Kirchheim

Sätze in der Ich-Form sprechen an

Spendenstand Kirchheim informiert unter den Rathausarkaden über das Mahnmal für zivile Opfer des Nationalsozialismus.

Kirchheim. Wo sonst alle möglichen Vereine und Organisationen Kuchen verkaufen, um Geld in ihre Kassen zu spülen, liefert die Stadt Kirchheim am morgigen Samstag Informationen: unter den Arkaden des Rathauses. Das Ziel ist dasselbe. Auch die Stadt Kirchheim will Geld in eine ihrer Kassen bekommen - und zwar in die Spendenkasse, die zur Hälfte das Denkmal für die zivilen Opfer des „Dritten Reichs“ finanzieren soll.

Wesentlicher Bestandteil des Denkmals sind Spruchbänder, die in kurzen Sätzen ganze Schicksale schildern. Die Ich-Form korrespondiert nicht immer exakt mit dem Inhalt, zumindest nicht, wenn man die Gesetze der formalen Logik anwendet. Trotzdem sprechen die Sätze ihre Leser unmittelbar an, gerade wegen ihrer Ich-Botschaften. Nur ein Beispiel dafür ist der Satz: „Ich bin auf der Flucht aus dem Osten im Mai 1945 zu Tode vergewaltigt worden.“

Auch wenn es makaber anmuten mag, aber zur Finanzierung des Mahnmals „verkauft“ die Stadt einzelne Sätze, notfalls auch portioniert: Der Preis für einen gesponserten Buchstaben liegt bei 13 Euro. In diesem Fall heiligt sicher der Zweck die Mittel. Und der Zweck besteht darin, auch an Opfer zu erinnern, die in der Anonymität oft übersehen werden.

Über die Hintergründe und das Aussehen des Mahnmals soll morgen also zwischen 10 und 12 Uhr ausführlich informiert und diskutiert werden. Mit dabei sind außer der Künstlerin Monika Majer und Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker auch andere Mitwirkende des Projekts, die an der Auswahl der Schicksale und der Sprüche beteiligt waren.

Zivile spenden für zivile Opfer

Die Spendenaktion gehört übrigens zum Konzept des Mahnmals, als Ausdruck dafür, dass sich die heutige Zivilgesellschaft für die damaligen zivilen Opfer einsetzt. Die angestrebte Summe dürfte schon bald erreicht sein: Zu den benötigten 21 500 Euro fehlen nicht mehr ganz 2 000 Euro. Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker betont aber, dass es gerne auch ein bisschen mehr sein darf. Mit den Spenden, die den Grundbetrag übersteigen, soll nämlich das Folgeprojekt finanziert werden. „Wir wollen noch eine Broschüre als Begleitheft herausgeben, in der die Hintergründe zu den Sprüchen aufgezeigt werden.“

Der Beginn des Mahnmalbaus auf dem Alten Friedhof ist für September vorgesehen. Zum Volkstrauertag am 19. November soll es bereits fertiggestellt sein. Angelika Matt-Heidecker: „Dann müssen wir schauen, wie wir das neue Mahnmal in den Ablauf der Gedenkfeier integrieren.“ Der Standort des Mahnmals liegt dem Kriegerdenkmal als Ort des Gedenkens genau gegenüber.Andreas Volz