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„Das Taxi brennt – was soll ich tun?“

Tiefgaragenbrand in der Osianderstraße: Verteidiger möchte die Situation nachstellen lassen

Der Tiefgaragenbrand in der Osianderstraße hat vor zwei Jahren für große Aufregung in Kirchheim gesorgt. Nun wird das Geschehen strafrechtlich aufgearbeitet. Doch auch die gestrige Fortsetzung des Prozesses hat noch nicht zu einem Urteil geführt. Der Verteidiger hat beantragt, die Situation nachstellen zu lassen.

Brand in der Tiefgarage OsianderstraßeFeuerwehrPKW-Brand

Vor gut zwei Jahren war die Feuerwehr beim Tiefgaragenbrand in der Kirchheimer Osianderstraße im Einsatz.

Kirchheim. Zur möglichen Nachstellung dürfte es natürlich nicht direkt in der Tiefgarage kommen. Schließlich geht es nicht darum, die Auswirkung des Fahrzeugbrands auf das Gebäude nachzuvollziehen, sondern darum, zusätzliche Rückschlüsse auf die Entstehung des Feuers zu bekommen. Ob es überhaupt dazu kommt, den Brand an dem Taxi nachzustellen, ist eine ganz andere Frage. Richterin Franziska Hermle hat gestern zum Beweisantrag des Verteidigers noch nicht Stellung genommen. Es lässt sich ja auch gar nicht sagen, ob sich die Brandentwicklung so simulieren lässt, dass aus dem Experiment brauchbare Ergebnisse abzuleiten wären.

Beim vorhandenen Gutachten des Sachverständigen, der auch gestern wieder ausführlich die technischen Details des Fahrzeugs und der Brandentwicklung geschildert hat – soweit sie sich nachträglich rekonstruieren lässt – gebe es keinen Anhaltspunkt, „dass da noch etwas zu ergänzen wäre“. Außerdem bemerkte die Richterin, dass es technisch nicht machbar sei, den Brand nachzuspielen: „Auch ein Sachverständiger wird die Bedingungen so in der Form nicht nachstellen können. Da kriegen wir kein Ergebnis eins zu eins.“

Der Verteidiger indessen beharrte auf diesem Beweisantrag, und zwar mit der Begründung: „Der Sachverständige hat gesagt, es dürfte fast unmöglich sein, das nachzustellen. Er hat es aber nicht ausgeschlossen.“

Was festzustellen wäre, ist die Frage nach dem Zeitpunkt, wann das Taxi Feuer gefangen hat. Der angeklagte Taxifahrer, inzwischen 37 Jahre alt, bleibt bei seiner Aussage vom Prozessauftakt: „Ich habe keinen Anhaltspunkt für einen Brand gehabt. Sonst würde ich doch niemals in eine Tiefgarage fahren – mit einem brennenden Auto.“ Bei seinem 36-jährigen Fahrgast, mit dem er seit dem Brand nicht mehr gesprochen hatte, entschuldigte er sich gestern und fügte hinzu: „Ich wollte nicht, dass wir diese Situation erleben.“

Allerdings geht es in der Verhandlung gar nicht darum, was er wollte, sondern darum, was passiert ist, und darum, ob er es in irgendeiner Weise hätte verhindern können. Es wird ihm ja auch kein vorsätzliches Handeln vorgeworfen. Angeklagt ist er wegen „fahrlässiger Brandstiftung“, wie das im Juristendeutsch eben so heißt. Immerhin, das lehrt dieser Fall, besteht die Möglichkeit, sich strafbar zu machen, ohne dass man sich deshalb im moralischen Sinne selbst schuldig fühlen muss.

Dass der Angeklagte also nicht absichtlich mit dem brennenden Taxi in die Tiefgarage gefahren ist, das dürfte ihm wahrscheinlich jeder auf Anhieb abnehmen. Ist er aber überhaupt mit einem brennenden Auto hineingefahren? Den Angaben des Sachverständigen zufolge schon: „Es muss so gewesen sein, dass es vorher schon stark geraucht hat. Es ist nicht so, dass er in die Garage fährt und es sich dort plötzlich entzündet. Wenn das alles erst in der Tiefgarage passiert wäre, dann hätte das Auto dort mindestens zehn Minuten lang stehen müssen.“

Eine weitere entscheidende Frage, um die es ebenfalls bereits beim Prozessauftakt im September gegangen war, ist die, ob der Taxifahrer etwas hätte bemerken können oder gar müssen. Wenn ein Fahrzeug auf der Autobahn zu brennen anfange, dann bemerken es im Normalfall die anderen Verkehrsteilnehmer schneller als der Fahrer selbst, sagte der Gutachter. Im Stadtverkehr dagegen habe der Fahrer bessere Chancen, den Rauch wahrzunehmen, zum Beispiel wenn das Auto steht, auf jeden Fall aber beim Blick in den Rückspiegel.

Außerdem gebe es vier verschiedene Sensoren in dem Mercedes, der da am 23. September 2011 in Brand geraten war. Diese Sensoren hätten alle das Problem erkennen müssen: dass der Rußpartikelfilter völlig verstopft und deswegen total überhitzt war. Alle vier Sensoren hätten deshalb Alarm schlagen müssen. Das heißt, dass eine Kontrolllampe geleuchtet haben muss. Ob die Warnlampe im Display tatsächlich zu erkennen war, das kann wohl nur der Fahrer selbst wissen. Für den Gutachter ist es aber nicht wirklich anzunehmen, dass plötzlich alle Sensoren und alle Lampen ausgefallen sein sollen: „Die On-Board-Diagnose muss ständig überprüfen, ob alles in Ordnung ist. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.“

Warum das Taxi überhaupt Feuer gefangen hat, das ist in diesem Fall definitiv auf den schlechten Wartungszustand zurückzuführen. Für die Wartung wäre natürlich das Taxiunternehmen zuständig gewesen. Auf diesen Hinweis des Verteidigers meinte die Staatsanwältin nur, dass das allenfalls zivilrechtlich von Belang sein könne. Aber Service und Wartung an einem Auto zu vernachlässigen, sei kein Straftatbestand.

Unabhängig vom Brand, steht auch das Verhalten des Taxifahrers seinem Fahrgast gegenüber zur Debatte: Dieser sagte gestern aus, dass er sich selbst – ohne Rollstuhl und ohne Hilfe seines Fahrers – vom Auto zur Feuerschutztür begeben habe. Weil er nicht gehen kann, sei er auf dem Boden gerobbt. Beide Türen, die zum Aufzug im Treppenhaus führen, habe er selbständig öffnen müssen. Der Taxifahrer dagegen habe die ganze Zeit über nur gerufen: „Das Taxi brennt – was soll ich tun?“

Vor sechs Wochen hatte sich das beim Angeklagten noch anders angehört. Damals sagte er, dass er seinem Fahrgast geholfen habe, hinter die erste Feuertür und damit aus dem direkten Gefahrenbereich heraus zu gelangen. Zur Aussage des Fahrgasts, er habe an einer Ampel den Motor aus- und gleich danach wieder angemacht, sagte er gestern auch nichts. Es könnte sich dabei um den Versuch gehandelt haben, durch eine Art „Reset“ die Kontrolllampe auszuschalten. Glaubt man einem damaligen Kollegen des Taxifahrers, dann kann allerdings überhaupt keine Warnlampe aufgeleuchtet haben, gar nie – allenfalls ein Hinweis, dass der Reifendruck nicht stimmt oder Wischwasser nachzufüllen ist.

Wie es weitergeht, zeigt sich beim nächsten Termin, Mitte November.

Tiefgarage Einfahrt Osianderstrasse

Am Donnerstag zeigte sich die Tiefgarageneinfahrt ganz friedlich unter dem sonnigen Herbsthimmel.