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„Man muss sich ordentlich ranhalten“

Angehende Schreiner arbeiten an ihren Gesellenstücken – Ausstellung am 26. Juli

In der Schreiner-Innung Esslingen-Nürtingen arbeiten derzeit rund 30 Auszubildende an ihren Gesellenstücken. Einer davon ist Frieder Hess. Er lernt in Kirchheim in zwei Betrieben und hat sich selbst eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt: ein Bett und ein Nachtkästchen aus Rüster, dem Holz der Ulme.

Der Auszubildende Frieder Hess arbeitet bei der Schreinerei Martin Schreiber in Kirchheim an seinem Gesellenstück, einem Bett mi
Der Auszubildende Frieder Hess arbeitet bei der Schreinerei Martin Schreiber in Kirchheim an seinem Gesellenstück, einem Bett mit Nachttisch. Die zum Trocknen eingespannten Teile links und der Korpus rechts im Bild gehören zum Gesellenstück. Foto: Peter Dietrich

Kirchheim/Nürtingen. Zwei Wochen mit 80 Arbeitsstunden haben die rund 30 Auszubildenden, unter ihnen auch einige Frauen, für die Fertigung Zeit. „Man muss sich ordentlich ranhalten“, sagt Frieder Hess. Er musste nicht nur eine exakte Zeichnung erstellen, sondern sich auch den Fertigungsablauf überlegen, Trockenzeiten von Leim und Lack berücksichtigen. Bei der ersten Abgabe seiner Zeichnung hat ihm der Schaumeister Tipps gegeben. Er kommt auch während der Fertigung unangemeldet vorbei – nicht dass da ein Azubi unerlaubte Hilfe bekommt. Die Zeichnung muss nicht mehr aus Tusche sein, längst hat der PC Einzug gehalten. Dennoch hat sich Hess noch einen ganz klassischen Brettriss mit allen Längenmaßen gefertigt. Ob sein fertiges Werkstück mit der Zeichnung übereinstimmt, wird bei der Benotung genau kontrolliert.

„Was Frieder macht, ist schon ehrgeizig“, sagt sein Chef Martin Schreiber. Für sein 200 mal 140 Zentimeter großes Bett hat Hess eine Sondergenehmigung des Prüfungsvorsitzenden gebraucht, denn die Fläche ist größer als sonst für ein Gesellenstück zulässig. Sein Holz hat er sich beim Holzhändler selbst ausgesucht. Durch Anfeuchten mit Speichel kann er simulieren, wie es später lackiert aussieht. Der Korpus des Nachtkästchens wird aus MDF-Platten gefertigt. Sie exakt auf Gehrung zu sägen, brachte Hess ins Schwitzen. Er arbeitet auf den zehntel Millimeter genau und achtet darauf, dass er für eine bestimmte Länge die Säge nur einmal einstellt. „Man muss die Mitte zwischen schnell und sorgfältig finden“, sagt Hess. „Wenn es nicht genau passt, ist es hinterher mehr Arbeit, das hinzukriegen.“ Wenn er abends zu Hause ist, lässt er sich die Schritte für den nächsten Tag gründlich durch den Kopf gehen. „Der Azubi hat das selbst in der Hand“, sagt sein Chef zum Gesamtprojekt „Gesellenstück“. Bei Frieder Hess muss dieses natürlich zerlegbar sein, wie sonst sollte es zur Benotung gelangen. Schreiber ist für Hess nur einer von zwei Chefs, Hess lernt gleichzeitig bei ihm und in der Kirchheimer Stadtschreinerei. Alle drei Monate wechselt er den Betrieb. Die Kooperation der Stadt mit privaten Betrieben, die es seit einigen Jahren gibt, findet er gut: „Das Spektrum ist größer.“ Er will weiterhin als Schreiner arbeiten und hat sich entsprechend beworben. Bei seinem Gesellenstück hat er einige Vorgaben zu beachten: So muss er einen von Hand gezinkten Schubkasten fertigen und eine Klappe mit von Hand eingelassenen Bändern. Hess fertigt zwei Schubkästen und hat sogar ein Geheimfach inte­griert. Ihm geht es nicht nur um eine gute Note. „Man lernt auch viel dabei.“

Wenn die Gesellenstücke nach der Benotung ausgestellt sind, nimmt mancher Besucher ein Geheimfach als Quiz: Wie geht das denn auf? Damit nur geschaut und gegrübelt und nicht Hand angelegt wird, bewacht mancher Auszubildende sein Werk ganz persönlich. So kann er auch gleich Fragen beantworten. Rein rechtlich würde ein Gesellenstück der Firma gehören: Sie hat Zeit und Material bezahlt. Doch Schreiber kennt keinen einzigen Betrieb, der darauf Anspruch erhebt. pm

Am Samstag, 25. Juli, ab 8 Uhr macht sich in der Nürtinger Philipp-Matthäus-Hahn-Schule die Bewertungskommission an die Arbeit. Ihr gehören nicht nur Schreinermeister, sondern auch Angestellte und Lehrer der Schule an, sie hat alle rund 30 Gesellenstücke im Überblick. Interessierte bekommen diesen Überblick ebenfalls: Am Sonntag, 26. Juli, von 10 bis 16 Uhr steht die Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen, Kanalstraße 29, allen offen. Nach der Ausstellung sind die Gesellenstücke auf www.schreiner-es-nt.de zu sehen.