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Dr. Roboter operiert in Ruit die Prostata

Medizin In der Medius-Klinik in Ostfildern-Ruit sind jetzt auch Eingriffe mit dem OP-Assistenzsystem "DaVinci" möglich. Professor Ali Sedar Gözen , der Leiter des neuen robotischen Zentrums, gilt als Pionier der Methode, die für Patienten noch präziser und schonender sein soll. Von Elke Hauptmann

Zwei Finger jeder Hand in Schlaufen gesteckt, setzt Ali Sedar Gözen die winzige Schere an. Dabei schaut er durch ein klobiges Sichtgerät in die Bauchhöhle des Patienten und zwackt vorsichtig Millimeter für Millimeter Gewebe ab: Aufgrund einer Krebserkrankung im fortgeschrittenen Stadium muss dem Mann die Prostata entfernt werden. Der Chirurg steht bei dem Eingriff allerdings nicht direkt am Operationstisch,
 

Das ist wie beim Autofahren. Man kann sich nicht einfach hinters Steuer setzen und loslegen.
Serdar Deger, Chefarzt der Urologischen Klinik

sondern sitzt etwa zwei Meter davon entfernt an einer sogenannten Steuerkonsole. Die Schnitte führt „Kollege Roboter“ aus.

Wobei der Begriff Roboter nicht ganz treffend sei, erläutert Gözen. „Autonome Operationsschritte nimmt das Gerät nicht vor.“ Vielmehr führt er lediglich die Bewegungen aus, die ihm der Operateur vorgibt. Der Roboter ist quasi der „verlängerte Arm“ des Chirurgen, der den Hightech-Assistenten am Skalpell mit Händen und Füßen steuert. Das braucht viel Erfahrung – und die bringt Gözen mit. Der Urologe gilt als Pionier der roboterassistierten OP-Methode und hat in den vergangenen zwölf Jahren bereits 1200 solcher Eingriffe durchgeführt. Seit Anfang des Jahres arbeitet er an der Urologischen Klinik der Medius-Klinik in Ostfildern-Ruit. Das Kreiskrankenhaus hat weit über eine Million Euro in die Anschaffung eines „DaVinci X“-Operationssystems investiert und den zuvor in Heidelberg tätigen Professor als Leiter des neuen robotischen Zentrums gewinnen können.

„Wir sind das einzige Krankenhaus im Kreis Esslingen, das so etwas anbieten kann“, betont Sebastian Grupp, der Geschäftsführer der Medius-Kliniken. „Damit wird unser Standort weiter aufgewertet“, fügt der Ruiter Klinikleiter Philipp Henßler hinzu. „Die roboterassistierte Operation ergänzt unser minimal-invasives Behandlungsspektrum.“ Die Klinik für Urologie ist für die Diagnostik und Therapie der harnableitenden Wege er Niere, Blase sowie der männlichen Geschlechtsteile zuständig.

Ali Serdar Gözen sitzt beim Eingriff an der Steuerkonsole. Foto: Medius-Kliniken/Verena Müller

„DaVinci“ ist eine Weiterentwicklung der „Schlüsselloch“-Chirurgie, die ohne große Schnitte auskommt. Der OP-Roboter sieht aus wie eine riesige, in Plastik gehüllte Spinne. An vier Stellen durchstechen von Roboterarmen gehaltene Kanülen die Bauchdecke des Patienten. An ihren Enden ragen mikroskopisch kleine Operationsinstrumente und eine hochauflösende 3-D-Kamera ins Innere des Körpers. Letztere liefert Live-Bilder mit 10- bis 15-facher Vergrößerung – und sieht damit wesentlich besser sieht als das menschliche Auge.

Drei der Roboterarme übertragen die Handbewegungen des Chirurgen millimetergenau auf die drehbaren Instrumente, etwa Pinzette, Nadelhalter oder Fasszange – jegliches Zittern der Hände wird dabei herausgefiltert. Abrupte Bewegungen korrigiert der Roboter automatisch. Gözen kann so selbst kleinste Gefäße gezielt versiegeln, feinste Nervenstränge dagegen schonen. Jeden seiner Schritte verfolgt das OP-Team, das weiterhin direkt neben dem Patienten sitzt, über einen HD-Bildschirm, die Kommunikation erfolgt über ein Mikro.

Auch der Chefarzt der Urologischen Klinik, Serdar Deger, ist von den Vorteilen des computerunterstützten Operierens überzeugt: Im Gegensatz zur herkömmlichen laparoskopischen Variante ist es den Urologen mit Hilfe des Roboters möglich, noch präziser zu operieren. Für Patienten bedeutet das: wenige, kleine Schnitte, schnelle Erholung, vor allem aber einen möglichst schonenden Eingriff, der Kontinenz und Potenz erhält.

Immer mehr Patienten fragen nach der OP-Methode

Deshalb stellt sich auch Deger auf „DaVinci“ ein. Denn: „Immer mehr Patienten fragen nach dieser OP-Methode.“ Obwohl er mit jährlich 130 bis 150 Operationen ein Experte im Bereich der laparoskopischen Eingriffe ist, musste er sich – wie sein gesamtes Team – speziell fortbilden. „Das ist wie beim Autofahren. Man kann sich nicht einfach hinters Steuer setzen und loslegen. Es gehört viel Übung dazu.“ Von den bislang 22 „DaVinci“-Operationen in diesem Jahr hat Deger elf übernommen. Aber er betont: „Keine Methode ist der anderen überlegen.“ Deshalb werden in der Ruiter Klinik für Urologie sowohl laparoskopische als auch roboterassistierte minimalinvasive Eingriffe vorgenommen. Zunächst kommt der Roboter überwiegend bei Operationen an der Prostata zum Einsatz. Schrittweise soll die neue Operationstechnik auch für Eingriffe an Niere und Blase angewandt werden.

 

Roboterassistierte Chirurgie

Ursprung Das DaVinci-Operationssystem der US-amerikanischen Firma Intuitive Surgical wurde ursprünglich als militärisches Projekt für den Einsatz in Krisengebieten entwickelt. Es ist seit 2000 auf dem Markt. Bislang ist die Firma Monopolist.

Verbreitung Rund 6000 "DaVinci"-Systeme hat Intuitive eigenen Angaben zufolge mittlerweile in 67 Ländern installiert. Fast zehn Millionen Eingriffe wurden weltweit damit bereits durchgeführt. Rechnerisch wird alle 25,4 Sekunden ein Eingriff mit einem "DaVinci"-Roboter begonnen.

Einsatzgebiete Mit dem System sind keine Operationen an Knochen möglich. Das Einsatzgebiet umfasst in erster Linie den Bauch-Brust-Raum und das Becken. eh