Lokales

Mutige Vorschläge für die Zukunft

Bürgermeister Michael Schlecht hatte einige Überraschungen im Gepäck

Die Haushaltsrede von Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht glich einem Paukenschlag. Nicht die Zahlen waren das Entscheidende, sondern seine Ideen für die Zukunft: Rathaus an neuem Standort, Wohngebiet statt Sportplatz und ein Gymnasium für Lenningen.

Bald ein Bild der Vergangenheit? Der Sportplatz in Oberlenningen könnte nach Ansicht von Bürgermeister Michael Schlecht einem Ba
Bald ein Bild der Vergangenheit? Der Sportplatz in Oberlenningen könnte nach Ansicht von Bürgermeister Michael Schlecht einem Baugebiet weichen.Foto: Jörg Bächle

Iris Häfner

Lenningen. „Mir ist bewusst, dass ich fast schon ,vermintes‘ Terrain betrete. Dennoch müssen wir Überlegungen für eine uns stärkende Entwicklung anstellen“, sagte Michael Schlecht. Das verminte Terrain sind die Sportflächen an der Turn- und Festhalle in Oberlenningen. In seiner Haushaltsrede schlug der Schultes vor, sie zu verlagern. An der Sporthalle soll ein „Lenninger Sportpark“ zwischen den Ortsteilen Ober- und Unterlenningen entstehen. Somit würden in Oberlenningen Flächen für ein Wohngebiet frei. „Es wäre zentrumsnah und doch ruhig gelegen in unmittelbarer Nähe zu Schule, Kindergarten und innerörtlichem Einzelhandel und somit ein attraktives Angebot, insbesondere für junge Familien“, begründete Michael Schlecht seine Überlegungen – nicht nur im Hinblick auf den schnellen Verkauf der Bauplätze in der Unterlenninger Ortsmitte. Ihm bereitet vor allem der stetige Rückgang der Einwohnerzahlen große Sorgen. Gab es im Juni 2004 noch 8 756 Lenninger, so waren es im Juni dieses Jahres 8 130. In gerade mal sieben Jahre schrumpfte die Einwohnerzahl um über 600 Menschen und Prognosen gehen von 7 400 Einwohnern im Jahr 2030 aus. „Gänzlich verhindern können wir diesen Trend aufgrund der Demografie sicher nicht. Aber wir müssen etwas unternehmen, um diesen Trend zumindest abzuschwächen“, erklärte Michael Schlecht.

Zum Dauerthema Zusammenlegung der Gemeindeverwaltung am Standort Oberlenningen präsentierte er einen völlig neuen Ansatz: „In diesem Zusammenhang stellt sich mir mittlerweile die Frage eines kompletten Rathaus-Neubaus.“ Diesen könnte er sich auf den gemeindeeigenen Flächen im Bereich Schwelchergasse, Steinstraße und Burgtobelweg vorstellen. „Selbstverständlich bleibt für mich das heutige Rathausgebäude fester Bestandteil der Oberlenninger Ortsmitte. Es ist städtebaulich wertvoll und erforderlich“, beruhigte der Schultes all diejenigen, die schon die Abrissbirne vor ihrem geistigen Auge auftauchen sahen. Dieses Schicksal droht jedoch nach dem Willen von Michael Schlecht der Amtgasse 5. In dem städtebaulich weniger wertvollen Betonbau ist die Bauverwaltung untergebracht. Nach dem Abriss wäre Platz für etwa 40 ebenerdige Parkplätze. Die könnten Kunden des Einzelhandels ebenso nutzen wie die Besucher des Julius-von-Jan-Gemeindehauses und der Seniorenwohnanlage. „Das bedeutet mehr Verkehrssicherheit und beim Verwaltungsbau könnte eine große und damit teure Tiefgarage entfallen“, nannte Michael Schlecht weitere Gründe für einen Umzug der gesamten Verwaltung.

Auch beim Thema Bildung hatte der Schultes eine Überraschung parat. Bei all dem derzeitigen Durcheinader um Werkrealschule und Gemeinschaftsschule ist für ihn eines offensichtlich: „Sollte sich am Schulstandort Lenningen eine Gemeinschaftsschule etablieren wollen, dann nur mit dem Ziel des Aufbaus einer Sekundarstufe zwei, also der Fortführung der Gemeinschaftsschule bis zum Abitur.“ Ein gymnasialer Zug in Lenningen wäre seiner Ansicht nach ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung des Schulstandorts Lenningen, aber auch ein nicht unerheblicher Standortfaktor für den Wohn- und Arbeitsort Lenningen. Im neuen Jahr will die Verwaltung mit sämtlichen Beteiligten Gespräche führen.

Aufgeschreckt wurde Michael Schlecht bei einem Besuch eines Lenninger Betriebs, als der Begriff Schlafstadt fiel. „Wir tun schon einiges für eine gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen aus Industrie, Handel und Gewerbe“, erklärte er und nannte beispielhaft das Bemühen der Gemeinde bei der Verbesserung der Breitbandversorgung. Auch ist er überzeugt, dass die Gründung der Energieversorgung Lenningen sich im Laufe der Jahre als wichtiger Partner für Gewerbetreibende erweisen wird. Um optimal kommunale Wirtschaftsförderung betreiben zu können, wäre seiner Ansicht nach die Gründung eines Lenninger Handels- und Gewerbevereins oder eines Lenninger Bund der Selbstständigen hilfreich.

„Zukunft braucht Herkunft“ – diesen Referatstitel einer Tagung nahm Michael Schlecht zum Anlass, die übergeordneten Behörden an ihre Verantwortung zu erinnern. „Der ländliche Raum ist nicht nur Idylle und heile Welt, sondern er ist vor allem Lebens- und Wirtschaftsraum seiner Bewohner“, so der Schultes. Daher fordert er von Bund, Land, Region und Landkreis nicht nur schöne Rhetorik zum ländlichen Raum, sondern mehr Taten in Form von nachhaltiger Unterstützung und weniger Auflagen und Beschränkungen, „unter denen wir leiden, wohl, weil wir so schön und so natürlich sind“.

Mit Sorge sieht Michael Schlecht die Urbanisierung, die in vollem Gange ist. „Wir stehen vor der großen Herausforderung, unsere Gemeinde nicht durch noch größeren Einwohnerschwund weiter ausbluten lassen zu müssen“, erklärte er. Weniger Einwohner heiße auch weniger Einnahmen bei steigenden Ausgaben. „Diesen Kreislauf gilt es mit Innovationen und mutigen Entscheidungen zu durchbrechen“, sagte er weiter.

Einen nicht ganz ernst gemeinten Mutmacher gab es zum Schluss für die Gemeinderäte: „Ende vergangenen Jahres hatte Los Angeles als zweitgrößte Stadt der USA rund vier Millionen Einwohner. Im Jahr 1810 waren es laut Wikipedia 354. Es ist also auch bei uns noch Luft nach oben.“