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Der Neubau ist bereits veraltet

Ärgernis Kaum drei Jahre in Betrieb, müssen die Handwerker in der Kita Wirbelwind in Dettingen wieder ran. Der Grund: verschärfte Hygienevorschriften. Von Iris Häfner

Plötzlich gibt es im Wirbelwind zu wenig Waschbecken. Foto: Jean-Luc Jacques
Plötzlich gibt es im Wirbelwind zu wenig Waschbecken. Foto: Jean-Luc Jacques

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) ist „die neue Liebe“ von Dettingens Bürgermeister Rainer Haußmann. Gleich mehrfach hat es der Verband in jüngster Zeit geschafft, den Blutdruck des Schultes gewaltig in die Höhe zu treiben: bei der Kindertagesstätte Wirbelwind und der Kleinkindbetreuung „Am Breitenstein“.

In der Gemeinderatsitzung verschaffte er nun seinem Ärger ordentlich Luft: Alles läuft in geordneten Bahnen und ist geregelt - und dann kommt „dieses Raumschiff KVJS“ daher und bringt alles durcheinander. „Heute ist es eine Genehmigungsbehörde, früher nicht. Der KVJS verlangt Dinge, die nicht Gesetz sind. Die kommunale Seite ist empört“, wurde Rainer Haußmann deutlich.

Im März 2016 wurde die Tagesstätte Wirbelwind eingeweiht. Der Neubau nahe der Verbundschule kostete rund vier Millionen Euro und wurde bewusst für fünf Gruppen angelegt und gebaut, auch wenn zum Zeitpunkt der Eröffnung vier Gruppen ausreichend waren. Im kommenden Sommer startet dank steigender Kinderzahlen nun diese fünfte Gruppe Ü 3. Doch statt wie geplant den vorhandenen Raum einfach in Beschlag zu nehmen, ist nicht möglich - dem KVJS sei Dank. Der Neubau ist schon veraltet, denn die Hygienevorschriften wurden verschärft. Deshalb hat das nicht mal drei Jahre alte Gebäude massive Mängel im Sanitärbereich. Im Klartext heißt das: Es sind zu wenig Toiletten und Waschbecken vorhanden. „Wir folgern also: Alle Kinder gehen gleichzeitig auf die Toilette und waschen auch gleichzeitig ihre Hände“, zeigt der Schultes wenig Verständnis für diese verschärfte Vorschrift, zumal es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.

„Das macht jedem Häuslesbesitzer Freude, am neuen Haus den Presslufthammer einzusetzen und nochmals 134 000 Euro reinzustecken. Was für ein Wahnsinn“, sagte Rainer Haußmann, und weiter: „Da muss es einer Gesellschaft recht gut gehen, die solche Ansprüche stellt.“ Ausschließlich Kopfschütteln ob dieser Forderungen gab es auch im Gemeinderat. „Mich schmerzt, ein neues Gebäude zerstören zu müssen“, sagte Peter Beck, und Andreas Hummel wurde noch deutlicher und sprach auf gut Schwäbisch von einer „Granadasauerei“, was sich der KVJS da erlaube.

Der Ärger mit dieser Organisation ging im folgenden Tagesordnungspunkt gleich weiter. „Trotz Vorgesprächen gibt es bei der Kleinkindbetreuung ,Am Breitenstein‘ Schwierigkeiten mit der Betriebserlaubnis“, sagte Rainer Haußmann. Streitpunkt ist in diesem Fall eine Wand. Die wird für den Fall gefordert, sollte irgendwann mal nicht mit offenem Konzept gearbeitet werden. Dies ist jedoch nicht vorgesehen. Die Kinder sollen nicht nur in einem Raum „eingesperrt“ werden, sondern sich in der Einrichtung frei bewegen können. „Man will uns dazu zwingen, eine Wand einzubauen, die wir nicht brauchen. Aber wir sind ein Rechtsstaat, notfalls werden wir diese Frage prüfen“, gab sich Rainer Haußmann noch nicht geschlagen. Schließlich hatten sämtliche Behörden bereits ihr Okay für die Kleinkindbetreuung „Am Breitenstein“ gegeben. Doch dann war Endstation bei der Betriebserlaubnis, weil der KVJS eine Mauer fordert.

Trotz all der Hindernisse konnte Rainer Haußmann auch gute Nachrichten verkünden: Am 7. Januar wird auf jeden Fall „Am Breitenstein“ die erste Gruppe einziehen, geht das mit der Wand klar, kann bei Bedarf am 1. April die zweite in Betrieb gehen.

Die Frage der Verhältnismäßigkeit stellte sich an diesem Abend nicht nur den Verwaltungsmitarbeitern. Schließlich hat sich der KVJS selbst auf die Fahnen geschrieben, dass an oberster Stelle das Kindeswohl steht. Bei einer Bauzeit von sechs bis acht Wochen im Wirbelwind muss nun ein Zeitfenster gefunden werden, in dem die lärmintensivsten Arbeiten ohne Kinder stattfinden. An einer Interimsunterbringung wird wohl kein Weg vorbeiführen. Das bringt Einschränkungen für alle Beteiligten mit sich. „Wir sind doch im eigenen Interesse an einem guten Miteinander interessiert und sind im Dialog mit den Eltern und den Einrichtungen“, so Rainer Haußmann. Schließlich will Dettingen die Plätze schnell zur Verfügung stellen - und in der gewohnten Qualität. Kämmerer Jörg Neubauer wünscht sich mehr Pragmatismus und die Möglichkeit auf individuelle Lösungen.

Info Der KVJS ist das Kompetenzzentrum und der Dienstleister für die 44 Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg in den Bereichen Jugendhilfe, Soziales, Behinderung und Pflege, Integration schwerbehinderter Menschen in das Arbeitsleben, Medizinisch-Pädagogischer Dienst, Fortbildung und Forschung.

Der Waldkindergarten ist nicht aus den Augen

Angesichts der steigenden Kinderzahlen brachte Peter Beck den Waldkindergarten wieder ins Gespräch. Kämmerer Jörg Neubauer hatte kurz zuvor erklärt, er sehe den Waldkindi eher als Ergänzungsangebot. „Wir sollten den Waldkindi in die Bedarfsplanung aufnehmen, sonst sitzen wir im Mai wieder da und diskutieren möglicherweise über Notgruppen“, sagte Peter Beck und plädierte dafür, dieses Angebot schon im kommenden Jahr anzubieten.

„Der Bedarf wurde erkannt, die Planung läuft. Wenn die Sache entscheidungsreif ist, stellen wir dem Gemeinderat das Ganze vor. Quantitativ deutet es darauf hin, dass wir einen Wald- beziehungsweise Naturkindi brauchen“, erklärte Bürgermeister Rainer Haußmann und konnte damit die Sorge bei Peter Beck vertreiben, die Sache werde vertagt. ih