Lokales

Zwischen Tradition und Moderne

Gerhard Wick will als erster Bevollmächtigter die IG Metall in den Betrieben stärken

Lagerdenken? Nein, für so etwas ist Gerhard Wick viel zu pragmatisch. In der IG Metall will sich der erste Bevollmächtigte aus dem Kreis Esslingen weder den Modernisierern noch den Traditionalisten zurechnen lassen.

Mit der IG Metall in die Zukunft: Gerhard Wick kennt seine Wurzeln, stellt sich aber auch den neuen Herausforderungen.Foto: Bulg
Mit der IG Metall in die Zukunft: Gerhard Wick kennt seine Wurzeln, stellt sich aber auch den neuen Herausforderungen.Foto: Bulgrin

Kreis Esslingen. Wenn es um seine Person geht, fängt Wick mit solchen Etikettierungen nichts an. Immerhin lässt er sich so viel entlocken: „Ich weiß, wo meine Wurzeln sind. Ich weiß aber auch, dass die Gewerkschaft sich in einer veränderten Arbeitswelt neuen Herausforderungen stellen muss.“

Seit 100 Tagen steht der 54 Jahre alte Gewerkschaftsfunktionär an der Spitze der Esslinger Metaller. In der Julius-Motteler-Straße hat er Sieghard Benders Erbe angetreten, der im vergangenen Jahr überraschend gestorben ist. Wick versteht sich nicht einfach als Nachfolger des früheren Bevollmächtigten. „Sieghard war mein Ziehvater“, sagt er und erzählt, wie sie sich vor mehr als 30 Jahren bei der Firma Nagel in Nürtingen kennengelernt haben, wo Wick den Beruf des Mechanikers gelernt hat, bevor er später Betriebsratsvorsitzender wurde.

Mehr als 20 Jahre arbeitet der gebürtige Altdorfer inzwischen für die IG Metall, wobei sein Weg über Geislingen, Göppingen und Stuttgart nach Esslingen geführt hat. Nachdem er sich zuletzt um die Tarifpolitik kümmerte, rücken jetzt wieder andere Aufgaben in den Mittelpunkt – Aufgaben, für die er sich durch frühere Erfahrungen gewappnet weiß.

Zu den Schwerpunkten der Metaller gehört 2014 im Kreis Esslingen die Tarifbindung. „Es ist nicht gottgegeben, dass die Firmen diese Verträge anwenden“, sagt er. Folglich sei es notwendig, die Basis der IG Metall in den Betrieben auszubauen. Die jüngste Entwicklung bezeichnet er als ermutigend. Nach einem Plus von 200 ist die Mitgliederzahl auf 15 300 gestiegen. Auf diesem Erfolg will sich Wick aber nicht ausruhen. Für die Zukunft gibt er die Devise aus: „Wer für die IG Metall etwas tut, für den tun wir auch etwas.“ Will heißen: Belegschaften mit geringem Organisationsgrad und offenkundigem Desinteresse für die Gewerkschaftsarbeit können im Ernstfall nicht mit massiver Hilfe rechnen. Anders sieht es aus, wenn es um Schlüsselbetriebe geht. Als Beispiel darf Festo gelten. Weil es sich um den größten Arbeitgeber in der Metallbranche handelt, will sich die IG Metall weiter mit Nachdruck um diese Adresse kümmern. Dass die Mitgliederzahlen noch zu wünschen übrig lassen, spielt in diesem Fall keine Rolle.

Modernisierer oder Traditionalist? Wick mag sich solchem Schubladendenken verweigern. Seine Aufgeschlossenheit für neue Ansätze fällt trotzdem auf. Wenn es um die Zukunft des Industriestandorts geht, verstehen er und seine Mitstreiter sich als Partner – als Partner, die Betrieben helfen können, neue Auftragsfelder zu erobern. Als Beispiel nennt er den Versuch, Gespräche über die Produktion moderner Antriebstechniken voranzutreiben. In dieses Bild passt die Entschlossenheit, zwei Projekte fortzuführen, die sich noch Sieghard Bender auf die Fahnen geschrieben hatte: „Wir wollen mit Unternehmen wie der Bahn ins Gespräch kommen und uns dafür einsetzen, dass deren Busse in größerem Stil mit Brennstoffzellen ausgerüstet werden“, erläutert Wick. Sollte die Initiative zum Ziel führen, könnten Betriebe im Kreis Esslingen profitieren. Auch die Ausbildungswerkstatt im ägyptischen Luxor behält der Neue im Auge. „Wir wollen dieses Vorhaben weiterhin fördern.“

Der erste Bevollmächtigte weiß, dass er dicke Bretter bohren muss. Ermutigend dürften drei Erfahrungen sein, die er im Filstal gesammelt hat. Aus dieser Zeit weiß er, dass sich auch in schwierigen Situationen etwas bewegen lässt. Dort ist es gelungen, die drohende Schließung einer Firma zu verhindern. In zwei weiteren Fällen durfte es die IG Metall als Erfolg verbuchen, dass die betreffenden Firmen den Tarifvertrag wieder als bindend anerkannt haben. Möglich wurden solche Fortschritte, weil Wick pragmatisch vorgegangen ist und außerdem die Belegschaften intensiv eingebunden hat. Auf dieses Rezept vertraut er auch an seiner neuen Wirkungsstätte. Diese schätzt er allerdings nur als Arbeitsort. Als eingefleischter Geislinger will er von einem Umzug nichts wissen.