Lokalsport

Unger setzt alles auf die Staffel-Karte

Wenn heute bei der Leichtathletik-EM in Helsinki die 100-Meter-Vorläufe anstehen, wird einer nicht dabei sein: Tobias Unger verzichtet vorsichtshalber auf einen Start. Das Risiko, sich im Hinblick auf die erfolgsversprechenderen Staffelrennen am Wochenende und die Olympiade in London zu verletzen, ist dem 32-jährigen Kirchheimer und seinem Trainer zu groß.

Helsinki. Dabei sein ist eben nicht immer alles. Anstatt sich auf der Königsstrecke der Sprinter mit den Besten Europas zu messen, übt Tobias Unger (mal wieder) Verzicht. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison muss der 2012 drittschnellste deutsche 100-Meter-Läufer auf seinen inzwischen 32-jährigen Körper hören. Die Gefahr, den in den vergangenen Wochen immer wieder zwickenden Oberschenkelbeuger in Helsinki zu überfordern, erscheint Unger und seinem Trainer zu groß, zumal die Witterung in Helsinki alles andere als sprinttauglich ist. 14 Grad und Regen sind für die Vorläufe am heutigen Mittwoch vorhergesagt. „Bei dem Wetter lasse ich ihn nicht laufen, seine Muskulatur hat schon zugemacht. Wir ordnen alles der Staffel unter“, erklärte Corucle gestern, warum sein Schützling am heutigen Mittwoch auf einen Start im 100-Meter-Vorlauf verzichtet.

Die Überlegung, die dieser Entscheidung zugrunde liegt, ist aus rationaler Sicht einleuchtend: Warum das Risiko eingehen, sich in einer Disziplin zu verletzen, in der die Erfolgsaussichten minimal sind – Unger ist mit seinen 10,26 Sekunden als 23. der europäischen 100-Meter-Bestenliste nach Helsinki gereist. Mehr als der Einzug ins Halbfinale wäre angesichts der übermächtigen Konkurrenz eine faustdicke Überraschung gewesen. In der Staffel hingegen zählt das DLV-Quartett, zu dem Unger aller Voraussicht nach gehören wird, am Wochenende zum Kreis der Medaillenanwärter, zumal man bei der EM vor zwei Jahren in Barcelona Bronze geholt hat. Gleichzeitig sollen die Witterungsbedingungen in Helsinki rechtzeitig zu den Staffelwettbewerben am Samstag (Vorläufe 10.20 Uhr) und Sonntag (Finale 17.25 Uhr) angenehmer werden. 20 Grad und Sonnenschein sind vorhergesagt.

Abseits aller EM-Überlegungen überlagert ohnehin ein anderes Thema alles in den Planungen von Tobias Unger: Olympia. Sollte es der Kirchheimer in die Staffel für London schaffen, winkt ein bislang einmaliger Rekord: Der Kirchheimer könnte der erste deutsche Sprinter werden, der zum dritten Mal hintereinander in ein olympisches Finale einzieht. Diese Aussicht ist zu verlockend, als sie durch einen Einzelstart in Helsinki zu gefährden. „Wenn er sich verletzt, wird er nicht für London nominiert“, so Corucle.

Aus dem gleichen Grund hatte übrigens DLV-Hürden-Ass Carolin Nytra gleich ganz auf einen Start in Helsinki verzichtet – dabei sein ist eben auch bei einer Europameisterschaft nicht immer alles.