Lokales

Stadt muss Gräber selbst ausheben

In Weilheim ist es nicht gelungen, ein neues Unternehmen für die Friedhofsarbeiten zu finden

Das Kirchheimer Bestattungsunternehmen Holt hat seine Zusammenarbeit mit der Stadt Weilheim gekündigt. Die Kalkulation stimme nicht mehr. Auch keine andere Firma wollte das Ausheben der Gräber übernehmen. Jetzt muss die Stadt selbst in den sauren Apfel beißen und steht immensen Kosten gegenüber – die auch die Bürger spüren werden.

Friedhof an der Weinsteige

Friedhof an der Weinsteige

Bianca Lütz-Holoch

Weilheim. Die Stadt Weilheim betritt Neuland – wenn auch unfreiwillig: „Wir müssen die Graberstellung und die Bestattungsaufsicht künftig in Eigenregie durchführen“, kündigte Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle im Gemeinderat an. Mit anderen Worten: Die Stadt muss selbst die Gräber ausheben. Mit dieser Aufgabe war jahrzehntelang das Kirchheimer Bestattungsunternehmen Holt beauftragt. „Im Juni hat die Firma nun gekündigt“, so Züfle.

Grund dafür war nach Angaben des Unternehmens, dass die Aufgabe sich nicht mehr gerechnet habe. „Das Ganze war immer eine Mischkalkulation“, erläutert Geschäftsführerin Eva-Maria Holt auf Anfrage. Für das Ausheben der Gräber – das Teure an einer Erdbestattung – habe ihre Firma immer nur die Arbeitszeit berechnet. Das habe funktioniert, weil der andere Teil der Bestattung mit Sargverkauf, Begleitung der Angehörigen und Einsargung die immensen Kosten für den Aushub des Grabs mit Spezialbaggern aufgefangen hätten.

Dann siedelte sich vor drei Jahren in Weilheim ein Bestattungsunternehmen an, das sich immer mehr etablierte. „Für uns blieb irgendwann nichts mehr übrig als die Graberstellung“, so Eva-Maria Holt. „Damit stimmte die Kalkulation nicht mehr.“

In die Bresche springen wollte unterdessen keiner: „Wir haben 26 Bestattungs- und Tiefbauunternehmen im Umkreis von 25 Kilometern angeschrieben“, so Johannes Züfle. Eingegangen waren lediglich zwei Angebote – bei denen auch noch die entscheidende Leistung fehlte: das Ausheben von Erdgräbern.

Auch das Weilheimer Bestattungsunternehmen Jäck möchte die Grab­erstellung nicht ins Repertoire aufnehmen. „Ich habe alles durchgerechnet und mir Maschinen angeschaut“, erzählt Inhaber Stefan Jäck. „In einer Stadt mit einem Friedhof und rückläufigen Erdbestattungen rechnet sich das einfach nicht.“ Die Anschaffung und Wartung der Maschinen koste viel Geld, die zu erwartende Auslastung sei gering. Aufmerksam macht Jäck auch auf die widrigem Umstände: „Sie müssen bei jedem Wetter baggern, und wenn der Boden gefroren ist, brauchen Sie einen Presslufthammer.“ Dazu komme, dass flexibles Personal benötigt werde, auch mit Lkw-Führerschein. Schwierig sei Weilheim zudem wegen des lehmigen, feuchten Bodens.

Gründe dafür, warum die Graberstellung unattraktiv geworden ist, kennt auch Thomas Zinsser. Er führt in Hochdorf ein Baggerunternehmen, das für verschiedene Gemeinden tätig ist. Ein Problem sei, dass Friedhöfe – zumindest so, wie sie aktuell angelegt sind – schwer zu bearbeiten sind. „Die kleinen Spezialbagger sind keine Massenware und deshalb sehr teuer.“ Auch neue Vorschriften rund um die Graberstellung hätten die Kosten nach oben getrieben. Dazu komme, dass sich die Termine schwer regeln ließen. „Fast alle wollen, dass die Beerdigungen freitags oder samstags stattfinden – aber mehr als drei Gräber pro Tag können wir nicht zumachen.“ Ein Einzelfall wird Weilheim aus seiner Sicht nicht bleiben: „Die meisten Unternehmen hören auf, wenn ihr Friedhofsbagger kaputt geht. Eine Neuanschaffung lohnt sich nicht mehr.“ So hatte beispielsweise auch in Reichenbach das Bestattungsunternehmen gekündigt. Dort war es jedoch gelungen, ein Tiefbauunternehmen zu gewinnen.

Weilheim dagegen muss nun selbst in den sauren Apfel beißen. „Das ist eine sportliche Aufgabe, aber wir versuchen es“, sagte Bürgermeister Johannes Züfle im Ratsrund. Für 47 000 Euro kauft die Stadt einen gebrauchten Grabbagger, ein Bohrgerät für Urnen, ein Sargversenkgerät und eine Verschalung. Außerdem schafft sie eine neue Stelle, die mit 45 000 Euro pro Jahr zu Buche schlägt. Der neue Mitarbeiter wäre für Bestattungen, Bestattungsaufsicht und Reinigungsarbeiten zuständig. Rund 90 Beerdigungen gibt es in Weilheim pro Jahr. Davon sind ein Drittel Erd- und zwei Drittel Urnenbestattungen.

„Damit muss es auch eine Neukalkulation geben“ stellte Johannes Züfle klar und ließ keinen Zweifel daran, dass Sterben in Weilheim teurer wird: „Wir werden ein Vielfaches der bisherigen Sätze verlangen müssen.“ Wenig Hoffnung habe er auch, dass bis 1. Januar ein passender Mitarbeiter gefunden werde. „Das überbrücken wir dann mit dem Bauhof.“

Dass die Stadt Weilheim die neue, gefragte Dienstleistung auch anderswo anbieten könnte, hält Hauptamtsleiter Marcel Launer für gut möglich. Er könne sich vorstellen, in dem Bereich bei Bedarf künftig mit anderen Kommunen aus dem Verwaltungsraum zusammenarbeiten.