Lokales

Pionier der „Schlüsselloch“-Chirurgie

Dr. Klaus Kraft setzt sich seit zehn Jahren an den Kreiskliniken mit minimalinvasiver OP-Methode für das Patientenwohl ein

Dr. Klaus Kraft hat schon an allen vier Häusern der Kreis­kliniken als leitender Arzt gearbeitet. Vor zehn Jahren kam er nach Nürtingen und etablierte die minimalinvasive Chirurgie, die er in Stuttgart mit entwickelt hatte.

Dr. Klaus Kraft etablierte vor zehn Jahren die minimalinvasive Chirurgie in Nürtingen. Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques
Dr. Klaus Kraft etablierte vor zehn Jahren die minimalinvasive Chirurgie in Nürtingen. Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Nürtingen. Dr. Klaus Kraft hat eine lange, anstrengende Nacht hinter sich. Ab Mitternacht stand er, von einem Kollegen hinzugerufen, im OP. Übernächtigt sieht er dennoch nicht aus. Im Gegenteil: Geht es da­rum, die Vorteile der minimalinvasiven Chirurgie zu erklären, ist Kraft voller Energie. Noch kurz vor dem Pressegespräch hatte er einige Vergleichsdaten zusammengestellt, um aufzuzeigen, wie die Operationszahlen sich entwickelt haben, seit er in der Klinik ist – mithin ein Zeichen dafür, dass Patienten, aber auch die überweisenden Hausärzte, von der Qualität seiner Arbeit überzeugt sind. So schnellte die Anzahl der minimalinvasiven Gallenblasen-OPs von 107 auf 410 hoch. Dickdarm-OPs machten einen Sprung von 36  auf 220. Und statt der 162 Leistenbrüche 2003 wurden 2013 gar 560  behoben.

„Für Nürtingen war es ein riesiger Qualitätssprung, die minimalinvasive Chirurgie zu etablieren“, sagte Elvira Benz, stellvertretende Leiterin der Kreiskliniken. Angefangen hat Klaus Kraft mit einer kleinen Abteilung und zwei Oberärzten. Viel Überzeugungsarbeit hat er seitdem geleistet. Die Abteilung wurde auf zehn Chirurgen und 15 Assistenzärzte an allen drei Standorten erweitert und steht nun kurz vor der zweiten Zertifizierung, die den Bauchspeicheldrüsen-Operationen gilt. Die erste Zertifizierung erhielt er 2009 für Darmoperationen. Hauptkriterium für die Zertifizierung ist übrigens eine bestimmte Anzahl von OPs.

Dabei ist Kraft kein Egozentriker. Wann immer Elvira Benz seine Qualitäten in den Vordergrund rückt, hebt Kraft sofort die hervorragende Zusammenarbeit mit seinem Team aus Ärzten und Pflegekräften hervor. Als ebenso positiv empfindet er die interdisziplinäre Zusammenarbeit an den Kreiskliniken. Und nicht nur fachlich, sondern auch menschlich stimme es in der Kooperation mit den entscheidenden Abteilungen. Für Kraft kam diese Entwicklung zeitgleich mit dem Generationenwechsel in den Kliniken. Heute würden Chefs nicht nur nach Titel und Ehrenzeichen ausgewählt, sondern man schaue auch nach dem Charakter. Kraft fand die Zeit zu schade, die nötig gewesen wäre, um einen Professorentitel zu erlangen. Ihn reizt es viel mehr, zu operieren und so zu mehr Erfahrung zu gelangen.

Ein Steckenpferd des Mediziners ist es, Kollegen in Hospitationskursen mit der minimalinvasiven Chirurgie vertraut zu machen. Kurse, die er in seinem Urlaub auch im Ausland hält. Vom Irak über Ägypten, Libyen bis nach Russland reicht hier sein Wirkungsfeld. „Ich war aber auch schon übers Wochenende in Hongkong oder São Paulo, um Kurse abzuhalten“, sagt Kraft, der ursprünglich Lehrer werden wollte.

Ein wenig ärgert sich der Chirurg darüber, wenn Kollegen, die sich mit der sogenannten Schlüsselloch-Chirurgie nicht anfreunden können, auch bei Patienten Vorbehalte dagegen wecken. Engagiert tritt er der Darstellung entgegen, die Methode sei tatsächlich wie ein Blick durch das Schlüsselloch zu verstehen. „Tatsächlich kann man mit der Kamera am Ende des Instruments alles sehen, während man bei einer offenen OP manchmal ganz schön weit aufschneiden muss, um die gleiche Übersicht zu haben“, sagt er. Wolle ein Arzt die Methode nicht anwenden, zwinge ihn ja niemand dazu. Gleich die ganze OP-Methode zu verteufeln, weil man sie nicht beherrsche, dafür hat Klaus Kraft kein Verständnis. Minimalinvasive Chirurgie wird in Körperhöhlen, also am Brustkorb oder in der Bauchhöhle angewendet, die mit Gas gefüllt und so aufgebläht werden. Somit ist genügend Raum für die Bewegung der Kamera oder des sehr filigranen Operationsbestecks vorhanden.

Patienten, die minimalchirurgisch operiert wurden, haben kleinere Wunden, die schneller verheilen. Damit sind die Patienten auch schneller wieder mobil, brauchen weniger Physiotherapie, um wieder auf die Beine zu kommen. Ein Vorteil für den Menschen. Nicht unbedingt jedoch für die Klinik. Instrumente und Geräte sind teurer als bei der herkömmlichen OP-Methode.

Wo sieht sich Dr. Klaus Kraft in zehn Jahren? „Die Abteilung in den nächsten zehn Jahren auf dem Niveau von heute zu halten, wäre schön“, lautet seine Antwort. Und an Rente möchte er noch lange nicht denken.