Lokales

Der Wind hat gedreht

Der Verband Region Stuttgart will neue Standorte für Windräder ausweisen

Der Verband Region Stuttgart sucht nach neuen Standorten für Windkraftanlagen. Konkrete Standorte wurden bisher nicht genannt. Im Fokus ist jedoch die Schwäbische Alb, weil nur dort genügend Wind vorhanden ist, um wirtschaftlich sinnvoll Energie zu gewinnen.

Windkraft , Windrad , Strom , Energie , Wind

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Stuttgart. Die neue Landesregierung möchte den Windkraftanteil im Land von 0,7 auf zehn Prozent steigern. Nicht zuletzt deshalb ist man beim Verband Region Stuttgart, der unter anderem für Regionalplanung zuständig ist, zu dem Schluss gelangt, dass die Gebiete, die aktuell für Windkraft reserviert sind, nicht ausreichen. Zudem gibt es mit dem Windatlas, der im März veröffent­licht worden ist, erstmals detaillierte Erkenntnisse, wo in Baden-Würt­temberg Windkraftanlagen wirtschaftlich betrieben werden können. Als Kriterium gelten konstante Windgeschwindigkeiten von 5,3 Metern pro Sekunde in 100 Metern Höhe, wie sie unter anderem am Albtrauf zu finden sind.

Der Planungsausschuss der Region hat die Geschäftsführung am gestrigen Mittwoch einstimmig beauftragt, nach neuen Standorten für Windkraftanlagen zu suchen. Hoffnungen auf schnelle Entscheidungen musste Planungsdirektor Thomas Kiwitt jedoch bremsen. „Um in das formale Planungsverfahren einzusteigen, müssen wir einige Vorgaben des Landes abwarten“, sagte er. Die neue Regierung möchte die landesplanerischen Vorgaben überarbeiten. Die Folge könnte sein, dass die bisherige Praxis der Vorranggebiete, die Windkraft in manchen Gebieten als vorrangig zulässt und in anderen kategorisch ausschließt, in den Wind geschossen wird. Zu Standorten äußerte sich Kiwitt nicht.

Ingrid Grischtschenko (Grüne), deren Fraktion schon im vergangenen Juni beantragt hatte, weitere Standorte zu prüfen, zeigte sich zufrieden. „Vor zehn Jahren wurde uns die Planung vom Wirtschaftsministerium aus der Hand genommen“, erinnerte Grischtschenko an den zurückliegenden Planungsprozess. Damals seien 99,9 Prozent der Flächen in Baden-Württemberg für Windkraft gesperrt worden. Das Ziel, die Windkraft auszubauen, sei nun zum Greifen nah. Natürlich werde es in manchen Kommunen Widerstände geben. Es gebe aber auch Gemeinden, in denen Windkraftanlagen erwünscht seien.

„Vielleicht wird es in Zukunft gar keine Vorranggebiete mehr geben“, sagte Jürgen Hofer (FDP), der darum bat, die landesplanerischen Vorgaben abzuwarten. Beim Thema Windkraft sei es sehr wichtig, die Bürger angemessen zu beteiligen, um Widerstände abzubauen. „Wenn man von der Schwarz-Weiß-Planung weggeht und jeden Standort individuell prüft, wäre das eine ganz andere Art der Bürgerbeteiligung“, sagte Hofer.

„Wir dürfen jetzt nicht mit verbundenen Augen Standorte freigeben“, sagte Alfred Bachofer (Freie Wähler). Die Region müsse Flächen anbieten, die landschaftsverträglich und zugleich wirtschaftlich seien. Außerdem ließen sich Standorte nicht gegen den Willen der Kommunen und der Bürger durchdrücken. Ob sich in der Region wirtschaftlich Windkraft erzeugen lässt, daran hat Bachofer Zweifel. Man müsse abwägen, ob ein Offshore-Windrad an der Nordsee nicht mehr bringe als ein Windrad in der Region. Vor einer „Verspargelung“ der Landschaft ist ­Bachofer nicht bange. Windkraftunternehmer seien schließlich keine Gutmenschen, die Windkraftanlagen errichteten, wo es keinen Wind gebe. „Die machen das nur, wo es sich lohnt.“

„Wir können die Windräder nicht vom All auf die Landschaft werfen“, sagte Matthias Hahn (SPD). Man müsse die Tür weit für die Windkraft aufstoßen und die Bürger dennoch beteiligen. „Die neue Landesregierung kann beides“, sagte Hahn. Die Region spiele bei der Suche nach Standorten eine wichtige Rolle. Vieles müsse jedoch vor Ort geklärt werden.

„Mehr Windenergie ist das Gebot der Stunde“, sagte Manfred List (CDU). Man müsse allerdings sorgfältig abwägen zwischen Energieerzeugung und Schutz der Landschaft. Es mache beispielsweise Sinn, Windkraftanlagen an wenigen Standorten zu bündeln. Außerdem müsse man immer in Absprache mit den Kommunen vorgehen. Der Windatlas zeige Chancen auf, nehme aber auch so manche Illusion.

„Wir glauben, dass die Onshore-Windkraft große Potenziale bietet“, sagte Christoph Ozasek (Linke). Allerdings fehlten bisher entsprechende Speichermöglichkeiten, die dringend ausgebaut werden müssten. Seiner Meinung nach muss der Kommunikationsprozess mit Bürgern, Kommunen und Unternehmen sofort begonnen werden – auch wenn landesplanerische Entscheidungen noch ausstehen.

Ulrich Deuschle (Republikaner) begrüßte es, dass die EnBW bisher an der Ostsee und nicht am Albtrauf investiert hat. Er fürchtet um die einmalige Kulturlandschaft. Den Grünen und der SPD sagte er schwere Zeiten voraus. „Sie werden um jedes Windrad kämpfen müssen“, sagte er. „Und wenn die Bürger es nicht wollen, werden sie es trotzdem durchsetzen müssen.“