Lokales

Das Familientreffen

Dämmerschoppen: „Klares“ Bekenntnis zum Hallenbad lässt weiter alle Optionen offen

Rückblick, Ausblick, eine Prise Weltpolitik, ein bisschen Persönliches, Small Talk – das sind gemeinhin die Zutaten für gelungene Familientreffen. All das charakterisiert auch die Erfolgsveranstaltung, zu der die Oberbürgermeisterin zum Jahresauftakt alle Bürger in die Stadthalle lädt: Der Dämmerschoppen präsentierte sich wieder als großes Familientreffen.

Dämmerschoppen, Stadthalle
Dämmerschoppen, Stadthalle

Irene Strifler

Kirchheim. Im Getümmel der erwartungsfrohen Gäste sang der „Sing Out Chor“ der Stadtchefin den Weg auf die Bühne sozusagen frei und schuf so einen pfiffigen musikalischen Auftakt zur alljährlichen Zusammenkunft der Bürger. Bevor diese sich zum ausgiebigen geselligen Austausch bei Häppchen versammelten, nahm Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ihre Gäste auf eine Tour durch Zeit und Raum mit. Los ging es beim alten Babylon, das seit der jungsteinzeitlichen Funde am Hegelesberg von Kirchheim an Jahren übertrumpft wird, wie die Rednerin augenzwinkernd bemerkte. Und noch etwas: Im Gegensatz zu Babylon forderten die Kirchheimer Bauwerke nicht die Welt heraus, sondern allenfalls die Stadtkasse.

Damit war Matt-Heidecker beim wichtigen Stichwort Geld angelangt. Sie griff einige Vorhaben heraus, die die Stadtkasse besonders beuteln werden aber auch entsprechenden Gewinn in materieller oder ideeller Hinsicht bringen sollen. Aufsehen errege die „zukunftsweisende Neuausrichtung der Vereinswelt“. Bekanntlich hat der Gemeinderat eine Bürgschaft für das geplante VfL-Vereinszentrum beschlossen. Gesundheit sei eine gesamtgesellschaftliche und somit auch kommunale Aufgabe, argumentierte die Stadtchefin. Gesundheit und Sport sind eng verknüpft. Und so näherte sie sich zielstrebig dem derzeit heißesten Thema: dem möglichen Hallenbad-Neubau. Ihr „klares Bekenntnis“ lässt allerdings weiter allen Interpretationsspielraum: „Ja“, lautete Matt-Heideckers Aussage, sie wolle ein Hallenbad mit Nutzen für Verein, Schule und Öffentlichkeit. Der Knackpunkt ist unverändert: Während der nötige Invest von 12 bis 17 Millionen Euro, je nach Ausstattung, noch geschultert werden könne, scheint dagegen der jährliche Unterhaltsaufwand von bis zu zwei Millionen Euro kaum tragbar. Noch im Frühjahr will der Gemeinderat zu einer Entscheidung kommen.

Wo man derartige Summen einsparen kann, scheint fraglich. Schließlich stehen gewaltige Investitionen an in Sachen Schullandschaft.

Weiter kam die Stadtchefin auf die Wohnungsproblematik zu sprechen. Dem nicht zu leugnenden Druck durch Wohnungssuchende auf dem Markt stellte sie markante Zahlen gegenüber: In Kirchheim gibt es 8 300 Wohneinheiten, die aus Ein- und Mehrfamilienhäusern bestehen. In 44 Prozent davon leben null bis zwei Personen – dieses zahlenmäßige Verhältnis wird die Diskussion um Ausweisungen von Neubaugebieten erneut befeuern.

Dass Politik nicht nur am Ratstisch gemacht wird, sondern von jedermann im Alltag, nämlich mit dem Einkaufskorb, machte Matt-Heidecker deutlich, indem sie die lebendige Marktstadt Kirchheim mit ihrem perfekten Branchenmix lobte. Gleichzeitig wies sie aber auf die Verantwortung des Einzelnen beim Erhalt dieser Vorteile hin: „Kirchheim muss Marktstadt bleiben: Think global, buy local“, rief sie ihren Gästen zu.

Während der weltweite Rückblick auf das Jahr 2014 angesichts von Terroranschlägen, Kriegen und Katastrophen eher trübe ausfiel, erlaubte sich die Oberbürgermeisterin für das kommende Jahr einen heiteren Blick auf Modetrends. So prophezeite sie die Rückkehr wallender Blümchenkleider aus den 60er Jahren. Als Frau, die ihr Privatleben mit einem Bartträger teilt, dürfte sie vor allem ein persönliches Rechercheergebnis in Sachen Mode erfreuen: „Der Bart hat seinen Zenit noch nicht erreicht!“

„Wir sind Charlie“Kommentar

„Wir sind Charlie“. Mit diesen Worten schlossen sich Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und ganz Kirchheim den weltweiten Solidaritätsbezeugungen mit den Opfern des Terroranschlags von Paris an. Eine Schweigeminute in der prallvollen Stadthalle unterstrich die Bedeutung der Grundwerte des aufgeklärten Europas.

Das gemeinsame Bekenntnis macht klar: Unter der Teck wird der Wert von Demokratie und Freiheit erkannt, geschätzt und verteidigt. Kirchheim ist eine Stadt der kulturellen Vielfalt. Das ist nicht nur eine Worthülse oder bürgermeisterliches Wunschdenken. Lautstarker Applaus beim Dämmerschoppen machte dies zweimal deutlich: Die Bürger klatschten zur Begrüßung der Flüchtlinge aus dem Wohnheim in der Stadthalle. Sie applaudierten auch beim Appell der Stadtchefin, niemals dürften Bürger islamischen Glaubens einem Generalverdacht ausgesetzt sein.

Diejenigen, die respektvoll und tolerant miteinander leben wollen, sind klar in der Mehrheit, für gewaltverherrlichende Extremisten ist hier kein Platz. Angesichts massiver Angriffe scheint es aber zunehmend von Bedeutung, sich nicht auf die schweigende Mehrheit zu verlassen, sondern das friedliche Miteinander aktiv zu pflegen, es zu leben und beharrlich mit Worten dafür einzutreten – ganz so, wie es die Kirchheimer beim Dämmerschoppen getan haben: „Wir sind Charlie!“ IRENE STRIFLER