Zwischen Neckar und Alb

Immer mehr erkranken an Demenz

Pflege Der Sozialpsychiatrische Dienst für alte Menschen (SOFA) kümmert sich um Leute mit Alzheimer und ähnlichen Erkrankungen. Die Patienten werden konstant jünger. Von Matthäus Klemke

In den Jahren 2010 bis 2016 nahm der SOFA durchschnittlich 363 neue Patienten auf. 2017 waren es 417.Archiv-Foto: Jean-Luc Jacqu
In den Jahren 2010 bis 2016 nahm der SOFA durchschnittlich 363 neue Patienten auf. 2017 waren es 417.Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Das Modellprojekt SOFA wurde 1985 aus der damaligen psychiatrischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Nürtingen heraus gegründet. Seitdem kümmern sich die Mitarbeiter um Menschen ab 65 Jahren, die an einer psychischen Erkrankung leiden. Wer an Demenz erkrankt ist, wird unabhängig vom Alter betreut. Die Mitarbeiter besuchen die Menschen zu Hause, erledigen Einkäufe für sie, entsorgen Müll, begleiten sie zum Arzt. Außerdem betreuen sie Angehörige, die häufig mit der Situation überfordert sind.

Nun kommen die zehn SOFA-Mitarbeiter, die im Landkreis unterwegs sind, selbst an ihre Grenzen. „Der demografische Wandel führt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Anteils der älteren Menschen. Damit einhergehend ergibt sich eine Steigerung des Anteils der psychisch kranken älteren Menschen“, heißt es im Tätigkeitsbericht von SOFA. „Die Gruppe der über 80-Jährigen steigt seit 2005 kontinuierlich“, so der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Hartwig von Kutzschenbach.

Dagegen sei bei den Personen zwischen 60 und 70 Jahren ein starker Rückgang zu verzeichnen. Knapp 70 Prozent der Patienten sind bei der Aufnahme 75 Jahre und älter. Das Durchschnittsalter steigt. „Besonders erschreckend ist, dass wir immer mehr Menschen unter 65 Jahren zugewiesen bekommen, die an Demenz leiden“, so von Kutzschenbach. Häufig werde die Erkrankung bei jungen Leuten sehr spät erkannt: „Die Arbeitsleistung lässt nach, oft wird dann fälschlicherweise eine Depression oder Burn-out diagnostiziert.“

Mit einem Anteil von 46,3 Prozent sind Leute mit Demenz die mit Abstand größte Gruppe der zu Betreuenden. Mit 29 Prozent bilden Depressionskranke die zweitgrößte Gruppe.

Seit den 90er-Jahren habe sich die Zahl der jährlichen Aufnahmen bei SOFA mehr als verdoppelt. Insgesamt wurden seit 1990 8 429 Patienten neu aufgenommen. Von 2010 bis 2016 hatte sich die jährliche Zuweisung bei durchschnittlich 363 Personen eingependelt. „Im vergangenen Jahr gab es mit 417 Personen die höchste Zuweisung seit es SOFA gibt“, sagt Hartwig von Kutzschenbach: „Unsere Ressourcen sind seit den 90er-Jahren aber fast unverändert geblieben.“

Intensive Pflege nimmt zu

Die Folge ist, dass die Abstände der Hausbesuche größer werden. Über die Hälfte aller Patienten wurde zu Hause betreut, da viele von ihnen nicht in der Lage sind, die Beratungsstelle aufzusuchen. Allerdings ist nicht nur die Anzahl der Patienten gestiegen. Auch die Dauer der Betreuung nimmt zu. Immer mehr Menschen werden über das Jahr der Zuweisung hinaus weiterbetreut. Seit 2010 zeigt sich eine steigende Tendenz von zehn Prozent. Hinzu kommt, dass der Anteil der Intensivbetreuung deutlich zugenommen hat. Dabei finden mehrere persönliche Kontakte in einer Woche statt, im Gegensatz zu den Regelkontakten, die alle zwei bis drei Wochen einmal stattfinden. „Die Zahl der Fälle, bei denen es viel mehr zu tun gibt, steigt“, sagt von Kutzschenbach.

Der hohe Betreuungsaufwand ist unter anderem damit zu erklären, dass die meisten Patienten alleinlebend sind. Dabei ist der Anteil bei den Frauen mit 69 Prozent deutlich höher als bei den Männern mit 46 Prozent. „Uns fällt auf, dass es immer seltener Angehörige gibt, die sich um die Menschen kümmern können, weil sie häufig einfach sehr weit weg wohnen“, so der SOFA-Leiter.

Um die zunehmenden Aufgaben bewältigen zu können, seien nicht nur zusätzliche Mitarbeiter nötig: „Wir brauchen im sozialen Umfeld eine größere Bereitschaft zu helfen“, fordert von Kutzschenbach. So könnten Nachbarn beispielsweise helfen, Einkäufe zu erledigen. „Wir brauchen wieder mehr Beziehungspflege“, so der Leiter von SOFA.