Lokalsport

Ritter mit dem „Lucky Punch“

Die Knights entdecken ihre Nehmerqualitäten in der letzten Runde

Ein Spiel, zwei grundverschiedene Hälften und am Ende wieder ein Herzschlagfinale. Zum zweiten Mal hintereinander haben die Knights ein bereits verloren geglaubtes Spiel noch gedreht. Kirchheims Basketballer zeigen derzeit Qualitäten, die keine Spielstatistik erfasst.

Kirchheim Knights (gelbe Trikots) - BG KarlsruheDJ Byrd
Kirchheim Knights (gelbe Trikots) - BG KarlsruheDJ Byrd

Kirchheim. Zahlen sind nicht alles. Nicht einmal in einer statistikverliebten Sportart wie dem Basketball. Weniger Rebounds, die schlechtere Wurfquote, ein deutlicher Rückstand und am Ende wieder der „Lucky Punch.“ Zweierlei hat man nach den Spielen der Knights daheim gegen Jena und am Samstag in Essen gelernt. Erstens: Man kann ein Spiel auch mit mehr als hundert Punkten verlieren. Zweitens: Man geht nicht zwangsläufig als Sieger vom Parkett, wenn man fast alle erfolgsrelevanten Statistiken dominiert. Es gibt zwei Größen, die in keiner Datensammlung der Welt auftauchen: Willensstärke und Kampfbereitschaft. Eine dritte kam am Samstag in Essen hinzu: Der nötige Dusel.

Wenn es stimmt, dass man Glück nicht einfach geschenkt bekommt, sondern, – wie der Volksmund behauptet – erzwingen muss, dann machen die Knights zurzeit vieles richtig. Dabei haben sie in Essen eine Halbzeit lang so gut wie alles falsch gemacht. Miserabel verteidigt, Rebounds dem Gegner überlassen und dumme Fouls sich eingehandelt. Nicht zum ersten Mal ist deutlich geworden, wo die Achillesferse der neuen Mannschaft sitzt. Nachdem Bryan Smithson schon nach drei Minuten und dem zweiten Foul eine Auszeit nehmen musste, konnte Coach Frenkie Ignjatovic sein taktisches Konzept bereits im Anfangsviertel in die Tonne klopfen. Fortan lief es rund, allerdings nur beim Gegner, wo ein hochmotivierter Chris Alexander gegen seinen alten Klub zu Höchstform auflief. Begünstigt durch die Tatsache, dass statt Wadlnbeißer Smithson sich nun Radi Tomasevic Essens Spielmacher an die Fersen heften musste. Pech für Kirchheim, denn dessen Defizite in der Defensive sind mindestens so berühmt wie seine Offensivqualitäten. Das Fehlen eines echten Spielmachers war in Essen über weite Strecken ein Handicap, das auch Spieler wie Rockmann oder Adeberg nicht wie gewohnt zum Zuge kommen ließ. Selten war ein Invalide so wichtig wie zurzeit Michael Baumer. Sein Einsatz am Wochenende hängt vom Urteil der Ärzte ab. Am vergangenen Freitag im Training stand der 23-jährige Guard, dessen Kinnverletzung nach einem Treppensturz mit fünf Stichen genäht werden musste, im Spiel Fünf gegen Fünf auf dem Feld. Gibt die medizinische Abteilung grünes Licht, könnte Baumer nach mehrwöchiger Zwangspause zumindest zu einem Kurzeinsatz kommen.

Coach Frenkie Ignjatovic ist überzeugt, dass sich an neuralgischer Stelle vieles von alleine regelt. Auch deshalb, weil sein etatmäßiger Spielmacher Woche für Woche wichtige Erfahrungen sammelt. Smithsons Foulanfälligkeit ist Teil des Lernprozesses: „Er hat lange pausiert und kennt Schiedsrichter und deren Toleranzgrenze in Europa nicht“, sagt sein Trainer. „Ihm seine Aggressivität zu nehmen, wäre aber völlig falsch.“ Der Erfolg gibt ihm recht, denn Aggressivität und Kampfgeist machen zurzeit den Unterschied aus. Ein Qualitätsmerkmal, das die ganze Mannschaft auszeichnet. Bis hin zu denen, die von der Bank kommen. Die beiden Nachwuchskräfte Ivan Buntic und Johannes Joos fügten sich am Samstag nahtlos ein und leisteten einen entscheidenden Beitrag zum hauchdünnen Sieg. Schlüsselfiguren an einem denkwürdigen Abend, an dem drei Schlussminuten reichten, um ein Spiel völlig auf den Kopf zu stellen, waren allerdings andere: DJ Byrd und Ben Beran. Der eine traf vom Start weg aus allen Lagen, der andere räumte nach einer schwachen ersten Hälfte unter den Körben fast alles ab. „Wir werden vermutlich noch einige Spiele verlieren“, beschreibt Ignjatovic den neuen Geist in der Mannschaft. „Aber wir geben niemals auf.“

An solchen Worten, werden sich er und die Mannschaft schon am Samstag messen lassen müssen. Mit BBL-Absteiger Gießen wartet der nächste schwere Gegner. Vorteil Kirchheim: Die 46er fahren in dieser Woche eine Doppelschicht. Bereits morgen empfängt die Mannschaft von Denis Wucherer in einem Nachholspiel des dritten Spieltages die Merlins aus Crailsheim. Im Lager der Knights hofft man, dass der Gegner dabei Kräfte lässt. Falls nicht, bleibt immer noch die Hoffnung auf die Kirchheimer Schlussminute.