Kreis Esslingen. Das schwere Unwetter mit Sturm und Hagel, das am 28. Juli 2013 über Kirchheim und Umgebung hinweggefegt war, wird wohl niemand aus der Region so schnell vergessen. Die Schäden an Gebäuden, Autos und in der Landwirtschaft waren enorm; noch immer sind Handwerker und Mitarbeiter von Autowerkstätten mit den Reparaturen beschäftigt.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Hagelabwehr mithilfe von speziellen Flugzeugen, wie es sie im Rems-Murr-Kreis gibt, sinnvoll. Die Menschen dort sind am Tag des Hagelsturms im vergangenen Jahr relativ glimpflich davongekommen, wie Dr. Harald Knitter, Pressesprecher der Landkreisverwaltung des Rems-Murr-Kreises, bestätigt: „Wir hatten keine Gebäudeschäden. Die Ernte hat etwas gelitten, aber nur in geringfügigem Maße.“ Zwei Piloten waren an jenem Sonntag über dem Kreisgebiet direkt unter den Gewitterwolken unterwegs und „impften“ diese mit Silberjodid, um die Bildung von Hagelkörnern zu unterbinden.
„Seit über 30 Jahren wird die Hagelabwehr bei uns angewandt. Seither haben wir weit weniger Schäden als andere Landkreise“, sagt Knitter. Gesundheitsbedenken durch die Hagelabwehr hat er nicht; die Menge an Silberjodid, die am Boden ankomme, sei sehr gering. „Wenn man eine Bodenprobe machen würde, wäre nichts nachweisbar.“
Die Hagelabwehr im Rems-Murr-Kreis ist über eine Solidargemeinschaft organisiert. Finanzpartner sind der Rems-Murr-Kreis, die Städte Esslingen und Stuttgart, zehn Städte und Gemeinden aus dem Remstal, zwölf Weinbaugenossenschaften, 79 Weingüter, sieben Organisationen des Obst- und Gartenbaus sowie sieben Versicherungen und Firmen wie zum Beispiel Daimler. Sie bezahlen einen individuellen Betrag im Jahr und genießen so den Schutz durch die Flieger, die am Flughafen in Leinfelden-Echterdingen stationiert sind und bei Bedarf dem Gewitter entgegenfliegen.
Johannes Fuchs, Landrat des Rems-Murr-Kreises, hat nun angeboten, das Einsatzgebiet auszuweiten. „Wir möchten unsere positiven Erfahrungen mit der Hagelabwehr zur Verfügung stellen“, erklärt Pressesprecher Knitter. Deshalb habe man Anfang des Jahres alle Land- und Stadtkreise Baden-Württembergs zu einer Infoveranstaltung eingeladen. Auch Dr. Reinhold Klaiber, Leiter des Landwirtschaftsamts im Kreis Esslingen, war vor Ort: „Es wurde dargestellt, dass es für die Wirksamkeit der Hagelabwehr Indizien gibt, aber die wissenschaftliche Beweisführung steht noch aus.“ Deshalb ist man in der Landkreisverwaltung nach wie vor skeptisch, wie Pressesprecher Wolf-Dieter Roser betont. Eine finanzielle Beteiligung schließe man momentan aus.
Ganz anderer Meinung ist indes die Mehrheit des Esslinger Gemeinderats: Dieser stimmte im vergangenen Jahr für eine Verlängerung der Hagelabwehr um weitere fünf Jahre. „Die Verwaltung hat kritisch hinterfragt, ob die Hagelflieger eine originäre Aufgabe der Stadt sind“, erinnert sich Roland Karpentier, Pressesprecher der Stadt Esslingen. Aber der Gemeinderat, dem auch Weingärtner und Landwirte angehören, habe dennoch mit großer Mehrheit für die Verlängerung votiert. Das hängt vor allem mit der 80 Hektar umfassenden Weinanbau-Fläche im Esslinger Stadtgebiet zusammen, aber auch mit den Streuobstwiesen und Grünanlagen. „Es gab breiten Konsens, diese Flächen zu schützen.“
Esslingen habe den Hagelsturm im Sommer ohne größere Blessuren überstanden, sagt Karpentier. Allerdings könne er nicht sagen, ob die Stadt am Neckar nicht ohnehin von dem lokal unterschiedlich aufgetretenem Unwetter verschont geblieben wäre. Sicher sei jedoch: In den vergangenen fünf Jahren, also seit Esslingen auf die Hagelflieger setzt, habe die Stadt keine Probleme mit Hagelschäden gehabt.
In Kirchheim hat man sich bislang noch nicht mit dem Thema Hagelflieger beschäftigt. „Meiner Meinung nach werden sie zielgerichtet für die Landwirtschaft eingesetzt und haben mit allgemeiner Schadensabwehr nichts zu tun“, sagt Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker im Hinblick auf den Hagelsturm 2013 mit den vielen beschädigten Gebäuden und Fahrzeugen. Mit Ausnahme dieses heftigen Unwetters habe es in den vergangenen Jahren in der Teckregion keinen Anlass gegeben, über einen Einsatz der Hagelflieger nachzudenken, ergänzt Bürgermeister Günter Riemer. „Wenn solche Unwetter aber öfter vorkommen, muss man sich Gedanken machen“, konstatiert die Oberbürgermeisterin.
Sie und Riemer betonen, dass die Kosten in Höhe von 5 000 Euro, die von der Stadt Esslingen bezahlt werden, relativ gering sind. Doch ob auf Kirchheim im Falle einer Beteiligung Kosten in ähnlicher Höhe zukämen, steht nicht fest. „Das muss man im Einzelfall berechnen“, sagt Pressesprecher Knitter. Die Kosten seien unter anderem abhängig davon, wie viele Kooperationspartner es gibt und ob die Anschaffung eines dritten Hagelflugzeugs notwendig wird.