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Schluss mit Kaffeehaus-Feeling

1981 übernahm Wolfgang Moser das "Café Moser" von seiner Mutter. Neben der Zuckerbäckerei hatte der Konditor immer ein offenes Ohr für seine Kundschaft, Bekannten und Freunde. Ab 29. Februar ist das Café erst einmal geschlossen. Schwester und Nichte übernehmen den Betrieb und wollen die Räume verpachten.

Wolfgang Moser gibt nach 35 Jahren das Café Moser ab.Fotos: Jean-Luc Jacques

Wolfgang Moser gibt nach 35 Jahren das "Café Moser" ab. Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Wolfgang Moser geht durch den Hintereingang in sein "Wohnzimmer", die Stube des "Café Moser", das er vor 35 Jahren von seiner Mutter Leopoldine Moser, kurz Poldi, übernommen hat. Es riecht dezent nach Gebackenem und frisch gebrühtem Kaffee. In der Theke liegen ordentlich aufgereiht Baisers, Flammende Herzen, Torten und Pralinen. "Die Konditorei, das ist eine ganz sinnliche Angelegenheit", sagt Moser, während er den Blick über die kleinen, runden Tische und Bänke aus dunklem Holz schweifen lässt. Noch ist es still im Café, geöffnet wird erst am Nachmittag. Dann werden Menschen kommen, die für Wolfgang Moser inzwischen viel mehr sind als Kunden. Und dann wird sich auch der vertraute Geräuschpegel einstellen, der für ihn mindestens genauso wichtig ist wie das Herstellen feiner Backwaren.

Wolfgang Mosers Großvater Paul Moser schrieb in einer Anzeige im Teckboten am 9. August 1913 zu seiner Amtsübernahme: "Es wird mein eifrigstes Bestreben sein, mein ganzes Können und meine bisher gesammelten Erfahrungen in den Dienst des von mir übernommenen Geschäftes zu stellen und meine werte Kundschaft mit frischer einwandfreier Ware in jeder Hinsicht zu befriedigen und bitte um geneigten, wohlwollenden Zuspruch." Vor Mosers Übernahme wohnten bereits die Konditoren Wilhelm Reusch sowie Carl Heilemann und dessen Sohn Karl in dem Haus. Damals versorgten sie die Kirchheimer aber nicht nur mit süßen Leckereien wie Honiglebkuchen, Anis- und Zedernbrot, sondern auch mit Stiefelwichse, Senf, Essig und Champagner, Kölnisch Wasser, Abführmittel, Frostsalbe, Gichtpapier und Steinkitt.

Paul Moser war der Erste, der aus dem Laden ein Café machte. 1951 legte Kurt Moser das Fachwerk des Hauses frei. 30 Jahre später warf dessen Sohn Wolfgang Moser die in den 60er-Jahren beliebten Nierentische aus dem Café hinaus und richtete es im heute bekannten Stil – eine Anlehnung an den Wiener Kaffeehaus-Stil – ein. So manche Ehe habe sich in seinem Café angebahnt, erzählt Moser mit einem Lächeln. Er schätzt traditionsreiche Kaffeehäuser wie das "Café Ger­beaud" in Budapest und das "Café Central" in Wien. Gearbeitet hat der Konditor selbst in Frankfurt und im "Café Sprüngli" in Zürich. 1978 machte er seine Meisterprüfung in Stuttgart und übernahm 1981 das "Café Moser" von seiner Mutter, die den Laden nach dem Tod ihres Mannes bis dato allein mit drei Kindern geführt hatte.

Während Moser erzählt, klopfen immer wieder Bekannte an die Scheibe, klingelt das Telefon. Einige geben Bestellungen auf, andere rufen an, um sich auszutauschen. Eine langjährige Kundin kommt vorbei, bekommt einen frischen Kaffee serviert. Die Qualität des Kaffees fange mit der Bohne an, so der Konditor, weshalb er sich den Kaffee auch etwas kosten lasse. Die Milch gibt er in kleinen Kännchen aus, von Milchdosen aus Plastik hält er nichts; ebenso wenig wie von Convenience-Backwaren aus der Fabrik. Die immer größer werdenden Müllsäcke beschäftigen ihn und die steigende Konkurrenz durch Backshops – ein Problem, das ihn vor allem im Hinblick auf seine beiden Auszubildenden umtreibt, die vor der Schließung des Cafés ihre Ausbildungen beenden konnten. Durch Nischen-Angebote könne man sich in der Branche heute am ehesten auf dem Markt halten, meint der erfahrene Konditor.

Ende Februar wird Wolfgang Moser aus gesundheitlichen Gründen das Geschäft an seine Schwester Heidrun Becker und deren Tochter Anna abgeben. Diese wollen das Interieur weitgehend so belassen und die Räume verpachten. Eventuell wird es eine Zwischenlösung geben, das ist bislang aber unklar.

Seinem nahenden Ruhestand blickt Moser "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" entgegen. 48 Jahre lang ist er jetzt fast jeden Morgen um fünf Uhr aufgestanden. Er sieht sich nicht als Rentner, will jetzt mehr Klavier spielen, Jazzkonzerte und Cafés besuchen und den Kontakt zu seinen Freunden pflegen – und wahrscheinlich auch noch den ein oder anderen Kuchen backen. Obstkuchen. Den mag er am liebsten.

Das "Café Moser": eine lange Tradition

Der Ursprung des Cafés wird auf 1847 datiert; damals eröffnete Carl Heilemann im selben Gebäude eine Konditorei, Metzgerei und Gewürzwaren-Handlung (damals "Spezerei" genannt). Das Haus selbst, in dem zuvor bereits Wilhelm Reusch eine Konditorei betrieben hatte, wurde 1691 gebaut, direkt nach dem Kirchheimer Stadtbrand. Im März 1885 übernahm Heilemanns Sohn Karl die Konditorei. 1913 übergab dieser das Geschäft an seine Tochter Mathilde und ihren Mann Paul Moser, einen Konditor aus Schorndorf. Zum einhundertjährigen Jubiläum 1947 übernahm Adoptivsohn Kurt Moser mit seiner Frau, der Tirolerin und gelernten Krankenschwester Leopoldine Moser, das Café. Diese führte den Betrieb nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1963 bis zur Übernahme durch Wolfgang Moser im Jahr 1981 weiter. Ab Montag, 29. Februar, ist das traditionsreiche Café bis auf Weiteres geschlossen. lese