Lokales

Der Tag nach dem Hagelschlag

Aufräumarbeiten rund um die Teck haben begonnen – 58-Jähriger Dettinger stürzt vom Dach

Am Tag nach dem großen Hagel war das Unwetter überall Tagesgespräch, und so gut wie jeder hatte irgendeinen Schadensfall zu regeln. Aufräum- oder Reparaturarbeiten waren ebenso angesagt wie Termine mit Handwerkern, Autowerkstätten und Versicherungen.

Unwetter - Hagel - Unwetter am 28.7.2013Gärtnerei ist stark beschädigt

Ein Bild der Zerstörung bot sich am Tag nach dem verheerenden Hagelsturm, so wie hier in einer Weilheimer Gärtnerei.

A.Volz / I. Häfner / A. Dörr

Kirchheim. Am heftigsten war es nach dem Hagel bei der Feuerwehr zugegangen: 140 Einsätze vermeldete die Kirchheimer Gesamtfeuerwehr allein für den Sonntagabend. Die Gründe für die Hilferufe waren vielfältig: zerstörte Solaranlagen, Keller unter Wasser, verstopfte Gullis oder Wassereintritt am Dach. Steckdosen waren zu überprüfen, wenn sie Wasser abbekommen hatten, und manchmal standen auch ganze Stromverteiler unter Wasser. Diese Schadensfälle waren nicht allein auf Kirchheim beschränkt. In den anderen Städten und Gemeinden rund um die Teck hatte das Unwetter genauso gewütet. Besonders häufig wurden die Feuerwehren wegen Dachfenstern gerufen, die die Hagelkörner eingeschlagen hatten. In diesem Fall hilft es den Betroffenen aber eher, die Fenster selbst provisorisch zu sichern und dann die entsprechenden Handwerker zu rufen. Allerdings war gestern sogar von der Feuerwehr schon zu hören, dass es nicht gerade leicht sei, Glaser oder Dachdecker zu erreichen oder gar einen Termin zu vereinbaren.

Ganz „klassische“ Aufgaben für die Feuerwehr gab es nach dem Hagelsturm natürlich auch. So lagen Bäume auf der Straße oder drohten zumindest auf die Fahrbahn zu stürzen. Außerdem war immer wieder dafür zu sorgen, dass das viele Laub nicht noch mehr Gullis und Abflüsse blockierte, denn dadurch staute sich häufig das Wasser auf den Straßen.

Um das Laub kümmerten sich gestern auch die Mitarbeiter des Kirchheimer Baubetriebsamts. In erster Linie seien Kehrmaschinen unterwegs, sagte dessen stellvertretender Leiter Thomas Blum auf Nachfrage. Auch die städtischen Mitarbeiter stellten sicher, dass Abläufe von Blättern befreit werden. Außerdem mussten sie städtische Gebäude mit Planen versehen, wenn die Dächer oder die Dachfenster beschädigt waren. Auch die Zimmerleute hatten viel zu tun. Insgesamt aber sprach Thomas Blum gestern bereits davon, dass die Stadt Kirchheim mit einem blauen Auge davongekommen sei. Es hätte noch viel schlimmer sein können.

Auch Polizeikräfte waren natürlich im Einsatz – obwohl die eigentlichen Hilfeleistungen bei einem heftigen Unwetter nicht zu ihrem Aufgabengebiet gehört. Einige besondere Polizeimeldungen, die mit dem Hagel zu tun hatten, gab es dann aber doch: In der Nacht zum Montag hat ein Unbekannter in der Kirchheimer Schöllkopfstraße beim Güterbahnhof das Autoradio aus einem Ford gestohlen. Eigens aufbrechen musste er das Auto nicht, denn – so heißt es in der Pressemitteilung der Polizei: „Durch den Hagel am Sonntagabend wurde die Heckscheibe des Ford zerstört. So konnte der Dieb in den Pkw gelangen.“ Über Verletzte liegen der Polizei in Esslingen keine Angaben vor. Allerdings stellt Pressesprecher Matthias Bellmer fest: „Wenn jemand von Hagelkörnern getroffen wird, dann geht er nicht zur Polizei, sondern zum Arzt oder ins Krankenhaus.“

Gestern Nachmittag wurde vorsorglich der Edeka-Markt in der Neuen Straße in Nabern geräumt, da Wasser durch die Decke in den Verkaufsraum tropfte. Die Kunden wurden aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Das Dach des Einkaufsmarkts war durch Hagel beschädigt worden. Deshalb lief Wasser ins Gebäude und sammelte sich in der Zwischendecke. Fachleute prüften noch am Nachmittag, ob Einsturzgefahr besteht. Gegen 18.30 Uhr gaben sie Entwarnung, und der Markt konnte wieder freigegeben werden. Die Feuerwehr hatte zwischenzeitlich das Dach abgedichtet.

In Dettingen ist gestern ein 58-Jähriger Hausbesitzer in der Paradiesstraße aus vier Metern Höhe abgestürzt – bei dem Versuch, sein Hausdach abzudichten. Seine an die Dachrinne gelehnte Leiter war seitlich weggerutscht. Der Mann stürzte auf die Pflastersteine der Hofeinfahrt und zog sich dabei lebensgefährliche Verletzungen zu. Er kam mit dem Rettungswagen in die Klinik.

Das Krankenhaus in Kirchheim hatte bereits am Sonntag 45 Patienten „im Zusammenhang mit dem Gewitter“ zu versorgen, wie das Landratsamt Esslingen mitteilt: „Dabei handelte es sich vor allem um Verletzungen, die bei den Aufräumarbeiten entstanden sind, wie Schnittverletzungen an Glasscheiben.“ Im Freilichtmuseum Beuren wiederum seien 20 von 23 Dachflächen beschädigt worden, ebenso zahlreiche Fenster. Das Kirchheimer Fotoatelier Hofmann im Freilichtmuseum muss vorübergehend geschlossen werden.

Vom Unwetter besonders betroffen sind die Landwirte. Der Hagel am Sonntag scheint in vielen Lagen rund um die Teck sämtliche Hoffnungen auf eine gute Ernte zunichte gemacht zu haben. „Nach dem nassen Frühjahr und dem Trockenstress haben sich die Pflanzen gerade erholt – und jetzt das“, sagt Landwirt Siegfried Nägele aus Bissingen, der auch Vorsitzender des Kreisbauernverbands ist. Beim Obst muss er in seiner Anlage Totalschaden vermelden, wenig besser sieht es beim Mais aus. „Der ist jetzt zwar noch grün. Die abgeschlagenen Halme werden aber spätestens in einer Woche verwelkt sein. Dann werden wir sehen, was noch nutzbar ist“, so der Bissinger.

Der Raps hatte am Sonntag die richtige Reife, doch nur rund ein Viertel der Ernte schaffte der Mähdrescher vor dem Unwetter, der Dinkel wurde nahezu zu hundert Prozent Opfer des Hagels. Siegfried Nägeles Hoffnungen ruhen nun auf der Braugerste und teilweise auf dem Weizen. Zudem vertraut er auf die Widerstandsfähigkeit des Grases, obwohl „auch das runtergedrückt wurde“.

„Es sieht ziemlich mies aus“, fasst Siegfried Nägele seine Situation zusammen. Eine Halle musste er komplett leeren und so die neue Ernte sichern, weil die etwa tennisballgroßen Hagelkörner das Eternitdach komplett zerstörten. Die schussähnlichen Knallgeräusche auf dem Dach schreckten zudem die Tiere auf. „Es ging zu wie im Wilden Westen. Wir mussten erst einmal die Kühe beruhigen, ehe wir sie melken konnten“, beschreibt der Landwirt die Situation.

Düster sieht es für die Gärtnerei Gerber in Kirchheim aus. „Hundert Prozent Schaden. Es ist alles kaputt“, lautet der deprimierte Kommentar. Dies betrifft sowohl die Gewächshäuser als auch die Pflanzen. Zudem ist auch das Wohnhaus betroffen.

Die Lage in den Weinbergen ist noch nicht klar, oft wird erst Tage später das Ausmaß der abgeschlagenen Triebe sichtbar. Schäden hat die Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck allerdings schon jetzt zu vermelden. Die Dachplatten hielten dem Hagel nicht stand, sodass es in die Kelter in Neuffen hineinregnete und die Mitarbeiter bei dem gestrigen starken Regen damit beschäftigt waren, ständig die Eimer zu leeren. Zudem sind sämtliche Weinkartons durchweicht.

Bei Gräßle Fensterbau und Glaserei stehen seit dem Hagelsturm die Telefone nicht mehr still. „Wir haben am Sonntagabend bis 24 Uhr 45 Notfälle behandelt“, sagt Geschäftsführer Michael Gräßle. Bei allen diesen Notfällen handle es sich um zerstörte Dachfenster, die der Wucht der Hagelkörner nicht standgehalten haben. Michael Gräßle ist seit 15 Jahren im Geschäft, aber solch einen Hagelsturm hat er noch nicht erlebt. „Die Hagelkörner waren brutal, die haben auch zweifachverglaste Fenster zerschlagen. Solche Löcher sieht man sonst nur bei Pistoleneinschüssen“.

Als die Mitarbeiter Montagfrüh um sieben Uhr wieder ins Büro kamen, waren 45 Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. „Seitdem nehmen allein vier Mitarbeiter Aufträge an. Bisher sind es 160 Stück – alle wegen Hagelschäden“, zieht Michael Gräßle gegen 11.30 Uhr eine Zwischenbilanz. Außerdem kämen laufend Kunden vorbei, die die Firma über Telefon nicht erreicht hätten. 20 Handwerker waren am gestrigen Montag im Dauereinsatz. Alle Standardaufträge sind abgesagt. „Kaputte Fenster, bei denen es reinregnet, haben jetzt Priorität“, sagt Michael Gräßle. „Wenn’s nicht regnen würde, wäre es halb so schlimm.“ Allerdings können die Handwerker die Fenster nur mit einer Folie abdichten, neue Fenster müssen bestellt werden. Michael Gräßle vermutet, dass seine Mitarbeiter noch die ganze Woche mit Notfällen beschäftigt sein werden. „Und danach kommen die Leute mit ihren kaputten Rollläden und Simsen dran“, sagt er.

Informationen zu Hagelschäden an Autos, zum regen Betrieb in Autohäusern und über Versicherungen finden Sie auf Seite 15. Weitere Bilder gibt es im Internet unter www.teckbote.de.

Unwetter - Hagel - Unwetter am 28.7.2013Feuerwehr aus Weilheim im Einsatz mit der Drehleiter in Industriegebiet

So wie hier in Weilheim war die Feuerwehr gestern im gesamten Verbreitungsgebiet des Teckboten unermüdlich im Einsatz.

Unwetter - Hagel - Unwetter am 28.7.2013Strassen und Gehwege werden gereinigt in Holzmaden
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