Lokales

Verliebt in das Gelingen

Fachgespräch Gemeinschaftsschule der SPD im Quadrium

„Man muss ins Gelingen verliebt sein“, sagte Schulleiter Mathias Kessler, dessen Grund- und Werkrealschule Bad Urach eine der ersten Gemeinschaftsschulen wird. Mit Norbert Zeller vom Kultusministerium war er beim Fachgespräch Gemeinschaftsschule des SPD-Kreisverbands Esslingen.

Wernau. Hohe Jugendkriminalität, hoher Migrationsanteil – alle Indikatoren von Kesslers Schule sprechen für eine Brennpunktschule. Auch mit neuen Räumen kann sie nicht dienen. Was ist anders an dieser Schule? Da ist zum einen die enge Zusammenarbeit mit den Eltern, die teils sogar zum Deutschlernen an die Schule kommen. Da ist der Weg von der offenen über die teilgebundene zur gebundenen Ganztagsschule, den die Schule gegangen ist. „Keiner würde es nach fünf Jahren nicht mehr wollen“, sagte Schulleiter Mathias Kessler.

Er ist gegen eine „Glättungsdidaktik“, bei der Erwachsene ständig große und kleine Berge wegräumen. Vielmehr solle man Kindern bewusst Berge in den Berg stellen, aber solche, die sie bewältigen können. Die Eingangsdiagnose zu Beginn des Schuljahres erfolge anhand eines Kompetenzrasters – nicht zur Selektion, sondern um eine Basis für Zielvereinbarungen zu finden. „Der klassische Unterricht ignoriert den Ausgangspunkt des einzelnen Kindes“, kritisierte Kessler. „Alle machen zur gleichen Zeit dasselbe, ob sie es verstehen oder nicht.“

Die Noten weichen künftig detaillierten Angaben. „Wer eine Eins in Lesen und eine Fünf im Schreiben hat, bekommt keine Drei in Deutsch.“­ Erst zum Abschluss oder beim Schulwechsel gibt es die herkömmlichen Noten. Der Schultag ist gegliedert, zu den Inputs durch den Lehrer kommen eigene Lernzeiten, individuell oder in Kleingruppen, Projekte und eine „Forscherzeit“ für eigene Interessen. Während die Schüler eigenständig arbeiten, soll es auch der Lehrer tun können – statt seine Doppelstunden „durchzupowern“. Doch noch verlangt die Umstellung den Lehrkräften viel ab. „Wir sind alle miteinander ziemlich am Ende“, gestand Kessler.

Dass es ohne die Überzeugung von Schulleitung und Lehrern nicht geht, betonte Norbert Zeller, Leiter der Stabstelle Gemeinschaftsschule, Schulmodelle und Inklusion im Kultusministerium. „Eine verordnete Schule würde scheitern.“ Skeptikern rät er zum Besuch von entsprechenden Schulen: „Es ist ein anderes Miteinander. Es gibt eine hohe Zufriedenheit der Lehrkräfte.“

Die Gemeinschaftsschule biete alle Bildungsstandards an, die Entwicklung bleibe für alle Kinder offen. Für eine stabile zweizügige Gemeinschaftsschule seien 35 bis 40 Kinder pro Jahrgang nötig, eine eigene Sekundarstufe II erfordere wegen des Kurssystems 60 Schüler pro Jahr. Ansonsten wechselten die Schüler für die drei Oberstufenjahre ans Gymnasium.

Antragsfrist für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule für das Schuljahr 2013/14 sei der 1. Oktober, sagte Zeller. Wichtig sei die Beteiligung der Eltern. Zwei Veränderungen kündigte Zeller an: Die Aufnahme von Kindern mit Behinderungen an Regelschulen werde das Land zum Schuljahr 2013/14 im Schulgesetz regeln. Spätestens 2015/16 werde ein gemeinsamer Bildungsplan aller allgemeinbildenden Schulen die Durchlässigkeit gewährleisten.

Die 40 Zuhörer im Quadrium hatten viele Fragen mitgebracht. Wann darf eine Gemeinschaftsschule einzügig sein? Nur bei langen Schulwegen, antwortete Zeller. Und die Schulempfehlung? „Es ist völlig egal, welche Empfehlung ein Kind hat“, sagte Kessler, sein Kollege am Gymnasium sage dasselbe. „Es gibt keine falsche Schule, es muss nicht sortiert werden“, ergänzte Zeller. „Lernen ist immer ein individueller Vorgang.“