenden Entwicklung in unserem Land“.

Der Landkreis Esslingen, der in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen feiern konnte, lebe nicht nur von der Wirtschaftskraft im Tal, sondern auch von der Natur „hier oben“. Diese gelte es zu erhalten, „damit Sie bei der Jahrtausendfeier der Eduard-Mörike-Gemeinde auch noch eine intakte Natur erleben können“, wünschte Landrat Heinz Eininger und überreichte Bürgermeister Musolf als Geburtstagspräsent einen Farbdruck mit dem Landkreiswappen des Künstlers Anton Stankowski.

Der Bissinger Verwaltungschef hatte zuvor in seiner Begrüßung der Gäste im voll besetzten Festzelt am Ochsenwanger Sportplatz auf die erste schriftliche Erwähnung Ochsenwangs in der Schriftenrolle des Klosters Sankt Peter im Schwarzwald – dem Rotulus Sanpetrinus – im Jahre 1113 hingewiesen und gemeint, „die kleine Feier stehe der alten Dame gut zu Gesicht“. Erst seit gut zwei Jahren Rathauschef in Bissingen, wusste Marcel Musolf doch um ihren besonderen Charakter: „Etwas bruddelig, auch mal knurrig, ein paar gut übertünchte Falten da und dort, aber für‘s Schaffen geboren, und über Geld wird ett g‘schwätzt.“ Des Bürgermeisters Fazit: „Alles in allem ein Charakter, den man mögen muss“. Dabei hob er besonders, auch im Blick auf die 900-Jahr-Feier, den Zusammenhalt im Ort und das große Engagement „in tausenden von Stunden“ hervor.

So ging am vergangenen Wochenende bei Kaiserwetter nicht nur ein großes Dorffest am Ochsenwanger Sportplatz über die Bühne. Die achtköpfige Geschichtsgruppe hatte es in zweijähriger Vorbereitung tatsächlich geschafft, das erste Ochsenwanger Heimatbuch zu präsentieren. Beim Festakt stellte Bernhard Niemela, der Kopf der Gruppe, die Autoren vor, jeder auf seinem Gebiet ein Spezialist für Ochsenwangs Historie. So erzählte Manfred König in einem kleine Gang durch die Geschichte von Berthold III., der 1113 ein Stück Land in Nabern gegen ein Grundstück in „Ohssenwanc“, das dem Kloster Sankt Peter gehörte, eintauschte. Von diesem Handel gab der Rotulus Sanpetrinus schriftlich Zeugnis.

Danach war 350 Jahre lang Funkstille in „Ohssenwancs“ belegter Historie. Erst als die Ritter von Randeck auftauchten wurde es in Ortsgeschichte wieder lebendig. Bernhard Niemela berichtete darüber und konnte zur großen Überraschung der Festgäste unter ihnen Nachfahren derer von Randeck begrüßen – Freifrau Ingeborg Thumb zu Neuburg und Freiherr Hans Hartmann Thumb zu Neuburg, deren Schloss in Unterboihingen steht. Niemela erzählte auch vom berühmtesten Randecker, dem kaiserlichen Spitzendiplomaten Marquard von Randeck, der in der Gruft der Basilika von Aquileja in Norditalien seine letzte Ruhestätte fand.

Mit einem Gläschen Festmost in der Hand erinnerten Ernst Schmid sowie Alfred und Gerhard Feller an neuere „alte Zeiten“. Der Alltag der Bauern auf der Alb, alte Gewannnamen, die Zahl der Wirtschaften früher und Kultur und Sport im Ort waren ihre Themen. Damals sorgte der Büttel für Ruhe und Ordnung. Dass dessen hundert Jahre alte Handschellen noch funktionieren, stellten die Akteure am Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordneten Karl Zimmermann fest. Doch wo waren die Schlüssel?

Nach dem Grußwort des Vize-Schultes Joachim Maszurim aus Ochsenwang, gab „Büttel“ Günter Schempp den sonntäglichen Tagesablauf bekannt: „8 Uhr, wecken; 9 Uhr, Festeröffnung an der Ochsenwanger Hüle, hissen der Gemeindefahne im Beisein der Festdamen; 9.30 Uhr, Gottesdienst mit Posaunenchor im Festzelt; 10.30 Uhr, Frühschoppen; 13 Uhr, Festzug durch den Ort. Die Misten sind zu leeren und zu schmücken“.

Doch bevor die Ochsenwanger das Sonntagsprogramm zu bewältigen hatten, wirkten etliche von ihnen am unterhaltsamen Heimatabend mit, der humorvoll von der Stimmungskanone in der Krachledernen, Peter Allgaier, moderiert wurde.

Bereits am Samstag waren beim Kinderfest der Kindergärten und der Grundschule die Kleinen mit ihren Erzieherinnen und Lehrern durch Ochsenwangs Straßen gezogen, verkleidet als Alemannen, Steinzeitmenschen, Ritter und Burgfräulein, als Drache von der Limburg, Sibylle von der Teck, Pfingstlümmel von Ochsenwang und als Schüler der „Schule früher“. „Älle semmr do, Oxawang wird 900 Johr“, klang es anschließend auf dem Festplatz aus Hunderten begeisterter Kinderkehlen.