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Nicht nur für Hunde lebensgefährlich

Giftköder sind der Albtraum eines jeden Hundehalters

Nicht jeder ist ein Fan von Hunden. Eine Rechtfertigung zum Auslegen von Ködern, die mit Gift oder Rasierklingen versehen sind, ist das aber noch lange nicht. Die präparierten Futtermittel sind nicht nur eine Gefahr für den besten Freund des Menschen, sondern auch für wild lebende Tiere und unter Umständen sogar für Kinder.

So unbefangen kann ein Hund über die Wiese tollen, wenn man keine Angst vor Giftködern zu haben braucht.Foto: Daniela Haußmann
So unbefangen kann ein Hund über die Wiese tollen, wenn man keine Angst vor Giftködern zu haben braucht.Foto: Daniela Haußmann

Kirchheim/Stuttgart. Im Oktober vergangenen Jahres wurde für Angelika Matt-Heidecker der Albtraum eines jeden Hundehalters zur bitteren Realität. Ihr Riesenschnauzer hatten einen mit Gift präparierten Köder gefressen. Vierzehn Tage lang ließ die Kirchheimer Oberbürgermeisterin nichts unversucht, um ihrem treuen Gefährten das Leben zu retten. Doch die Nieren versagten, das Tier nahm kaum noch Nahrung auf und verlor zusehends an Gewicht.

Was bleibt ist die Erinnerung an einen sechsjährigen Rüden, der seinem Frauchen morgens die Zeitung aus der Hand stupste, um Streicheleinheiten zu erhalten, der frisch zubereitete Rouladen stibitzte, durch den Garten tollte und liebevoll mit Matt-Heideckers Enkelkind spielte. „Lido war ein Familienmitglied, erzählt die Rathauschefin. „Trotz seiner stolzen 60 Kilo hielt er sich selbst für einen unwahrscheinlich zierlichen Hund, der gern auf meinem Schoß saß und dort Nähe suchte. Angelika Matt-Heidecker, die jedem Hundehalter ungetrübte Spaziergänge wünscht, gibt jedem der Köder mit Gift, Scherben, Nägeln, Rasierklingen und Ähnlichem auslegt zu bedenken, dass nicht nur Hunde oder Katzen, sondern auch Wildtiere und Kinder ihren Attacken zum Opfer fallen können. „Ich möchte mir nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn mein Enkel auf den Köder gestoßen wäre, sagt Matt-Heidecker.

Ob die Zahl der durch Giftköder verursachten Zwischenfälle zugenommen hat, lässt sich laut Dr. Cornelie Jäger nicht definitiv feststellen. „Ich habe allerdings den Eindruck, dass es in den letzten Jahren zu einer Zunahme gekommen ist, berichtet die Landestierschutzbeauftragte. „Gestiegen ist aber vor allem in Stadtgebieten die Zahl der Hunde. Das bestätigt Angelika Matt-Heidecker auch für Kirchheim. In der Teckstadt sind ihrem Eindruck nach mehr Hunde unterwegs als früher. Gerade deshalb sei im öffentlichen Raum gegenseitige Rücksichtnahme wichtig. Das gilt der Oberbürgermeisterin zufolge insbesondere für Routen, die von Hundehaltern, Spaziergängern, Familien oder Freizeitsportlern gerne genutzt werden.

„Wer mit seinem Vierbeiner unterwegs ist, sollte sich bewusst machen, dass es Menschen gibt, die vor Hunden Angst haben, so Angelika Matt-Heidecker. „Radfahrer, Jogger, Inlineskater oder Spaziergänger, denen Hunde nicht geheuer sind, können den Halter auch durch Zurufen bitten das Tier kurz anzuleinen. Wichtig sei darüber hinaus, dass des Menschen bester Freund, so groß oder klein er auch sein mag, gut erzogen sei. „Die Erziehung leistet einen Beitrag zur Konfliktvermeidung und erhöht für Hund und Halter die Freude am Spaziergang, erklärt die Rathauschefin. „Gleichzeitig sollten die Besitzer offen für Kritik und Bedenken sein. Es sei allemal besser, dass Nachbarn, die sich beispielsweise durch Gebell gestört fühlen, dies offen ansprechen, als dass ein Konflikt auf dem Rücken des Tieres ausgetragen werde.

Eine Meinung die Cornelie Jäger teilt. Sie bemängelt, dass gerade mit Blick auf Hundehasser, die Giftköder auslegen, ein kommunikatives und offenes Konfliktverhalten fehlt. „Stattdessen werden Probleme, die vielleicht auf den Halter zurückzuführen sind, auf das Tier projiziert, das im schlimmsten Fall qualvoll verendet, erklärt die Veterinärmedizinerin. Eine Lösung sei das nicht. Laut Dr. Markus Wierich vom Veterinäramt des Landratsamtes Esslingen können Personen, die nachweislich manipulierte Köder auslegen, mit einer Geldstrafe belegt werden. „Führt das präparierte Futtermittel beispielsweise zum Tod eines Hundes, kann ein überführter Täter nach dem Tierschutzgesetz mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden, berichtet der Fachmann.

Laut Thomas Pitzinger, Leiter des Polizeireviers Kirchheim, kann jeder, der einen Giftköder findet, diesen bei den Ordnungshütern abgeben. „Gleiches gilt für das Erbrochene von Hunden, die nach tierärztlichem Befund präparierte Futtermittel aufgenommen haben, so Pitzinger. „Wir leiten diese Beweismittel zur Spurensicherung an unsere spezialisierten Kollegen weiter. Auch Hinweise auf verdächtige Personen würde die Polizei entgegennehmen.

Angelika Matt-Heidecker bietet Hundehaltern und deren Kritikern an, sich bei Problemen, aber auch mit Anregungen und Wünschen, in einer sachdienlichen E-Mail an die Stadtverwaltung zu wenden: „So kann im Rathaus nach Lösungen gesucht oder am runden Tisch von Hundehaltern und verärgerten Bürgern ein Kompromiss erarbeitet werden.

Nicht in Panik geraten

Cornelie Jäger
Cornelie Jäger

Frau Jäger, was raten Sie Hundehaltern?

CORNELIE JÄGER: Ich rate dazu, einen kühlen Kopf zu bewahren. Viele Halter nutzen soziale Medien, um sich über Köderfunde auf ihren ­Gassirouten zu informieren. Das wissen auch Menschen, die eine Abneigung gegen Hunde haben, aber keine Köder auslegen. Stattdessen posten sie in einschlägigen Foren über angebliche Köderfunde. Ihr Ziel ist es, unter Hundehaltern Angst zu verbreiten, damit die bestimmte Gebiete beim Spaziergang meiden.

Was tun, wenn der Hund einen Köder gefressen hat?

JÄGER: Grundsätzlich gilt beim ­Gassigehen, dass der Halter seinen Hund im Auge behält. Wenn er länger an einer bestimmten Stelle verweilt, sollten Frauchen und Herrchen sich vergewissern, ob der Hund tatsächlich nur schnüffelt oder tatsächlich auf ein mit Gift oder scharfen Gegenständen präpariertes Futtermittel gestoßen ist. Wenn sich der Hund während oder nach dem Spaziergang übergibt und der Halter nicht sicher ist, ob sein Vierbeiner unterwegs etwas Problematisches gefressen hat, sollte das Erbrochene eingesammelt und ein Tierarzt aufgesucht werden. Dem Tierarzt kann das Erbrochene dann dabei helfen, die passende Behandlung einzuleiten. Außerdem kann das Material danach für toxikologische Untersuchungen genutzt werden.

Und wenn der Vierbeiner einen Köder mit scharfen Gegenständen aufgenommen hat?

JÄGER: Dann ist davon abzuraten, den Hund zum Erbrechen zu bringen. Das würde nur zu weiteren inneren Verletzungen führen und seinen Zustand verschlimmern. In solchen Fällen hilft dann häufig nur eine Operation.

Kann ein runder Tisch, der von einer Gemeinde- oder Stadtverwaltung einberufen wird, dazu beitragen, Konflikte rund um den Hund zu adäquat zu lösen?

JÄGER: Auf Routen, die nicht nur von Hundehaltern, sondern auch Freizeitsportlern, Familien und Spaziergängern gerne genutzt werden, können natürlich Konflikte entstehen. Am runden Tisch lässt sich sicher zwischen allen Parteien ein Kompromiss finden. Bei vielen kommunalen Themen werden heute Bürgerbeteiligungsprozesse angestoßen. Das würde sich auch mit Blick auf Hunde anbieten, wenn Probleme bestehen.