Lokalsport

Das Ende aller Illusionen

Der VfL steht wieder einmal am Scheideweg

Es waren viele Plätze frei am Samstagabend an den Stehtischen am Kirchheimer Stadionkiosk. Dort, wo sonst nach Saisonende Dutzende Fans, Sponsoren und Funktionäre bei Bier, Roter Wurst und meist guter Laune die Saison bilanzierten, herrschte trotz 28 Grad und Sonnenschein gähnende Leere.

Kirchheim. Lediglich die Mitglieder des Fan-Clubs Teck-Tigers hielten nach der letzten Niederlage die Stellung. „Wir trinken auf uns und nicht auf die Landesliga“, meinte ein Fanclubmitglied sarkastisch. Die anderen in der Runde lachten gequält. Ganz so einfach zu verkraften ist der beispiellose sportliche Absturz für viele VfL-Anhänger nicht. Es war am Samstag im Stadion regelrecht greifbar: Hier ging eine Epoche im Kirchheimer Fußball zu Ende.

Was kommt, taugt bestenfalls für Galgenhumor. Vor dem Neuanfang in der Landesliga steht jedenfalls nur eines fest: Es gibt keinen in der Fußball-Abteilung des VfL Kirchheim, der ernsthaft eine Prognose wagen will. Personell und finanziell ausgebrannt, weitgehend frei von Visionen: Unter diesen Voraussetzungen erscheint selbst das Ziel Klassenerhalt in der kommenden Landesliga-Saison ambitioniert. „Es wird keine Luftschlösser mehr geben“, sagt die Vereinsvorsitzende Doris Imrich und spielt damit auf jene Zeiten an, in denen man beim VfL vom Regionalliga-Wiederaufstieg träumte, dabei jedoch von einem vermeintlich langfristig orientierten Hauptsponsor abhängig war. Dessen Ausstieg 2011 war gleichzeitig das Ende aller Illusionen.

Eingeweihte setzen den Beginn der Talfahrt allerdings schon früher an: bei der umstrittenen Entlassung des Erfolgstrainers Rolf Baumann zu Oberligazeiten im April 2010. Der menschlich vielleicht schwierige, aber fachlich hoch qualifizierte Coach, der nach langer Zeit wieder für einen Zuschauer-Boom in Kirchheim sorgte, wurde trotz seiner Erfolge entlassen. Es gibt nicht wenige unter der Teck, die dies alleine dem damaligen Abteilungsleiter Dr. Jörg Mosolf ankreiden. Er sei schlecht beraten gewesen, hieß es, habe zudem kein Rückgrat gezeigt und sich nicht entschieden genug vor den Trainer gestellt. Baumanns Nachfolger Rainer Kraft blieb blass und trotz eines verstärkten Kaders deutlich hinter den Erwartungen zurück. Auch die Personalie Stefan Haussmann wurde am Samstag im Stadion nochmals eifrig diskutiert. Am 30. Oktober 2012 musste der Architekt des Kirchheimer Wiederaufbaus trotz eines ordentlichen Starts in die Saison gehen. Der Trainerwechsel blieb bekanntermaßen ohne Wirkung. Auf allen Ebenen fehlt Kontinuität – so lässt sich die Zeit nach dem Weggang des Oberliga-Aufstiegstrainers Michael Rentschler 2008 zusammenfassen.

Bleibt das Prinzip Hoffnung. Wenn Andreas Gerstenberg in wenigen Wochen als Chefcoach antritt, muss er zwangsläufig auf junge Spieler setzen. Schon droht ein weiteres Problem: Die Strahlkraft der Jugendabteilung, über Jahrzehnte Talentschmiede Nummer eins im Kreis Esslingen und sogar darüber hinaus, wird abnehmen. Zumal der FC Frickenhausen mit dem am Samstag gesicherten Verbandsliga-Klassenerhalt zur neuen Nummer eins im Altkreis Nürtingen wird. Beim Tälesclub haben die Verantwortlichen aus Fehlern der Vergangenheit gelernt. Der Sportliche Leiter Klaus Uhl und sein Team setzten auf Nachhaltigkeit. Der Zustrom sei mehr als beachtlich, heißt es aus FCF-Kreisen. Beim Landesliga-Dritten TSV Weilheim häufen sich außerdem seit Jahren die sportlichen Erfolge im Jugendbereich. Beim Rennen um die talentiertesten Fußballer der Region werden die Karten nach dem Kirchheimer Abstieg neu gemischt – und der VfL hat dabei nur noch wenige Trümpfe in der Hand.