Kirchheim

Abheben oder am Boden bleiben?

Urlaub Die insolvente Fluggesellschaft Air-Berlin ist aus dem deutschen Luftraum verschwunden. Wer jetzt reisen möchte, muss tiefer in die Tasche greifen. In Kirchheim vermissen viele den Billigflieger. Von Melissa Seitz

Symbolbild

Von Stuttgart nach Hamburg und wieder zurück: Kostenpunkt 120 Euro. Wer über das Wochenende mal aus dem Alltagstrott raus möchte, muss jetzt mehr Geld in die Hand nehmen als noch bis vor Kurzem. Zumindest derjenige, der fliegen will. Die Auswahl an Fluglinien ist begrenzt. Eurowings und Lufthansa beherrschen den Flugverkehr über Deutschland. Reisenden bleibt nichts anderes übrig, als zu zahlen, denn ein günstigeres Angebot werden sie nicht finden. Wie auch, wenn der Billigflieger Air-Berlin seit Ende Oktober vom Markt ist?

Die Reisebüros rund um die Teck spüren, dass sich am Urlaubsmarkt etwas getan hat. „Die Flugpreise von Stuttgart nach Berlin oder Hamburg sind sehr stark angestiegen“, sagt die Leiterin des Kirchheimer TUI-Reisebüros Sylvia Martin. Lufthansa und ihre Tochtergesellschaft Eurowings sind die einzigen, die innerhalb Deutschlands fliegen. Condor fliegt auch noch im europäischen Raum - aber auch hier fehlt die insolvente Airline: „Es gibt zum Beispiel nach Spanien nicht mehr so viele verschiedene Flugzeiten, seitdem Air-Berlin vom Markt ist“, bedauert Sylvia Martin. Wer trotzdem fliegen möchte, sollte früh buchen - und auch zu unbeliebten Abflugzeiten greifen. „Wenn man zum Beispiel spät am Abend fliegt anstatt am frühen Morgen, zahlt man manchmal bis zu 100 Euro weniger“, verrät die Reise-Expertin.

Sylvia Martin vermutet, dass viele Deutschland-Reisende in Zukunft mit der Bahn fahren werden. Einige haben das bereits getan: „Es kam auch schon vor, dass bei uns nur das Hotel gebucht wurde und unsere Kunden dann mit der Bahn hingefahren sind“, erklärt die Reisebüro-Leiterin.

Günstiger fliegen mit Eurowings

Eine Mitarbeiterin des First-Reisebüros in Kirchheim schwört auf Eurowings. Die Airline sei sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa Spitzenreiter - auch was die Kostenfrage angeht. Angebote mit der Tochtergesellschaft der Lufthansa sind laut der Kirchheimer Reisebüro-Angestellten preislich in Ordnung. „Teuer wird es dann nur, wenn man sehr kurzfristig wegfliegen möchte oder über die Feiertage verreisen will“, erklärt sie.

Und wie sieht es aus mit Schüleraustauschen und Studienreisen? Bis jetzt hat Dr. Frank Hugelmann, stellvertretender Rektor des Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasiums, noch keine negative Rückmeldung von den Lehrern erhalten. „Das liegt aber auch daran, dass gegen Ende des Jahres keine Reisen mehr anstehen. Es kommen uns nur Austauschschüler aus Ischia besuchen“, erklärt er. Dass die Organisatoren vom Preisanstieg noch nichts gemerkt haben, liegt vielleicht aber auch an einer guten Taktik: „Wir buchen Studienreisen und Schüleraustausche schon weit im Voraus“, sagt der stellvertretende Schulleiter.

Flüge gehen ins Ausland

„Wir haben Air-Berlin wenig genutzt“, sagt Johannes Baubin von der Kirchheimer Verwaltungszentrale der Firma Dialog Semiconductor. Die Mitarbeiter des Unternehmens reisen kaum innerhalb von Deutschland. Das liegt daran, dass die Weltfirma kaum deutsche Partner hat. Von den angestiegenen Preisen seit dem Air-Berlin-Aus ist Dialog Semiconductor deswegen kaum betroffen. Wenn sich die Mitarbeiter in den Flieger setzen, dann geht es ab in die Ferne: „Wir reisen innerhalb Europas oder international“, erklärt der Einkaufsleiter - und bei solchen Flügen bewegt man sich sowieso in einer anderen Preiskategorie.

Steigen Fluggäste auf die Bahn um?

Die Deutsche Bahn erwartet in diesem Jahr einen neuen Fahrgastrekord, sagt der Pressesprecher. In den letzten Monaten seien die Buchungen um zehn Prozent gestiegen.

Flugstrecken wie zum Beispiel von München nach Berlin oder von Köln nach Berlin gehörten auf das Tagesprogramm von Air-Berlin. Seitdem die Fluggesellschaft bankrott ist, sind für diese Strecken deutlich mehr Buchungen bei der Deutschen Bahn eingegangen. „Wir gehen davon aus, dass ehemalige Air-Berlin-Gäste zukünftig auf die Bahn wechseln werden“, sagt der Pressesprecher.

„Da im Stundentakt ein ICE fährt, bieten wir im Vergleich zum Flugverkehr eine circa fünfmal so hohe Sitzplatz-Kapazität an“, erklärt der Bahn-Experte Somit seien die Fernverkehrszüge für manche Strecken nicht so stark ausgelastet wie im Moment einige Flugzeuge.sei