Kreis Esslingen. Thomas Eberhardt, Inhaber des Gasthauses Lamm in Neidlingen und Vorstandsmitglied des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Esslingen, ist sauer: „Eigentlich müsste ich in der Küche arbeiten, aber ich bin nur noch mit Dokumentation beschäftigt.“
Der bürokratische Aufwand sei enorm: Täglich müssten die Arbeitszeiten der Minijobber genau dokumentiert werden. Gesetzlich seien für sie feste Arbeitszeiten vorgeschrieben. „Das ist aber sehr schwierig in der Gastronomie. Bei uns muss man flexibel sein.“ Weiche man in Ausnahmefällen von den festgeschriebenen Arbeitszeiten ab, müsse man nachweisen, dass man kein Ersatzpersonal gefunden hat.
Ein weiteres Ärgernis für Thomas Eberhardt: Auch für Familienangehörige müssen im Zusammenhang mit dem Mindestlohn die Arbeitszeiten erfasst werden. Er selbst beschäftigt fünf Minijobber, seine Frau und seine Mutter eingeschlossen. Hinzu komme, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen freien Tag in der Woche habe. „Zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter, die unter der Woche halbtags als Friseurin arbeitet und am Wochenende gerne zwei, drei Stunden am Tag in der Gastronomie aushelfen will, darf das nur am Samstag oder Sonntag.“ Eberhardt kann nicht verstehen, „dass Leute, die arbeiten wollen, daran gehindert werden“.
Die Folgen des Mindestlohns und der damit zusammenhängenden Bürokratie im Gastronomiebereich sind für ihn klar: Die Öffnungszeiten werden reduziert, und die Preise steigen.
Helena Kapp, Mitglied des Bundes- und Landesvorstands der Mittelstands und Wirtschaftsvereinigung der CDU, aus Dettingen sieht das ähnlich: Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen würden die umfangreichen Erfassungsvorschriften eine massive Belastung darstellen. „Der Mindestlohn muss praxistauglich ausgestaltet sein. Was als Unterstützung für Geringverdiener gedacht war, darf nicht als Bürokratiemonster für Unternehmen enden.“
Auch die IHK Esslingen-Nürtingen erhält derzeit zahlreiche Rückmeldungen von verärgerten Unternehmen. „Die Anfragen beziehen sich gar nicht so sehr auf die 8,50 Euro, sondern auf die Dokumentation und die Bürokratie“, sagt der stellvertretender Leiter Michael Kuschmann. Eine aktuelle Umfrage der IHK unter Unternehmen der Region Stuttgart, an der sich 500 Betriebe beteiligten, zeigte: 71 Prozent sind vom Mindestlohngesetz betroffen – „40 Prozent sogar mittel bis stark“, ergänzt Kuschmann. Zu kämpfen habe vor allem das Verkehrs- und Gastgewerbe sowie Subunternehmer aus den Bereichen Bau und Industrie.
Die Materie rund um die Erfassungspflichten sei äußerst komplex. Erfolge der Nachweis nicht hundertprozentig korrekt, werde ein Bußgeld verhängt. „Die Unternehmer sind teilweise ordentlich geladen“, hat Kuschmann Verständnis und warnt davor, die Betriebe unter Generalverdacht zu stellen. Er hofft, dass man ihnen einen Schritt entgegenkommt und es bei den Dokumentationspflichten Erleichterungen gibt.
Kein großes Thema ist der Mindestlohn hingegen beim Kirchheimer Unternehmen AMK. Wie Personalleiter Kai Jungermann berichtet, beschäftigt die Firma nur gelegentlich Minijobber. Dass die Arbeitszeiten dokumentiert werden müssen, ist für ihn selbstverständlich. „Das machen wir ja ohnehin über Zeiterfassungsgeräte.“ Einen gewissen, aber nicht allzu großen Aufwand gebe es indes, wenn das Unternehmen Zeitarbeitsfirmen beauftrage. „Dann müssen wir kontrollieren, ob diese den Mindestlohn bezahlen.“
Bei AMK arbeiten auch regelmäßig Praktikanten, für die unter gewissen Voraussetzungen ebenfalls der Mindestlohn bezahlt werden muss – zum Beispiel, wenn das Praktikum länger als drei Monate dauert und begleitend zu Studium oder Ausbildung absolviert wird. „Das betrifft uns“, sagt Jungermann. „Aber wir bezahlen Praktikanten sowieso schon deutlich über dem Mindestlohn.“