Lokale Kultur

Gluck soll zum Humus für die Oper werden

In der Kirchheimer Stadthalle führen Volkshochschulorchester und „Happy Voices“ am 19. und 20. Juli „Orfeo ed Euridice“ auf

Kirchheim. Bei „Monty Python“ wird Christoph Willibald Gluck die zweifelhafte Ehre zuteil, zu den „decomposing composers“ zu zählen –also zu den Komponisten, die am Verwesen sind oder eben auch längst

Andreas Volz

schon auf dem Komposthaufen gelandet sind. Und das trifft bei Gluck durchaus zu: Seine Werke sind eher Geheimtipp als Standardrepertoire. Dieses Schicksal teilt er allerdings mit seinem Zeitalter. Zu sehr ist die „Vorklassik“ als Übergangsepoche in Verruf geraten. Ihre Komponisten – zu Lebzeiten hoch geschätzt und geehrt – sind längst verblasst neben ihren Vorgängern und Nachfolgern. Vor ihnen stehen die Barock-Größen Vivaldi, Händel und Bach, direkt nach ihnen die drei Köpfe der Wiener Klassik: Haydn, Mozart, Beethoven.

Zum Glück macht es die Gedenkkultur möglich, dass auch die „Vorklassiker“ hin und wieder aus der Versenkung geholt werden, in der sie zu Unrecht verschwunden sind. 2014 bietet es sich gleich in zwei Fällen an, eines 300. Geburtstags zu gedenken: bei Carl Philipp Emanuel Bach und bei Christoph Willibald Gluck. Beide waren Jahrgang 1714.

Auch in Kirchheim gibt es bald die Gelegenheit, Gluck neu zu entdecken: Am ersten fußballfreien Wochenende nach der Weltmeisterschaft in Brasilien führen zwei Laienensembles aus Kirchheim – das Volkshochschulorchester und der Chor „Happy Voices“ – gleich zwei Mal Glucks Oper „Orfeo ed Euridice“ auf. Beginn in der Stadthalle ist am Samstag, 19. Juli, um 19.30 Uhr sowie am Sonntag, 20. Juli, um 17 Uhr.

Heike Laudacher, Mitglied im Orchesterrat des vhs-Orchesters, betont beim Pressevorgespräch, dass es sich bei den drei Solistinnen um professionelle Sängerinnen handelt, die zudem allesamt einen Bezug zu Kirchheim haben: Cecilia Tempesta singt den Orfeo, Gundula Peyerl die Euridice, und als Deus ex machina tritt Anna Maria Wilke in der Rolle des Amore auf. Nicht weniger professionell seien Regie und Bühnenbild, wofür Gerburg Maria Müller und Sebastian Stiebert verantwortlich zeichnen. Für die Choreinstudierung ist Robert Kast zuständig, und unter der Rubrik „Musikalische Leitung“ ist vhs-Orchester-Dirigentin Sabine Bruns in der Ankündigung aufgeführt.

Die Idee, eine Oper zu inszenieren, stammte aus den Reihen des Orchesters, wie Heike Laudacher erzählt. Es sei darum gegangen, „mal was ganz anderes zu machen“. Warum also nicht Oper? Die Wahl fiel auf Glucks „Orfeo ed Euridice“, weil es da einerseits nur drei Gesangssolisten brauche und andererseits nicht auch noch vier Ne­benhandlungen gebe, berichtet Heike Laudacher. Diese pragmatischen Überlegungen standen zunächst also eher im Vordergrund als der Gedanke ans Gedenkjahr für Christoph Willibald Gluck.

Die nächste Frage sei gewesen: „Welcher Chor macht bei so was überhaupt mit?“ Bei den Happy Voices sieht Heike Laudacher einen ganz großen Vorteil: „Die bringen von ihren bisherigen Projekten schon Bühnenerfahrung mit.“ So sei es der Chor nicht nur gewöhnt, etwas szenisch darzustellen, sondern vor allem auch, auswendig zu singen. Allerdings gehörten Kompositionen aus dem 18. Jahrhundert eher nicht zum Repertoire der Happy Voices. Doch auf diese neue Herausforderung hat sich der Chor gerne eingelassen – und mit Erfolg, wie Heike Laudacher betont: „Das macht allen riesigen Spaß.“

Eigentlich gehört Gluck ja auch nicht zum gängigen Repertoire des Volkshochschulorchesters. „Wir spielen eher die romantische Literatur und sind fast zu groß für Gluck“, stellt Heike Laudacher fest. Musikalisch ist das weniger ein Problem als bei der praktischen Umsetzung. Richtiggehend „umgesetzt“   wird deswegen von vornherein das Orchester: Rechts und links am Rand sitzen auf der Stadthallenbühne „zwei kleine Orchestergruppen“. Im nicht vorhandenen „Orchestergraben“ vor der Bühne seien nur noch die Streicher untergebracht, „etwas Holz und die Harfe“.

Dabei wird sogar aus der Not eine Tugend gemacht, denn Heike Laudacher empfindet diese Sitzverteilung des Orchesters als gute Lösung – für die Sänger wie für das Publikum: Wenn hauptsächlich Streicher vorne sitzen, sei das Problem der „Klangwand“ zwischen Bühne und Zuschauerraum nicht mehr so groß.

Die erwähnte Harfe ist übrigens nicht nur für die Musik wichtig. Sie wird sogar in die Handlung einbezogen. Schließlich ist sie das klassische Attribut des Sängers Orpheus. Die Vermischung von Musik und Handlung ist sicher auch im Sinn des einstigen Opernreformers Gluck, der bekanntlich eine neue Einheit schaffen wollte zwischen Text und Musik.

Heike Laudacher, die übrigens im vhs-Orchester Trompete spielt, zieht für sich das Fazit: „Je länger ich daran gearbeitet habe, desto mehr fand ich diese Oper klasse.“ Es dürfte sich also auch für die Besucher lohnen, zu erfahren, was „Orfeo ed Euridice“ noch zu bieten hat – außer dem „Reigen seliger Geister“ und der Arie „Che farò“ („Ach, ich habe sie verloren“).

Nicht abschrecken lassen sollten sich die Zuschauer von der Tatsache, dass die Oper in der Wiener Fassung von 1762 aufgeführt wird, also in italienischer Sprache. Die Pariser Fassung von 1774 wäre kein großer Vorteil: Sie hat einen französischen Text. Auf jeden Fall sollten die Zuschauer in Scharen in die Stadthalle strömen, denn bei entsprechender Resonanz könnte es in einigen Jahren wieder mal eine Oper in Kirchheim geben.

Um das Projekt finanziell stemmen zu können, sind die Verantwortlichen nämlich nicht nur auf Sponsorengelder und die Ausfallbürgschaft der Kirchheimer Bürgerstiftung angewiesen, sondern auch „auf zwei volle Säle“. Immerhin hat der Testlauf vor einem Jahr ergeben, dass Oper in Kirchheim ganz gut ankommt: Beim Konzert im Kirchheimer Schlosshof war der Andrang überwältigend, als Opernarien mit Cecilia Tempesta und dem vhs-Orchester auf dem Programm standen. Sollte sich aus dem Gluck-Projekt nun also auch mehr ergeben, dann hätte „Chevalier Gluck“ – zumindest in Kirchheim – seinen Auftrag auf dem „Komposthaufen“ erfolgreich erledigt und wäre zum Humus für die Oper geworden.

Info

Karten für „Orfeo ed Euridice“ gibt es im Vorverkauf bei der Volkshochschule im Spital, Max-Eyth-Straße 18, Telefon 0 70 21/97 30 32, E-Mail info@vhskirchheim.de.