Lokales

Plädoyer für eine Wohlfühl-Klinik

Erregte Patienten und Ärzte gehen Landrat Eininger bei Bürgerversammlung in Plochingen hart an

„Szenario 4plus“ nennt der Landkreis Esslingen, was am Dienstagabend knapp 700 größtenteils aufgebrachte Menschen in die Stadthalle Plochingen geführt hat und eigentlich „4minus“ heißen müsste, weil der Landrat auf eine von vier Kliniken verzichten möchte: das Krankenhaus Plochingen.

Kreiskrankenhaus Plochingen
Kreiskrankenhaus Plochingen

Plochingen. Landrat Heinz Eininger lässt daran keinen Zweifel, das wird er dem Kreistag empfehlen. „4plus“ sei die sinnvollste Entscheidung, die in eine kreisweite Struktur- und Bedarfsplanung münden müsse. Eininger sieht sich einer wirtschaftlichen Lösung verpflichtet, die Menschen im Saal dagegen wollen ihr Krankenhaus behalten.

Plochingens Bürgermeister Frank Buß bringt die Stimmung im Saal auf den Punkt: Hier solle ein leistungsfähiges „Wohlfühl-Krankenhaus“ aufgegeben werden, weil es nicht mehr zu den angestrebten Strukturen hoch spezialisierter Behandlungszentren passe. „Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist.“ Das Defizit der Kreiskliniken komme nicht aus Plochingen. „Das Problem kommt aus den anderen, größeren Häusern“, verweist Buß auf Ruit, Nürtingen und Kirchheim. Eine Schließung sei strukturpolitisch falsch und ökonomisch zu kurz gesprungen, zitiert er den AOK-Geschäftsführer Dieter Kress.

Franz Winkler, der Geschäftsführer der Kreiskliniken gGmbH, erhält nur einmal Beifall: „Die Plochinger Klinik ist ein besonders schönes Haus mit einer sehr angenehmen Atmosphäre, die von unseren Patienten sehr geschätzt wird.“ Aber er korrigiert den Eindruck, die Plochinger Klinik arbeite weitgehend kostendeckend. Bisher war der Verlust in Plochingen immer mit 200 000 Euro angegeben worden, doch Winkler hat nachgerechnet und kommt inzwischen auf 1 Million Euro. Das kann man glauben, aber, wie viele im Saal, auch bezweifeln.

Ähnliches gilt für die Bewertung des „Szenarios 4plus“ durch die Gutachter. Der Plochinger Oberarzt Christian Grossmann kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass die angenommenen Steigerungen der Fallzahlen unrealistisch seien. Doch Gutachter Jan Hacker von Economedic sagt, die angenommene Steigerung um 3,7 Prozent pro Jahr sei machbar. Schon aus der Altersstruktur der Bevölkerung und durch die zunehmende Spezialisierung der verbleibenden Häuser prognostiziert er hohe Zuwächse von insgesamt 7 500 Patienten bis 2015. „Wir glauben, dass diese Fallzahlen mit der neuen Struktur erreichbar sind.“ Obwohl auch nach Hackers Annahmen 50 bis 60 Prozent der Plochinger Patienten nicht in die Kreiskliniken gehen werden, sondern „überwiegend nach Esslingen“. Der Hausarzt Johannes Hieber aus Baltmannsweiler sagt: „Ich weise mindestens 95 Prozent meiner Patienten nach Plochingen ein.“ Wenn die Klinik geschlossen werde, überweise er nach Esslingen oder Schorndorf, nicht nach Kirchheim.

So wechseln die Argumente und Emotionen und zeigen letztlich doch nur eines: Die Menschen in und um Plochingen wollen ihr „Wohlfühl-Krankenhaus“ behalten. Der Reichenbacher Gemeinderat Rudi Munz ist noch am alten Standort in der Johanniterstraße geboren worden. Er sagt: „An den betriebswirtschaftlichen Fakten kommt man nicht vorbei, aber es darf bei der Entscheidung über Plochingen nicht ausschließlich um Geld gehen.“ „Für mich ist eine Schließung nicht vermittelbar“, betont auch der Plochinger Stadtrat Reiner Nußbaum, „das geht nicht.“ Rainer Palme, Hausarzt in Deizisau, betont, er stelle die Weichen ganz bewusst nicht nach Nürtingen und Kirchheim, aber nicht wegen der Qualität, sondern „die Patienten wollten das nicht“.

Der Landrat setzt seine Verantwortung dagegen: „Zurzeit zahlen wir 5 Millionen Euro für Zins und Tilgung und 3 Millionen zur Verlustabdeckung. Wenn wir nichts tun, wird dieser Betrag in den nächsten Jahren auf bis zu 15 Millionen Euro anwachsen. Nein, für diesen Weg plädiere ich nicht.“ Das „Szenario 4plus“ sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Heinz Eininger, weil damit die Wirtschaftlichkeit verbessert werden könne. Später betont er sichtlich mitgenommen, das sei eine seiner schwierigsten Entscheidungen. „Nehmen Sie‘s mir ab.“ Er sieht sich unter Zeitdruck, denn die Krankenhauslandschaft ändere sich schnell. Zum Beispiel habe sich die Kurzzeitchirurgie komplett in den ambulanten Bereich verlagert. Eininger sagt aber auch: Die richtige Lösung wäre, Konkurrenz durch Zusammenarbeit zu ersetzen, die Kreiskliniken mit den Städtischen Kliniken in Esslingen zusammenzuwerfen und eine Krankenhausversorgung aus einem Guss auf den Weg zu bringen. „Solange das nicht möglich ist, müssen wir unsere eigenen Hausaufgaben machen. Wir können unsere Verantwortung nicht abgeben.“ Das gelte auch für die Nachnutzung: „Wir werden uns um eine gute, tragfähige Neuausrichtung kümmern.“