Lokalsport

Vorolympische Glücksmomente

Für Manuel Fumic haben sich auf dem Weg nach London wichtige Dinge im Leben verändert

Gut fünf Monate sind es noch bis zu den Olympischen Spielen in London. Doch 2012 ist für Manuel Fumic schon jetzt ein Glücksjahr: Im November hat er seiner langjährigen Lebensgefährtin Anna das Jawort gegeben, Mitte Januar kam Söhnchen Hugo zur Welt. In seinem zwölften Profijahr im Mountainbike-Zirkus wirkt er so ausgeglichen wie nie.

Fumic, Manuel, Cannondale Factory Racing Team, , GER
Fumic, Manuel, Cannondale Factory Racing Team, , GER

Kirchheim. Wenn sich Muster wiederholen, muss man sachte an den Stellschrauben drehen. Das ist Alltag im Training eines jeden Spitzensportlers. Zumindest was die wichtigen Dinge im Leben betrifft, hat Manuel Fumic aufs Feintuning verzichtet und auf radikale Veränderung gesetzt. Seit dem 11. Januar jedenfalls ist im Apartment im Stuttgarter Westen nichts mehr wie es vorher war. Seit diesem Mittwoch sind die Fumics zu dritt und denken bereits laut über eine Rückkehr unter die Teck nach – raus aus der Großstadt, rein in eine kinderfreundlichere Umgebung. Neben Pulswerten und Laktattoleranz zählen plötzlich andere Dinge im Leben. „Ich denke nicht mehr jede Minute nur an Radsport“, sagt er mit einem entspannten Lächeln im Gesicht. Das klingt gefährlich, wenn jede Faser im Leib auf ein einziges Ziel ausgerichtet sein sollte, das 2012 Olympia in London heißt. „Ganz im Gegenteil“, sagt der 29-Jährige. Die Familienrolle motiviere ihn neu. „Anna und ich sind seit neun Jahren zusammen. Wir sind ein eingespieltes Team.“

Die Ziele für 2012 sind ohnehin die alten geblieben: Ein Podiumsplatz im Weltcup und zum dritten Mal der Versuch, sich den großen Traum von einer olympischen Medaille zu erfüllen. „Irgendwann muss es ja mal klappen“, sagt er. „Ich will nicht warten, bis Hugo so weit ist.“ Cool, lässig, so kennt man ihn. Jetzt hat man den Eindruck, dass er auch innerlich die richtige Balance gefunden hat. Er wirkt zufrieden, ohne selbstzufrieden zu sein. Mit 29 Jahren stimmt der Mix aus Erfahrung und Leistungsfähigkeit. Als Familienmensch, der er ist, fühlt er sich aufgehoben – im Privatleben wie auch im Team, das ihm Sicherheit und die nötigen Freiräume gibt. Der Vertrag mit Cannondale läuft noch bis zum Saisonende. „Ich will zeigen, dass ich der richtige Mann für die kommenden vier Jahre bin“, betont er.

Seit 2000 in Sydney, dem zweiten olympischen Rennen überhaupt in der Geschichte, ruhen die deutschen Hoffnungen auf dem Namen Fumic. Damals stand der Jüngere noch als Zuschauer an der Strecke, um seinem Bruder Lado einzuheizen. Der fuhr am Ende auf Platz fünf – nicht nur das beste Familienresultat, sondern das beste Abschneiden eines deutschen Bikers bisher im Zeichen der Ringe. Vier Jahre später in Athen war er es, der mit dem achten Platz die Familienehre rettete. Bei seiner zweiten Teilnahme in Peking vor vier Jahren verfehlte er die Top Ten als Elfter nur knapp. Sollte er am 12. August in Hadleigh Farm vor den Toren Londons zum dritten Mal bei Olympischen Spielen am Start stehen – was niemand ernsthaft bezweifelt – hätte er zumindest in diesem Punkt seinen Bruder überflügelt. Zwar könnte er sich vorstellen, auch 2016 in Rio noch im Sattel zu sitzen, doch er weiß: London ist die Chance, die vermutlich nicht wiederkommt und die er beim Schopf packen will. Dazu braucht es einen Tag, an dem alles passt. Die Übermacht der Schweizer, die an der Spitze der Weltrangliste einsam ihre Kreise ziehen, ist gewaltig. Die Eidgenossen haben mehr als ein halbes Dutzend Fahrer in ihren Reihen, die unter die ersten zehn fahren können.

Manuel Fumic reicht das Wissen um die Chance, ganz gleich, wie groß sie ist. Er ist ohne Krankheiten durch den Winter gekommen und hat sein Training an entscheidenden Stellen verändert, sich früher als sonst an härtere Einheiten gewagt und mehr Zeit im Fitnessstudio verbracht. Das alles für den nötigen Punch, den man braucht, um aufs Podium zu fahren. „Die Rennen sind kürzer und viel explosiver geworden“, sagt er. Ein Zugeständnis des Weltverbands UCI ans Publikum und ein weiterer Versuch, die Sportart in ein telegeneres Format zu pressen. Zweieinhalb Stunden Renndauer im Weltcup sind längst Geschichte. Selbst Fahrer aus der hinteren Startreihe bleiben heute durchweg unter der Zweistunden-Marke. Bei der WM im September in Saalfelden wird erstmals ein Titel im Sprint vergeben. Für die Fahrer stellen solche Veränderungen andere Belastungen dar. Da passt es nicht mehr ins Bild, wochenlang nur Grundlagenkilometer zu schrubben, für die obendrein immer weniger Zeit bleibt. Weltcup-Ziele wie Südafrika haben dafür gesorgt, dass die Saison bereits beginnt, wenn hierzulande oft noch Schnee liegt.

Dass Manuel Fumic noch immer der Ruf des allzu risikofreudigen Bruchpiloten vorauseilt, hat letztlich auch damit zu tun. „Wenn dir die hohen Belastungsspitzen hinten raus die Kraft rauben, machst du Fahrfehler, die zu Pannen führen.“ Ein Problem, dem er sich selbstkritisch stellt: „Nicht das Material ist schuld an Defekten, sondern fast immer der Fahrer.“ Am vergangenen Sonntag auf Zypern ist er zwar wieder nicht ohne Sturz über die Ziellinie gekommen, dafür blieb er Topleuten wie dem tschechischen Weltmeister Jaroslav Kulhavy bis zuletzt auf den Fersen und wurde am Ende Vierter.

Problem erkannt, Problem gebannt? Die vier Wochen zuvor in Südafrika, wohin er vor der deutschen Eiseskälte floh, scheinen jedenfalls Wirkung zu zeigen. Schließlich sind es nur noch vier Wochen bis zum Weltcup-Auftakt am Kap. Dort wird es gleich zur Sache gehen, denn einen Fehlstart kann sich im olympischen Jahr kaum einer leisten. Die Qualifikationsfrist für die Spiele endet am 22. Mai. Damit bieten nur die ersten vier Weltcup-Rennen Gelegenheit, die Norm noch zu knacken. Manuel Fumic könnte die Serie gelassen angehen: Den Grundstein für London hat er mit den Plätzen fünf und sechs schon in den beiden ersten Weltcup-Rennen der Vorsaison gelegt. Um den Kriterien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) genüge zu tun, würde 2012 eine Top-15-Platzierung reichen. Eine Rechnung, die im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) freilich keiner aufmachen dürfte. Der Kirchheimer gilt als feste Größe. Neben dem ebenfalls gesetzten Freiburger Moritz Milatz ist er der Einzige, dem man zutraut, in die Nähe der Medaillenränge zu fahren.

Spannend wird da schon eher die Frage, wer den dritten deutschen Startplatz einnehmen wird. Am dichtesten an der Norm ist der Schwabe Jochen Käß, die erfahrenere Variante hieße Wolfram Kurschat. Der 37-jährige Pfälzer ist international zwar ein routinierter Mann, den Nachweis, auf den Punkt hin fit zu sein, in der Vergangenheit aber meist schuldig geblieben. Nicht wenige in der Szene würden da viel lieber auf die Zukunft setzen und einem völlig Unerfahrenen aus der Garde der U 23-Fahrer die große Chance geben, Olympialuft zu schnuppern. Das entscheidende Wort haben dabei wie immer der Bundestrainer und zuletzt der DOSB.