Lokales

Es kracht im Verwaltungsraum

Vertreter der kleinen Kommunen kritisieren Stimmengewichtung und mangelnde Solidarität

Schon einmal hat es in jüngerer Vergangenheit Misstöne innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft Weilheim gegeben. In der Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der Bürgermeister und Gemeinderatsvertreter kam es nun zum handfesten Krach.

Eine Frage der Gewichtung: Die Stimmenverteilung zwischen Weilheim und den kleineren Kommunen ist ins Kreuzfeuer geraten. Foto:
Eine Frage der Gewichtung: Die Stimmenverteilung zwischen Weilheim und den kleineren Kommunen ist ins Kreuzfeuer geraten. Foto: Jean-Luc Jacques

Bissingen. Zoff unter Geschwistern kommt in den besten Familien vor – zum Beispiel, wenn die große Schwester den kleinen Geschwistern allzu viel vorschreiben möchte. Genau dieser Vergleich kam nun in der jüngsten Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses der Verwaltungsgemeinschaft Weilheim auf den Tisch. Zum einen ging es um die Neufassung der Vereinbarung der Verwaltungsgemeinschaft. Zum anderen sollte das Gremium über den Antrag Holzmadens abstimmen, eine Gemeinschaftsschuppenanlage zu errichten (siehe unten). „Der Trend ist, dass die große Schwester bestimmen möchte, was mit den kleinen Geschwistern geschieht“, übte Neidlingens Bürgermeister Rolf Kammerlander bei der Sitzung in Bissingen Kritik an der Stadt Weilheim. Dieser Vorwurf blieb nicht der einzige, mit dem die Bürgermeister der kleineren Gemeinden den Weilheimer Rathauschef Johannes Züfle konfrontierten. Sie kritisierten auch mangelnde Kommunikationsbereitschaft und machten klar, dass sie den guten Ton und die Loyalität innerhalb der Raumschaft vermissten.

Auslöser für den Streit im Gemeinsamen Ausschuss war das vorangegangene Votum des Weilheimer Gemeinderats gegen die Gemeinschaftsschuppen gewesen. Damit stand nämlich fest, dass Holzmadens Wunsch keine Chance mehr hat, obwohl sich neben der Urweltgemeinde auch Bissingen, Ohmden und Neidlingen dafür ausgesprochen hatten. Weil Weilheim insgesamt 14 Stimmen hat und die kleineren Kommunen gemeinsam ebenfalls über14 Stimmen verfügen, können sie die „große Schwester“ auch gemeinsam nicht überstimmen.

Dabei sind die Mehrheitsverhältnisse nicht neu. Seit ihrer Gründung vor 38 Jahren lebt die Verwaltungsgemeinschaft mit dem potenziellen Patt zwischen Groß und Klein. Ausgespielt hatte die Stadt Weilheim ihre stimmenmäßige Überlegenheit bis dato jedoch nie. „Die ungeschriebenen Spielregeln, die seit 38 Jahren herrschen, sollten wir nicht außen vor lassen“, appellierte Rolf Kammerlander und spielte damit auf die stillschweigende Vereinbarung an, den anderen Gemeinden nicht in die Suppe zu spucken und – sofern sie tragbare Lösungen präsentierten – ihre Selbstständigkeit und Planungshoheit zu respektieren.

Der Unmut der kleinen Partner war damit aber noch nicht zu Ende. Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf bedauerte, dass es der Raumschaft nicht gelungen sei, innerhalb eines Jahres einen Kompromiss zu erzielen, der für alle akzeptabel sei. 2012 hatte das Thema Gemeinschaftsschuppenanlage schon einmal auf der Tagesordnung gestanden. Musolf warnte auch vor den Folgen, die das Gebaren Weilheims haben könne: „Mit so einer Beschlussfassung schürt man die Ängste bei den kleinen Kommunen. Da steht das Thema Machtlosigkeit im Raum“, sagte er und gab zu bedenken: „Es kann für uns alle nicht der richtige Weg sein, uns auseinanderzudividieren.“

Holzmadens Bürgermeister Jürgen Riehle ärgerte sich nicht nur über Weilheims Ablehnnug. Er kritisierte auch den Umgang miteinander. „Wir haben lediglich aus dem Blättle erfahren, dass der Weilheimer Gemeinderat den Holzmadener Antrag abgelehnt hat“, sagte er und erntete Zustimmung aus Ohmden und Neidlingen.

Nachdem Weilheims Gemeinderatsvotum bekannt geworden war, hatten die Gemeinderäte in Ohmden und Neidlingen zunächst ihre Zustimmung zur neu gefassten Verwaltungsvereinbarung verweigert und ihre Entscheidung vertagt. „Es kann nicht sein, dass eine Gemeinde die anderen in ihrer Entwicklung blockiert“, begründete Ohmdens Bürgermeister Martin Funk. Auch Petra Feller, Gemeinderätin aus Neidlingen, übte Kritik an den aktuellen Mehrheitsverhältnissen. Eine Lösung gäbe es aus ihrer Sicht: „Weilheim könnte künftig 13 Stimmen und die anderen Gemeinden gemeinsam 14 Stimmen haben“, schlug sie vor. Auch Jürgen Riehle plädierte dafür, die Stimmenverhältnisse auf den Prüfstand zu stellen. Im Raum Bad Boll gebe es einen Zweckverband der Gemeinden, bei denen jede eine Stimme besitze – und zwar unabhängig von ihrer Größe und Einwohnerzahl.

Auf all die Vorwürfe reagierte Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle, der auch Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses ist, wenig erfreut. Der Weilheimer Gemeinderat habe wohl überlegt eine Entscheidung getroffen, die es zu akzeptieren gelte. Er verhehlte auch nicht, dass er sich selbst gegen die Schuppenanlage ausgesprochen habe. In punkto Flächennutzungsplan gebe es zudem keine Hoheit der einzelnen Gemeinden: „Holzmaden darf eben nicht selbst entscheiden.“

Die Stimmenverhältnisse im Gemeinsamen Ausschuss, die auf den Einwohnerzahlen beruhten, verteidigte der Weilheimer Rathauschef und verwies auf größere Zweckverbände wie die Landeswasserversorgung oder die Neckar-Elektrizitätsverband (NEV) an: „Da kann die Stadt Stuttgart zusammen mit anderen großen Städten 100 kleine Gemeinden überstimmen.“ Eine solche Stimmenverteilung basiere für ihn auf demokratischem Grundverständnis. Stimmen Weilheims abzugeben komme für ihn nicht in Frage. „Die CDU gibt der SPD ja schließlich auch keine Stimmen ab, um auf Augenhöhe zu sein“, sagte er.

Dass Weilheim jetzt einmal aus thematischen Gründen gegen einen Antrag einer Gemeinde gestimmt habe, dürfe nicht gleich „hochgezoomt“ werden. „Es ist eine Unterstellung, dass Weilheim in Zukunft alles blockieren will“, ärgerte er sich.

Geknirscht hatte es in der Verwaltungsgemeinschaft übrigens vergangenen Herbst schon einmal. Weilheim hatte sich bei der Stellungnahme zu Windkraft-Standorten nicht solidarisch mit den betroffenen Kommunen gezeigt und mit einer Enthaltung reagiert. Der Weilheimer Gemeinderat Karl Mohring appellierte an die Bürgermeister im Verwaltungsraum, ihre Kommunikation zu verbessern: „Sie sollten zusehen, wie wir aus dem Tief wieder herauskommen“, mahnte er. „Es ist wichtig, dass das gemeinschaftliche Denken wieder wächst.“

Holzmadens Wunsch nach einer Gemeinschaftsschuppenanlage geht nun in eine weitere Runde

Seit zwei Jahren kämpft die Gemeinde Holzmaden darum, auf ihrer Gemarkung eine Gemeinschaftsschuppenanlage errichten zu dürfen. Die Schuppen sollen Wiesenbesitzern und Hobby-Landbewirtschaftern die Möglichkeit geben, Geräte für die Pflege ihrer Streuobstwiesen und kleiner Äckern unterzustellen. Ein Standort war in Abstimmung mit dem Esslinger Landratsamt bald gefunden. Bedingung für eine Genehmigung durch das Landratsamt ist allerdings, dass die Ehrenamtlichen mindestens 1,5 Hektar Fläche bewirtschaften. Diese Voraussetzung erfüllen aber nur die wenigsten Interessenten der flächenmäßig kleinsten Gemeinde im Kreis. Der Erste Landesbeamte Matthias Berg hatte der Kommune deshalb nahe gelegt, die Ausweisung eines Sondergebiets für die Schuppen anzustreben, bei dem Untergrenzen für Flächen individuell festgelegt werden können. Dazu muss jedoch der Flächennutzungsplan geändert werden. Für den wiederum ist der Gemeinsame Ausschuss der Verwaltungsgemeinschaft Weilheim zuständig. Ein erster Antrag 2012, bei dem Holzmaden noch mit einer gewünschten Untergrenze von 30 Ar antrat, lehnte der Gemeinsame Ausschuss ab. Erklärtes Ziel war es damals aber, sich auf einen Kompromiss zu einigen. Ein Jahr später ging Holzmaden nun mit einem Antrag ohne Untergrenze ins Rennen. Die Gemeinderäte der kleinen Kommunen stimmten zu – Weilheims Bürgervertreter jedoch mehrheitlich nicht. Eine Begründung lieferte Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle: „Unserer Ansicht nach bedarf es keines Schuppens, um 30 Ar zu bewirtschaften.“ Außerdem fürchte die Stadt, dass auch in Weilheim der Ruf nach einer geringeren Untergrenze laut werde. Ohmdens Bürgermeister Martin Funk betonte, dass aus seiner Sicht individuelle Lösungen möglich sein müssten und dass es einer kleinen Gemeinde möglich sein müsse, geringere Untergrenzen anzusetzen. Dieser Ansicht war auch Bissinges Bürgermeister Marcel Musolf: „Die Stadt Weilheim kann ja auf ihrer Gemarkung 1,5 Hektar als Untergrenze festlegen, ohne dass es in den anderen Kommunen auch so sein muss.“ Im Bad Boller Raum sei ein Hektar üblich – eine Größenordnung, die sich auch Bissingen für eine eigene Gemeinschaftsschuppenanlage vorstellt. Der Bissinger Gemeinderat Rolf Rüdiger Most beantragte schließlich eine Vertagung des Punkts und bat das Weilheimer Ratsgremium darum, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken. Bei Enthaltung Holzmadens wurde der Vertagung zugestimmt.bil