Lokales

Kreis hilft Opfern sexueller Gewalt

Eininger sagt Kretschmann Aufnahme von Frauen zu, die von IS-Kämpfern misshandelt worden sind

Der Landkreis Esslingen bereitet sich auf die Ankunft von Kontingentflüchtlingen vor, die im Irak und in Syrien Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Das hat Landrat Heinz Eininger bei einer Pressekonferenz anlässlich des Besuchs von Ministerpräsident Winfried Kretschmann bekannt gegeben.

Ministerpräsident Kretschmann besucht den Kreis, Pressegespräch im Landratsamt14 Uhr kommunalpolitische Gesprächsrunde, 15.30 Uh
Ministerpräsident Kretschmann besucht den Kreis, Pressegespräch im Landratsamt14 Uhr kommunalpolitische Gesprächsrunde, 15.30 Uhr Pressegespräch mit Ministerpräsident

Kreis Esslingen. Bei den Flüchtlingsfrauen handelt es sich größtenteils um Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Jesiden, einer im Nordirak und Nordsyrien ansässigen religiösen Minderheit. Viele sind Opfer sexueller Gewalt durch Angehörige der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geworden. Auf dem Flüchtlingsgipfel im vergangenen Oktober hatte der baden-württembergische Ministerpräsident angekündigt, etwa 1 000 dieser Frauen über ein Sonderkontingent ins Land zu holen. Bei der gestrigen Pressekonferenz sprach Ministerpräsident Winfried Kretschmann von rund 600 Frauen und Mädchen, die ab März erwartet werden. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge seien kaum darunter.

Heinz Eininger kündigte konkrete Hilfe an. „Wir haben signalisiert, dass wir bereit sind, einen Teil der Frauen und Mädchen bei uns aufzunehmen“, so der Landrat. Eine konkrete Zahl wollte er nicht nennen. Allerdings muss der Landkreis im Gegenzug weniger Flüchtlinge aus der Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe aufnehmen. Derzeit sei man dabei, sich auf die Ankunft der traumatisierten Frauen und Mädchen vorzubereiten. „Wir bauen Netzwerke zwischen den Kliniken, den Frauenhäusern und den Beratungsstellen, die alle mit im Boot sein werden.“ Die Aufnahme der Frauen werde aus Rücksicht auf deren schreckliche Erlebnisse in aller Stille geschehen, „ohne Pressegespräch“. Auf die Frage nach konkreten Traumatherapieangeboten für die Frauen sagte Winfried Kretschmann: „Wenn wir diesen Frauen nicht helfen können, kann es keiner.“

Weiteres Thema war der Zustrom kosovarischer Flüchtlinge. Der belastet auch den Landkreis, dessen Asylbewerberunterkünfte ohnehin aus allen Nähten platzen. „Unser erstes Ziel muss sein, dass die Menschen gar nicht erst hierherkommen“, sagte Winfried Kretschmann. Menschen aus dem Kosovo hätten in Deutschland keine Chance auf Asyl. „Die Menschen dort werden nicht politisch verfolgt, die Anerkennungsquote liegt unter einem Prozent.“ Weiterhin müssten die Asylverfahren beschleunigt werden. Nadelöhr sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bei dem die Verfahren zu lange hängen bleiben. „Ziel muss es sein, die Anträge in drei Monaten zu bearbeiten“, so der Ministerpräsident.

Große AufgabeKommentar

Wo, wenn nicht im reichen Baden-Württemberg kann den Frauen, die in Nordsyrien und im Nordirak Opfer sexueller Gewalt geworden sind, geholfen werden? Mit diesem Hinweis hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann völlig recht. Dennoch ist die Aufnahme der traumatisierten Frauen und Mädchen eine riesige Herausforderung für Stadt und Landkreis. Dass die Flüchtlinge im Landkreis in Sicherheit sind, ist das eine. Aber die Mädchen und Frauen brauchen auch eine Psychotherapie, die ihnen hilft, das Schreckliche, das sie erlebt haben, zu bewältigen und in ihre Persönlichkeit zu integrieren. Die Voraussetzung für Traumatherapie – wie für jede andere Therapie auch – ist jedoch, dass Patient und Therapeut miteinander sprechen können. Keine leichte Aufgabe, wenn die Patientinnen kein Deutsch können und aus einem völlig anderen Kulturkreis kommen. Da braucht es gute Dolmetscher, auf die die Therapeuten sich verlassen können. Die Tatsache, dass die Frauen Flüchtlinge sind, die sich tausende Kilometer weit entfernt von allem befinden, was ihnen einmal Sicherheit gegeben hat, dürfte die Therapie auch nicht gerade erleichtern. Gut ist, dass die Frauen Kontingentflüchtlinge sind: Es besteht also nicht die Gefahr, dass die Therapie in dem Moment, in dem das Trauma offenliegt und die Patientinnen am verletzlichsten sind, abgebrochen werden muss, weil eine Abschiebung ansteht. Trotz all dieser Probleme ist es gut, dass Landkreis und Land sich dieser Frauen annehmen. Sie haben jegliche Hilfe, die man ihnen geben kann, verdient.ANTJE DÖRR