Kirchheim/Owen. Viele Jahre waren sie in Sachen Handball das Aushängeschild rund um die Teck. Jetzt geht in Owen die Angst vor dem Sturz ins Bodenlose um. Nur ein Punkt trennt die Mannschaft von Platz neun, der die Relegation bedeuten würde. Ein Gedanke, den man aus gutem Grund bisher verdrängt. Wann immer es in jüngerer Vergangenheit zum entscheidenden Stechen kam, verließ den TSV das Glück oder es versagten die Nerven.
Nicht nur deshalb sorgt die derzeitige Lage für einiges Unbehagen. Ein noch immer möglicher Abstieg hieße, bei null zu beginnen, jahrelange Entwicklungsarbeit als gescheitert anzusehen. Von den verbliebenen Leistungsträgern in der Mannschaft dürfte wohl keiner einen ernsthaften Gedanken an ein Bezirksliga-Jahr verschwenden. Da hilft nur eines: Die Klasse sichern um jeden Preis. Noch hält man alle Trümpfe in der Hand, um sich aus eigener Kraft über die Ziellinie zu schleppen und eine Saison zu überstehen, die so ziemlich alles bot, worauf man als Mannschaft gerne verzichtet hätte.
Ohne Zweifel: Die verletzungsbedingte Notformation aus Owen hat sich bisher erfolgreicher geschlagen, als ihr dies viele vor dem ersten Spieltag zugetraut hätten. Wäre heute schon Schluss, der TSV wäre gerettet. Doch noch sind es drei Spiele. Mit Unterensingen am Sonntag und dem TSV Schmiden II eine Woche später immerhin gegen zwei Mannschaften aus dem vorderen Tabellendrittel. Drei Punkte aus diesen letzten drei Spielen müssten laut Rechnung von Trainer Manfred Haase reichen, um Platz acht zu behaupten. Die schwächelnden Dettinger müssen mit Schorndorf und Heiningen noch zwei Mal gegen direkte Konkurrenten ran. Owen hat am letzten Spieltag beim Tabellenletzten HSG Wangen/Börtlingen die vermeintlich leichteste Aufgabe. „Genau darauf wollen wir uns nicht verlassen“, warnt Haase, der das Spiel am Sonntag in Unterensingen deshalb für das wichtigste hält. Ein Punkt ist für ihn Pflicht. Im Hinspiel hat die Mannschaft gezeigt, wie das geht. Für den Außenseiter könnte sprechen, dass sich der SKV nach dem Abschied von allen Aufstiegsträumen inzwischen in Auflösung befindet. Die wichtigsten Leistungsträger haben für die neue Saison bereits woanders angeheuert.
Das könnte Mut machen, wären da nicht die eigenen Probleme: Seit Wochen tut sich Haase schwer, seinen Jungs den Ernst der Lage zu vermitteln. Eine Brandrede von Abteilungschef Dietmar Kerner vor Wochenfrist in der Kabine war wohl so deutlich, dass er hinterher Kritik einstecken musste. Zuckerbrot oder Peitsche? Mit dieser Frage tun sich viele im Verein derzeit schwer. Manchem fehlt der letzte Biss, den man im Abstiegskampf braucht, das ist auch dem Trainer nicht entgangen. Den beiden Rückraumschützen Fabrizio Mosca und Matthias Büchele fehlt überdies seit Wochen das nötige Glück im Abschluss. Jetzt hat auch noch Spielmacher Nico Sigel – zuletzt die einzige Konstante im Owener Spiel – die Koffer gepackt und sich ins Ausland verabschiedet. Dass man sich erst jetzt nach passendem Ersatz umschaut, obwohl seit Weihnachten klar war, dass er geht, sorgt für zusätzlichen Zündstoff im Umfeld. Die Suche gilt nun einem wurfgewaltigen Spielmacher, der sich nahtlos ins Räderwerk einfügen muss, denn die Zeit drängt. Für Außenstehende klingt das drei Spieltage vor Schluss wie die Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau.
Sieben Kilometer Richtung Norden lassen solche Probleme kalt. Beim VfL Kirchheim freut man sich zum Saisonende hin auf ein entspanntes Austrudeln. Dass sie das Restprogramm nicht mehr ernst nehmen könnte, diese Furcht hat die Mannschaft ihrem Trainer schon vergangene Woche bei der knappen Heimniederlage gegen Aufsteiger Grabenstetten genommen. „Wir lassen die Zügel nicht schleifen“, verspricht Ralf Wagner, ohne sich der einen oder anderen Spaßeinheit im Training in den Weg zu stellen. Das heißt: Der Vergleich mit dem TV Reichenbach am Sonntag wird ernst genommen. Schützenhilfe für den Noch-Kooperationspartner in der Jugendarbeit, der mit dem TSV Schmiden II um die Aufstiegs-Relegation kämpft, ist kein Thema. „Null Komma null“, versichert der Trainer.
Dennoch bleibt Zeit, den einen oder anderen Gedanken dem zu opfern, was kommt. Das dritte Jahr Landesliga wird gleichzeitig die fünfte Saison für den VfL unter Ralf Wagner. Im Dezember hat er der Mannschaft die Vertrauensfrage gestellt, um anschließend mit sich selbst in Klausur zu gehen. Die Entscheidung, weiterzumachen, fiel ihm leicht. Von Abnutzungserscheinungen wollen beide Seiten nichts wissen, und die Mannschaft hat auf ihre Weise signalisiert, was sie will: Mit Marcel Metzger, Robin Habermeier und Matthias Mikolaj werden drei Schlüsselspieler dem VfL die Treue halten – allen Lockrufen zum Trotz. Bei Metzger klopften schon im Januar sechs Vereine an, darunter neben Aufsteiger TSV Grabenstetten auch die Württembergligisten aus Zizishausen und Ostfildern. Matthias Bauer und Florian Schicht auf der linken Seite sind die einzigen bekannten Abgänge bisher. Beide kehren zu ihrem Heimatverein TG Nürtingen zurück. „Ein Abschied, der fair verlief und in Frieden“, betont ihr Trainer.
Die überraschendste Nachricht betrifft eine Personalie abseits des Spielfelds: Enrico Wackershauser findet den Weg zurück zum VfL. Der Trainer und Torschütze vom Dienst aus glorreichen Oberliga-Zeiten steigt in der neuen Saison als Mentaltrainer ein. Bis Jahresbeginn trainierte der 55-Jährige die SG Leonberg/Eltingen in der Württembergliga, ab Sommer soll er beim VfL für klare Köpfe sorgen. Ein Kompetenzgerangel fürchtet offenbar niemand: „Die Rollen sind klar verteilt“, sagt Ralf Wagner. „Für die Mannschaft und mich ist das eine Bereicherung.“