Lokales

Partei will raus aus der Demutsecke

Beim Liberalen Auftakt der Kreis-FDP in Kirchheim sprach Bundesminister Dirk Niebel

Etwas verspätet, aber dafür mit einem politischen Schwergewicht als Gast ist der FDP-Kreisverband Esslingen ins Jahr 2012 gestartet: Beim Liberalen Auftakt in der Kirchheimer Stadthalle sprach Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel.

¿Wir sollten endlich wieder nach vorne schauen.¿ Minister Dirk Niebel rief in Kirchheim dazu auf, positiv in die Zukunft zu blic
¿Wir sollten endlich wieder nach vorne schauen.¿ Minister Dirk Niebel rief in Kirchheim dazu auf, positiv in die Zukunft zu blicken. Foto: . Genio Silviani

Kirchheim. Dirk Niebel ist ein guter Redner. Daran ließ der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei seinem Besuch in Kirchheim keinen Zweifel. Der gebürtige Hamburger, der 1983 als Fallschirmjäger nach Calw kam und für den Wahlkreis Heidelberg-Weinheim im Bundestag sitzt, bezog nicht nur Stellung zu den Themen Entwicklungspolitik, Deutschland und FDP. Er sorgte mit seiner bildhaften Sprache, Wortspielen und Zitaten auch dafür, dass sich die Parteifreunde aus dem Kreis gut unterhalten fühlten – vor allem diejenigen, die die fast identische Rede Niebels zum FDP-Dreikönigstreffen in Stuttgart noch nicht kannten.

Ein zentraler Punkt war für Dirk Niebel die Zukunft der gebeutelten FDP. „Wir sollten endlich wieder nach vorne schauen“, betonte er. „Die Demutsecke ist nicht mehr der richtige Aufenthaltsort für die Liberalen.“ Lange habe sich die FDP ängstlich im Umfragekeller verschanzt. Jetzt sei es Zeit, die Zukunft zu gestalten.

Dass die FDP trotz Umfragetiefs dazu in der Lage sei, zeige auch die Nominierung Joachim Gaucks als Kandidat für das Bundespräsidentenamt. Gauck solle dem Amt nun wieder Vertrauen zurückbringen. „Wir haben den Weg dafür geebnet – zusammen mit der Opposition.“

Profilieren könne sich die FDP auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. „Da haben wir die Möglichkeit, an allen relevanten Zukunftsthemen zu arbeiten“, sagte der Bundesminister und stellte seinen Ansatz als Kontrastprogramm zum „Hirseschüsselsozialismus“ vor. Nur durch Hilfe zur Selbsthilfe könnten sich Staaten zu asiatischen Tigern und afrikanischen Löwen entwickeln, sagte Niebel und kritisierte, dass so mancher Staat durch die Fütterung leistungsunwilliger Strukturen als „Hauskatze“ dahindümple.

„Wir haben das süße Gift der allgemeinen Haushaltszuschüsse gestoppt“, sagte der Minister. Liberale Entwicklungspolitik setze vor allem auf Menschen als Partner. Gefördert werde verstärkt das Engagement deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern – was dem Minister immer wieder den Vorwurf einbringe, er tue zu viel für die deutsche Wirtschaft. „Aber ohne Entwicklung der Wirtschaft ist eine nachhaltige Armutsbekämpfung nicht möglich“, betonte Dirk Niebel und nannte ein Beispiel, bei dem ein schwäbisches Unternehmen in Namibia investiert hat. Dort seien nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze entstanden, sondern auch eine innovative und ökologisch orientierte Nische, die immer weiter wachse und Synergieeffekte erzeuge.

Freihandel statt Handelsbeschränkungen, nannte Niebel seine Devise und zitierte Winston Churchill: „Märkte sind wie Fallschirme. Sie arbeiten am besten, wenn sie offen sind.“ Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und Entwicklungszusammenarbeit seien „das neue magische Dreieck“, so Niebel. Dabei stünden liberale Grundwerte wie Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit, Demokratie, Toleranz und Soziale Marktwirtschaft stets im Vordergrund.

„Ich bin viel rumgekommen in den letzten zwei Jahren“, berichtete der Minister. Die schlechte Stimmung in Deutschland verstehe er seither noch weniger. Kaum einem Land auf der Welt gehe es so gut wie Deutschland. Kaum ein Land habe einen solch guten Ruf – „und zwar auch wegen der FDP“, sagte Dirk Niebel.

Kein Wort verlor der Minister in Kirchheim über die aktuellen Vorwürfe gegen ihn. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sascha Raabe hatte im Januar Anzeige gegen Dirk Niebel wegen Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder erstattet. Niebel soll einer Parteifreundin einen Job verschafft zu haben. Das teure Bewerbungsverfahren soll es lediglich gegeben haben, um faire Bedingungen vorzutäuschen. Diese Vorwürfe hat Niebel von Anfang an zurückgewiesen. Gegenwind bekommt der Entwicklungsminister nun aber sogar aus den eigenen Reihen: So ist ein FDP-Ortsverband wegen der „Stellenbesetzung mit G‘schmäckle“ in Streik getreten.

Darüber, dass der kleine Saal der Kirchheimer Stadthalle gut gefüllt war, freute sich Judith Skudelny, Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Nürtingen: „Man merkt, die FDP lebt noch“, witzelte sie. Ein Umstand, den auch Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker begrüßte – obwohl sie ein anderes Parteibuch besitzt: „Wir brauchen den liberalen Gedanken in einer pluralistischen Gesellschaft.“ Der Kreisverbandsvorsitzende Ulrich Fehrlen sprach die Tatsache an, dass es dieses Jahr keinen Neujahrsempfang, sondern einen „Liberalen Auftakt 2012“ gebe. Der Grund sei einfach: Ein früherer gemeinsamer Termin mit Bundesminister Dirk Niebel habe sich nicht finden lassen.