Lokales

Wartehäuschen gegen Werbefläche

Vertrag zwischen der Stadt Kirchheim und der DSM GmbH bringt neue Litfaßsäulen in die Stadt

Lange waren sie nahezu komplett aus dem Stadtbild verschwunden. Jetzt erleben sie in Kirchheim eine Renaissance: Litfaßsäulen. Gleich vier davon sind in letzter Zeit im Stadtgebiet aufgestellt worden. Noch aber starren sie in blanker Betonsprödigkeit vor sich hin.

Litfaßsäule - Herdfeldstrasse
Litfaßsäule - Herdfeldstrasse

Andreas Volz

Kirchheim. Über Sinn und Unsinn von Werbung kann man sich trefflich streiten. Für die einen trägt Werbung ausschließlich zur Vermüllung bei, für die anderen ist sie ein notwendiges Übel und für die dritten ein wichtiger Informationskanal. Eines aber ist die Werbung mit Sicherheit: ein großer Markt, von dem möglichst jeder profitieren will. Das Profitieren ist auch in Kirchheim das Ziel zweier Vertragspartner: der Stadt Kirchheim einerseits und der Deutsche Städte Medien GmbH (DSM) andererseits.

Die DSM, die zur Ströer-Gruppe gehört, profitiert auf jeden Fall von der Werbung, denn Werbung ist ihr Geschäft. Welchen Vorteil aber hat die Stadt Kirchheim von der Expansion der DSM in der Teckstadt? Dazu gehören nämlich nicht nur die Litfaßsäulen, sondern auch großflächige Werbewände, die manchen Mitbürgern wie eine einzige große Landschaftsverschandelung erscheinen. Optisch also dürfte die Stadt Kirchheim eher nicht profitieren, und an den Werbeeinnahmen ist sie definitiv auch nicht beteiligt.

Und dennoch hat die Stadt Kirchheim ihren Vorteil: Die DSM hat vor wenigen Jahren damit begonnen, auf eigene Kosten die maroden Buswartehäuschen in Kirchheim zu erneuern. „Dafür kriegt das Unternehmen die Werbeflächen an der Schmalseite der Häuschen“, sagt Stadtplanungsamtsleiter Gernot Pohl. Das ist aber nur ein Teil des Vertrags, von dem die DSM profitiert. Ein anderer Teil besagt, dass die Firma auch auf sonstigen öffentlichen Grundstücken Werbeflächen aufstellen darf. Stadt und DSM einigen sich jeweils auf geeignete Standplätze.

Bei diesen Werbeflächen kann es sich einerseits um die großen Wände handeln, wie beispielsweise am Freibad, unterhalb der Umgehungsstraße. Andererseits setzt die DSM auch auf die altbewährte Litfaßsäule.

Vier neue Standorte gibt es dafür im Stadtgebiet. Die Säulen stehen auch schon und warten nun darauf, beklebt zu werden: Zwei davon befinden sich an der Schöllkopfstraße, die eine an der Kreuzung zur Hegel­straße und die andere am Eugen-Gerstenmaier-Platz, also am Bahnhof. Die beiden anderen Standorte sind an der Kreuzung Jesinger Straße / Eichendorffstraße sowie an der Ecke Schlierbacher Straße / Jakob­straße. Martin Zimmert, Geschäftskreisleiter für Hoch- und Tiefbau bei der Stadt Kirchheim, betont, dass es für jede einzelne Betonsäule einen Bauantrag gibt, der entsprechend genehmigt worden sei. Ähnliches gelte für Litfaßsäulen oder Werbetafeln auf privaten Grundstücken: „Soweit das genehmigungsfähig ist, wird das auch genehmigt.“ Die Stadt habe kaum rechtliche Möglichkeiten, dagegen wirksam vorzugehen.

Gernot Pohl spricht im Zusammenhang mit „Werbeanlagensatzungen“ von einem Thema, das rechtlich sehr umstritten sei. Immerhin aber hat er persönlich mit Litfaßsäulen weniger Schwierigkeiten als mit den großen Werbewänden: „Litfaßsäulen sind für mich das kleinere Übel.“ Als Mittelpunkt eines Platzes wirke eine solche Säule beinahe schon attraktiv.

Thomas Klett, der Leiter des Kirchheimer Bauordnungsamts, sieht die Angelegenheit völlig pragmatisch: „Sonst immer versuchen wir, die Art von Werbung abzulehnen. In diesem Fall aber werden die maroden Wartehäuschen erneuert, und die Stadt muss die finanzielle Belastung dafür nicht selbst tragen.“ Der Vertragsbestandteil, der der DSM öffentliche Flächen für Werbung garantiert, sei eben die Kehrseite der Medaille.

Die neuen Litfaßsäulen der DSM stehen allerdings nicht gerade günstig für den Fall, dass Fußgänger sie umrunden sollten. Allenfalls die Säule am Bahnhof wäre dafür geeignet. Insofern sind die Standorte eher dafür gedacht, dass Autofahrer die Plakate rund um die Säulen zur Kenntnis nehmen können. Thomas Klett sagt deswegen auch: „Das sind keine Infotafeln für die Allgemeinheit.“ Mit kleinen Plakaten als Hinweis auf öffentliche Veranstaltungen ist folglich nicht zu rechnen.

Die DSM dürfte also eher auf großflächige Werbung setzen, wenn auch auf einer Fläche, die sich zylindrisch statt eben darstellt. Wichtige Botschaften am Rand der Plakate würden demnach auf der Rückseite erscheinen und kaum Beachtung finden. Aber das ist weder das Problem der Stadt noch das Problem der Autofahrer, die schon in Bälde an beklebten Betonsäulen vorbeirauschen werden.