Lokales

Fette Jahre, magere Jahre

Neidlinger Haushalt 2012 leidet unter geringer Gewerbesteuer und hohen Umlagen

Sieben fette und sieben magere Jahre kündigte einst Joseph dem Pharao an. Mit vergleichbar extremen Zyklen hat auch Neidlingen zu kämpfen. Joseph riet dem Pharao, für die dürren Zeiten Lebensmittel einzulagern. Die Gemeinde Neidlingen braucht nun in voraussichtlich zwei Jahren die finanzielle Rücklage auf, die sie in den guten Jahren 2010 und 2011 schuf.

Neidlingen. Man stelle sich Folgendes vor: Ein Arbeitnehmer hat einen gut bezahlten Job, ist dann zwei Jahre arbeitslos und findet anschließend wieder eine akzeptable Stelle. Seine Steuern und Sozialabgaben bezahlt er aber immer mit zwei Jahren Verspätung. Obwohl er gerade nur geringe Einnahmen hat, bezahlt er hohe Abgaben, weil er ja vor zwei Jahren gut dran war. Dann geht es ihm wieder besser, aber die Abgaben sind – zumindest vorübergehend – noch niedrig.

Klingt widersinnig? Ja, aber so ähnlich geht es den Kommunen. Denn ihre Zuschüsse und Umlagen berechnen sich immer nach dem Vorvorjahr. Was die Steuerkraftsumme pro Einwohner angeht, lag Neidlingen 2010 an der Spitze des Landkreises, bildete 2011 mit Platz 44 das Schlusslicht. Ein stetiges Auf und Ab, bei dem die finanziellen Sprünge immer wilder werden. „Die Amplituden werden immer höher“, sagte Weilheims Stadtkämmerer Sascha Schneider, der den Haushalt mit der Gemeinde Neidlingen erstellt hat. Er blickte schon in die bedrohliche Zukunft: „Im Jahr 2013 wird es ganz, ganz eng.“

Weil die Jahre 2010 und 2011 für Neidlingen gut waren, fallen nun die Umlagen höher aus: 569 000 Euro muss die Gemeinde an den Kreis abführen, die abzuführende Finanzausgleichsumlage steigt auf 347 000 Euro. Lediglich die Gewerbesteuerumlage sinkt drastisch auf 75 000 Euro.

Das liegt daran, dass die Gemeinde statt wie im Vorjahr 1,5 Millionen jetzt nur noch 400 000 Euro Gewerbesteuer erwartet. Also muss sie auch weniger abgeben. Der Anteil an der Einkommensteuer soll sich laut Planung von 742 000 auf 836 000 Euro erhöhen, die Grundsteuer mit 256 000 Euro in etwa konstant bleiben. Die Finanzausgleichsumlage, die die Gemeinde bekommt, sinkt drastisch von 598 000 auf 242 000 Euro.

Daraus folgt dreierlei: Erstens muss die Gemeinde ihren laufenden Betrieb mit 108 000 Euro aus dem Vermögenshaushalt stützen, das bedeutet eine negative Zuführungsrate. Eigentlich soll die Gemeinde Geld erwirtschaften und für künftige Investitionen dem Vermögenshaushalt zuführen, das Geld also in die andere Richtung fließen. Zweitens müssen 427 000 Euro aus der Rücklage entnommen werden. Drittens müssen dringende Kanal- und Straßenbauarbeiten mit einem Kredit über 320 000 Euro finanziert werden. Da gleichzeitig alte Schulden planmäßig getilgt werden, steigt die Verschuldung nur von 1,71 auf 1,91 Millionen Euro, macht statt bisher 937 jetzt 1 051 Euro pro Einwohner.

Für Investitionen bleibt da nur wenig Luft, es stehen nur kleinere Maßnahmen wie neue Rolltore für Feuerwehrhaus und Bauhof und ein bereits aufgestellter Schaukasten am Rathaus im Programm. Außerdem die Umgestaltung des Seebachs, die zum großen Teil durch Zuschüsse finanziert wird. „Wir haben keine Gestaltungsfreiheit mehr“, klagte Bürgermeister Rolf Kammerlander, „wir können nur das Geschaffene erhalten.“ Für 2013 erwartet er einen noch tieferen Griff in die Rücklage, bis hinunter zum gesetzlichen Mindestbestand, und erneut eine negative Zuführung. Erst die Jahre 2014 und 2015 lassen wieder Besseres erwarten. Sollten höhere Umlagen, neue Pflichtaufgaben oder geringere Einnahmen die Gemeinde treffen, warnte Kammerlander, gerate der Haushalt in eine Schieflage, aus der die Gemeinde sich nicht selbst befreien könne.

Die Steuersätze bleiben dennoch unverändert. Das gilt auch für den zuletzt 2008 erhöhten Wasserzins. In ihrer Sonderrechnung für die Wasserversorgung erwartet die Gemeinde einen Gewinn von rund 23 000 Euro, mit dem ein Teil des Verlustvortrags aus den Vorjahren gedeckt werden soll. Als Investitionen ins Leitungsnetz sind ein Ringschluss im Gebiet Leerwasen und eine Erneuerung der Wasserleitung in der Veitstraße und der Wiesensteiger Straße geplant.

 

Haushaltsvolumen: 4,02 Mio. Euro (2011: 5,7)

Verwaltungsetat: 3,19 Mio. Euro (4,36)

Vermögensetat: 0,826 Mio. Euro (1,34)

Gewerbesteuer: 0,4 Mio. Euro (1,5)

Einkommensteueranteil: 0,836 Mio. Euro (0,742)

Grundsteuer A und B: 0,256 Mio. Euro (0,259)

Rücklage: 0,629 Mio. Euro (1,06)

Grundsteuer A und B: 400 vom Hundert (unverändert)

Gewerbesteuer: 370 vom Hundert (unverändert)