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Extremes Exkremente-Experiment

Zugegeben: Das Foto, das uns ein aufmerksamer Anrainer zugeschickt hat, ist nicht mehr ganz aktuell. Aber aus aktuellem Anlass bietet es ganz neue Möglichkeiten zur Betrachtung. Plötzlich wirkt das Bild nämlich völlig anders – im Jahr 2016, dem Jahr, in dem die Stadt Kirchheim die „nette Toilette“ abgeschafft hat.

Kirchheim. Ein heftiges „menschliches Rühren“ muss da jemand verspürt haben. Und ohne die nette Toilette fühlte sich der oder die Unbekannte wohl dermaßen in die Ecke gedrängt, dass es keinen Ausweg mehr zu geben schien, als mit der zweiwandigen Freilufttoilette ohne Wasserspülung vorlieb zu nehmen. Dass das Corpus Delicti, das hier als ein Häuflein Elend mitten in Kirchheim hinterlassen wurde, von einem Mitmenschen stammt und nicht etwa von einem Tier, lässt sich aus dem ebenfalls hinterlassenen Papier schließen.

War dieser Notdurftfall ein Notfall? Dafür spräche die nur notdürftig versteckte Stelle, an der sich der Übeltäter an sein Geschäft gemacht hat. Die andere Möglichkeit wäre natürlich ein politischer Protest. Man könnte es dann als konsequente Weiterentwicklung des in die Jahre gekommenen „Sit-in“ betrachten. Aus dem unkonventionellen Sitzstreik gegen das Ende der netten Toilette hätte sich somit – nach gelöster Blockade – die neue Protestform des „Shit-in“ ergeben.

Aber an diesem stillen Örtchen dürfte es sich selbst im Fall eines politisch gemeinten Manifests lediglich um eine Form des stillen Protests handeln. Himmelschreiender wäre diese zum Himmel stinkende Kundgebung – sofern sie als solche gedacht war – rund 50 Meter weiter westlich gewesen. Denn dort steht das Rathaus, der Ort, an dem die politische Entscheidung gegen die nette Toilette gefallen war.

Bleibt noch eine andere Frage: Hätte sich das extreme Exkremente-Experiment durch die nette Toilette verhindern lassen? Wohl nur dann, wenn es tatsächlich politisch motiviert gewesen wäre. Gäbe es die nette Toilette in Kirchheim weiterhin, bestünde ja gar kein Grund, gegen ihre Abschaffung zu demonstrieren, indem man einfach im öffentlichen Raum defäkiert.

Wahrscheinlich war es aber doch ein besonderer Notfall, der zu dieser Untat geführt hat und der auch durch die nette Toilette nicht zu verhindern gewesen wäre. Schließlich sind die Öffnungszeiten der netten Toilette identisch mit den „Geschäftszeiten“ der Läden und Einrichtungen, die sich an diesem Angebot beteiligen. Nette Toiletten sind also – von denen in Gaststätten abgesehen – zwischen spätem Vormittag und frühem Abend öffentlich zugänglich. Genau in dieser Zeit ist es aber keineswegs zu empfehlen, sich an der Stelle, an der unser Bild entstanden ist, in dieser Form zu erleichtern. Die Gefahr, von Zeugen beobachtet zu werden, ist dort bei Tageslicht zu groß.

Und was hat das alles mit dem dezenten Hinweisschild zu tun, dass dieses Örtchen für Mitarbeiter der Stadtverwaltung reserviert sein soll? Wohl gar nichts. Das Schild war für die Nutzung der Stelle als Parkplatz gedacht und nicht für ihre Zweckentfremdung als Lokus. So weit geht die Stadt Kirchheim mit ihren Einsparbemühungen dann auch wieder nicht, dass sie ihren Mitarbeitern jetzt nur noch diese eine – in jeder Hinsicht öffentliche – Toilette zur Verfügung stellen würde.