Weilheim · Lenningen · Umland

Die „Patina“ der SpielzeugautosKommentar

Persönliche Bedürfnisse und allgemeine Belange lassen sich oft nur schwer miteinander in Einklang bringen. Überaus persönlich sind die Bedürfnisse, die Menschen entwickeln, wenn es darum geht, Gräber zu schmücken – insbesondere Kindergräber. Auch für Kinder, die gar nicht lebendig geboren wurden, haben Eltern diese Bedürfnisse. Wenn nach einigen Jahren Hunderte von Eltern einen persönlichen Bezug zur selben Grabfläche haben, dann liegen dort im Lauf der Zeit Tausende von Gegenständen.

Jeder einzelne Gegenstand hat seinen Sinn und seine tiefere Bedeutung: für diejenigen, die ihn dort abgelegt haben. Der „Zahn der Zeit“ nagt aber irgendwann an den vielen Spielzeugautos, Engelfiguren oder Gedenksteinen. Für die Eltern ist das allenfalls eine „Patina“, die sie wehmütig macht, weil schon so viel Zeit verstrichen ist seit der Bestattung des kleinen Lebewesens, das doch nie leben durfte außerhalb des Mutterleibs. Und deshalb ist dieser Gegenstand – trotz seiner Unansehnlichkeit – besonders wichtig, weil er eben von Anfang an auf diesem Grab liegt.

Wer die Sache als Unbeteiligter betrachtet, kann dagegen schnell auf den Gedanken kommen, dass man da „mal aufräumen müsste“. Aber es ist dann nicht unbedingt der richtige Weg, wirklich gleich alles abzuräumen. Eine schriftliche Information am Rand des Grabfelds wäre sicher eine Möglichkeit gewesen, über ein paar Wochen hinweg alle Eltern zu „erreichen“, die das Grab nach wie vor regelmäßig besuchen.

Jetzt, nachdem der „Kahlschlag“ einmal erfolgt ist, geht es um ein sorgfältiges Austarieren der Interessen: Die Stadt täte gut daran, das Grab zu pflegen, es aber nicht peinlichst genau sauber zu halten. Und die Eltern sollten – im eigenen Interesse – nicht zu viel dort ablegen, keine eigenen Büsche pflanzen und den einen oder anderen Gegenstand selbst entfernen, bevor er allzu unansehnlich geworden ist.ANDREAS VOLZ