Zwischen Neckar und Alb
„Die russische Armee ist unvorstellbar grausam“

Politik Die FDP-Politikerin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprach in Nürtingen über den Ukraine-Krieg. Sie kam auf Einladung ihrer Bundestagskollegin Renata Alt sowie des FDP-Ortsverbands Nürtingen und der Jungen Liberalen Esslingen.

Nürtingen. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, ist bekannt für ihre klaren Worte. Sie nahm auch bei der gut besuchten Veranstaltung in der Fohhn Audio AG in Nürtingen kein Blatt vor den Mund. Eingeladen hatten der FDP-Ortsverband Nürtingen und die Jungen Liberalen Esslingen. Für den musikalischen Rahmen sorgte Loisach Marci mit seiner Sound-Performance.

Jochen Schwarz und Uli Haug, Vorstände und Eigentümer der Firma, stellten ihr 1993 gegründetes Unternehmen vor, das Audi-System-Lösungen entwickelt. „Uns bereitet es große Sorgen, dass gestiegene Energiekosten und hohe Inflation unsere Mitarbeiter sehr belasten“, sagte Jochen Schwarz.

 

Corona ist ein Kreuz für uns alle. Doch was jetzt kommt, ist nochmal eine andere Dimension. Putin hat einen Angriff auf die komplette westliche Welt gestartet.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann

 

„Die Folgen des Ukraine-Kriegs sind überall spürbar“, sagte Renata Alt, hiesige FDP-Bundestagsabgeordnete, die Strack-Zimmermann nach Nürtingen eingeladen hatte. Alt ist Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und betonte, man wolle weltweit den Schwachen helfen, dürfe aber auch das eigene Land nicht im Stich lassen. „Wegen des Nahrungsmittelmangels stehen wir vor einer enormen humanitären Katastrophe. Es ist wichtig, die Hilfeleistung auf mehrere Länder – wie zum Beispiel die Arabischen Emirate – zu übertragen“, sagte sie.

„Corona ist ein Kreuz für uns alle. Doch was jetzt kommt, ist nochmal eine andere Dimension. Putin hat einen Angriff auf die komplette westliche Welt gestartet“, sagte Strack-Zimmermann. Sein Vorgehen habe sich über 15  Jahre aufgebaut. „Das lehrt uns, dass wir aufhören müssen, eine naive Politik zu machen. Unsere friedlichen Nachbarländer haben uns fett und ruhig gemacht, doch jetzt müssen wir aufwachen.“ Die FDP habe von Anfang an dafür plädiert, die Ukraine auch mit Waffen zu unterstützen. „Stattdessen wurden überflüssige Debatten über offensive oder defensive Waffen geführt. Wir sind Pazifisten, doch vorher muss man den abwehren, der das verhindern will.“

Hinsichtlich Putin gebe es keinen Zweifel, dass er die gesamte Ukraine von der Landkarte löschen und nicht diplomatisch verhandeln wolle. Die Ukraine kämpfe in unvorstellbarem Leid um ihr Überleben, Deutschland müsse an ihrer Seite stehen. „Da ist noch Luft nach oben.“ Daher übe die FDP Druck auf die Bundesregierung aus, viele Sanktionen seien auf den Weg gebracht worden. Russland habe den Krieg bereits verloren, weil die EU und die Nato zusammenstünden. „Damit hat Putin nicht gerechnet“, sagte sie. Doch die Ukraine habe den Krieg noch nicht gewonnen, große Chancen bestünden jedoch durchaus. Der Beitritt Finnlands und Schweden zur Nato sei sehr gewichtig – Finnland habe bei fünf Millionen Einwohnern eine Million Reservisten.

Im Übrigen sei es eben nicht Putins Krieg, sondern Russlands Krieg, denn Putin könne ihn ohne die Unterstützung des Landes nicht führen. „Auch in Deutschland gibt es Russen, die ausschließlich Sender mit russischer Propaganda hören.“ Aktuell greife die russische Armee systematisch Firmen in der Ukraine an, um die Wirtschaft zu vernichten. Übliche Kriegsregeln wie Fluchtkorridore seien außer Kraft gesetzt. „Die russische Armee ist unvorstellbar grausam, obwohl natürlich auch viele junge russische Männer im Krieg verheizt werden. Putin fehlen viele Soldaten, weil sich herumspricht, dass der Krieg in der Ukraine kein Spaß ist.“

"Hinsichtlich China muss Europa zusammenrücken.“

Die Haltung der Außenministerin Annalena Baerbock, an der Seite der Ukraine zu stehen, solange das Land es brauche, sei genau richtig. „Natürlich hat das Auswirkungen auf Deutschland. Doch wir sind ein reiches Land. Wir werden die Probleme in der Gemeinschaft lösen können.“ So seien in Rekordzeit Flüssigerdgasterminals aufgebaut worden. Die Energieprobleme würden durch regenerierbare Energien gelöst, doch bis dahin fordert die FDP, die drei deutschen Atomkraftwerke weiter zu betreiben. Die Kosten, die auf die Bevölkerung zukämen, seien „brutal“, deshalb habe die Bundesregierung Entlastungspakete auf den Weg gebracht. „Wir werden nicht alles, aber sehr viel auffangen können.“

Hinsichtlich China müsse Europa zusammenrücken, „sonst werden wir wirtschaftlich überrollt“. Mit China müsse man sich ernsthaft beschäftigen und Grenzen setzen. Elementare Dinge müsse man in Deutschland selbst produzieren können, um selbstständig zu werden. „Deutschland kann auch mal den ersten Schritt tun, anstatt darauf zu warten, dass das jemand anderes macht.“ Doch alles sei nichts wert, wenn man das Land nicht sichere. „Die Verteidigungsbereitschaft wurde naiverweise heruntergefahren. Auch im Cyberbereich gibt es immensen Nachholbedarf.“

In der anschließenden Fragerunde wurden die Handelsbeziehungen zu Russland angesprochen, die auch seit Jahren mit dortigen Freunden bestünden. Auch hier war die Antwort der Politikerin eindeutig: „Solange Russland diesen völkerrechtswidrigen Krieg führt, ist es sehr wichtig, unsere Beziehungen auf Eis zu legen. Russland übt über Energie, Ernährung und Migration Druck auf uns aus und versucht uns weichzuklopfen.“ Gabriele Böhm