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Der Problem-Kandidat

AfD-Landeschef Meuthen fordert Günter Lenhardt zwei Wochen vor der Wahl zum Rückzug auf

Um Günter Lenhardt wird es einsam. Der Landtagskandidat der AfD im Wahlkreis Kirchheim wird wegen seiner umstrittenen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik für die Partei zum Problem. Der Landesvorstand würde seinen Kandidaten am liebsten loswerden. Doch dafür ist es zu spät. Die Wahl läuft schon.

Für den Kandidaten der AfD im Wahlkreis Kirchheim wird die Luft dünner.

Für den Kandidaten der AfD im Wahlkreis Kirchheim wird die Luft dünner. Der Filderstädter Günter Lenhardt verliert nach seinen Äußerungen zur Grenzsicherung gegenüber Flüchtlingen zunehmend Rückhalt in der eigenen Partei.  Foto: Horst Rudel/Carsten Riedl

Kirchheim. Es ist nicht das erste Problem der Alternative für Deutschland (AfD). Auch keines, das sich von anderen wesentlich unterscheidet. Nachdem die Bundeschefin Frauke Petry die Flüchtlingsdebatte vor Wochen mit der Feststellung befeuert hatte, man müsse die Außengrenzen notfalls auch mithilfe von Schusswaffen sichern, lud ihr Parteisoldat Lenhardt vergangene Woche in einem Zeitungsinterview nach. Einem Flüchtling sei es egal, ob er an der griechischen oder deutschen Grenze durch Schüsse sterbe, meinte der Stabsunteroffizier der Reserve. Und: „Wozu ist eine Waffe da, wenn nicht zum Schießen.“

Die Bundeswehr als Lenhardts Dienstherr hat schnell reagiert und den 59-Jährigen noch am Dienstag dieser Woche von der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Heidelberg abgezogen. Dort war Günter Lenhardt in der Röntgenabteilung mit für die Registrierung von Flüchtlingen zuständig. Inzwischen ist der Mann aus Filderstadt-Harthausen in den Innendienst versetzt worden. Das Verfahren zu dienstrechtlichen Konsequenzen läuft.

In der AfD tut man sich mit konsequenten Schritten deutlich schwerer. Lenhardt als Kandidat einfach abzuservieren geht nicht, denn er ist offiziell nominiert. Ein Parteiausschlussverfahren wäre langwierig und mit hohen Hürden versehen. Ein freiwilliger Rückzug kommt für den Bewerber, der neu ist im politischen Geschäft, solange nicht in Frage, bis sich der Parteivorstand klar zu seinen Vorwürfen geäußert habe. „Ich habe für mich noch keine Entscheidung getroffen“, sagte Günter Lenhardt gestern am Telefon. „Was meine weitere politische Zukunft angeht, verweise ich auf den Landesvorstand.“

Zumindest einer hat sich in der Sache bisher klar geäußert: AfD-Landeschef und Spitzenkandidat Jörg Meuthen hat am Rande einer Diskussionsrunde, an der auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Mittwochabend in Stuttgart teilnahm, Lenhardt aufgefordert, alle politischen Ämter abzugeben. Auch Vorstandsmitglied Bernd Grimmer distanzierte sich gestern deutlich: „Unser Wunschkandidat ist Herr Lenhardt nicht mehr.“ Entweder das Problem sei in zwei Wochen erledigt, oder er werde gewählt. „Dann müssen wir neu entscheiden, ob wir wollen, dass Herr Lenhardt für unsere Partei ins Parlament einzieht,“ sagt Grimmer. Der Landesvorstand der AfD trifft sich das nächste Mal am Wochenende. Dann soll über das Thema intensiver beraten werden.

Für parteiinterne Aufregung hatte gesorgt, dass Lenhardt sich zunächst nicht von seinen Äußerungen distanzierte. Er stehe zu dem, was er gesagt habe. „Das Problem haben andere“, gab der 59-Jährige noch am Dienstag bekannt. Stattdessen vertrat Lenhardt die Meinung, die mediale Aufmerksamkeit könne im Wahlkampf gar nützlich sein. Inzwischen hat sich der gesamte AfD-Kreisverband Esslingen, dessen Sprecher Günter Lenhardt noch immer ist, vom Gesagten verabschiedet. „Die Worte waren missverständlich gewählt. Ich bitte um Entschuldigung, wenn sich dadurch jemand angegriffen fühlen sollte“, so der Wortlaut einer schriftlichen Erklärung vom Mittwoch. Am Telefon klang das gestern weniger deutlich. Dort sprach Lenhardt von einem „handwerklichen Fehler“, der einem Polit-Anfänger schon mal unterlaufen könne.

An seinem Fahrplan im Wahlkampf will Lenhardt weiter festhalten. Kommenden Donnerstag wird er ab 19 Uhr im Gasthaus „Teckblick“ in Dettingen einen Informationsabend abhalten. Ein wesentlicher Punkt wird die Flüchtlingspolitik sein.

„Die Briefwahl ist in vollem Gang“

Appell vom Landeschef AfD-Spitzenkandidat und Landeschef Jörg Meuthen würde Günter Lenhardt gerne von allen politischen Aufgaben in der Partei entbinden. Auf den Wahlverlauf hätte dies allerdings keinerlei Auswirkungen. Lenhardt ist von den Delegierten seiner Partei als Kandidat aufgestellt, er hat der Kandidatur zugestimmt und wurde vom Kreiswahlausschuss am 19. Januar als Bewerber für die Wahl zugelassen. Sein Name bleibt damit auf jeden Fall auf dem Stimmzettel. Jede Stimme, die er bis zum Wahlabend am 13. März erhält, zählt. Kein Nachrücken möglich „Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt kein Zurück mehr“, sagt der Leiter des Kreiswahlamts im Esslinger Landratsamt, Klaus Neckernuss. Ein Nachrücken von Ersatzbewerbern ist auch im Falle von Krankheit oder Tod nur bis zur Feststellung der Kandidaten und deren Zulassung durch den Kreiswahlausschuss möglich. Die Wahl hat begonnen Die Landtagswahl läuft bereits. Das Esslinger Landratsamt hat vor knapp zwei Wochen die Wahlunterlagen an die Städte und Gemeinden verschickt. „Die Briefwahl ist in vollem Gange“, sagt Kirchheims Wahlamtsleiter Jochen Schilling. Mehr als 2 600 Kuverts wurden schon verschickt. Einige davon warten im Rathaus bereits darauf, am Wahltag geöffnet zu werden. Mandat auch ohne Partei Auch für den Fall, dass Lenhardt von allen politischen Ämtern entbunden oder von seiner Partei ausgeschlossen würde, hätte das keine Auswirkungen auf einen möglichen Einzug in den Landtag. „Er steht auf dem Stimmzettel und wäre gewählt, egal, ob er einer Partei angehört oder nicht“, stellt Landeswahlleiterin Christiane Friedrich klar. Gesetzt den Fall, Lenhardt erhielte genügend Stimmen für einen Einzug ins Parlament, bliebe nur noch ein Schritt, der das verhindern könnte: Er nimmt die Wahl nicht an. bk