Lokale Kultur

Hilfe bei unerträglicher Langsamkeit im Stau . . .

Experten von sechs Buchhandlungen geben sechs im Selbstversuch gewissenhaft erprobte Lektüretipps für die Urlaubszeit

Urlaubslektüre 2011buchempfehlungen für den Urlaub 2011
Urlaubslektüre 2011buchempfehlungen für den Urlaub 2011

Kirchheim. Die Urlaubszeit bietet nicht nur die große Chance, neue Welten zu entdecken und fremde Menschen kennenzulernen, sondern auch die Ruhe zu finden, endlich einmal ungestört lesen zu können. Wer Pech hat, kann vielleicht schon im Stau damit beginnen.

Ganz oben auf der Liste unverzichtbarer Begleiter stehen bei vielen Reisenden neben Badehose und Bikini Bücher. Neben vielleicht schon eine Weile für die Ferien „aufgesparten“ dicken Wälzern buhlen vor allem auch aktuelle Taschenbuchausgaben und inzwischen vor allem die ganz besonders handlichen und (fast) keine Zuladungsgrenzen kennenden E-Books darum, in die Ferien mitgenommen zu werden. Dort können sie gegebenenfalls nicht nur lange Tage am Strand in Windeseile vorbeiziehen lassen, sondern auch Regentage schnell vergessen machen.

Ein Blick in die Empfehlungen aus sechs Buchhandlungen macht deutlich, dass sich im Haifischbecken der Literatur unterschiedlichste Wesen tummeln. Sie alle müssen sich um die Gunst des Lesepublikums und um wohlwollende Expertenmeinungen mühen, denn große Namen allein sind keine Erfolgsgarantie in einem Medium, das von immer wieder auftauchenden Talenten am Leben gehalten oder mit überraschenden Debüts wachgerüttelt wird.

Im Folgenden werden Romane vorgestellt, die nach zum Teil kontroversen Diskussionen unter einschlägigen Experten aus dem Buchhandel ausgewählt wurden. Diesen teilweise erst nach Mehrheitsentscheidungen herausgefilterten „besten Sommer-Romanen“ folgen in einem weiteren Beitrag zum Thema Urlaubslektüre noch genauso gründlich selektierte Krimiempfehlungen.

„Nächsten Sommer“ hat Edgar Rai seinen im Aufbauverlag als Taschenbuch vorliegenden Roman überschrieben, dessen Empfehlung von Ruben Schömers auch von seinen Kolleginnen im Buchhaus Zimmermann unterstützt und dringend schon diesen Sommer zur Lektüre empfohlen wird. Begleitet werden in diesem Roadmovie voller Witz und Sehnsucht drei Freunde auf einem spontanen Trip in einem alten VW-Bus von Berlin nach Südfrankreich. Gemeinsam mit drei unterwegs eingesammelten Passagieren suchen sie eine Antwort auf die interessante Frage, ob das Leben nur ein kleines Drama oder aber doch großes Kino ist.

„Noch ein Tag und eine Nacht“ lautet der Titel der bei Diogenes in deutscher Erstausgabe als Taschenbuch erschienenen erotischen Liebesgeschichte, die Dani Rößler und Uli Urban von der Kirchheimer Bücherstube wärmstens empfehlen. Fabio Volo erzählt darin die Geschichte von Giacomo, dem in der Straßenbahn eine junge Frau auffällt, die er über Monate beobachtet. Als er endlich völlig überraschend von ihr angesprochen wird, schwebt er kurz auf Wolke sieben, um kurz darauf hart aufzuschlagen: Er erfährt, dass die ihn so faszinierende Unbekannte für immer nach New York gehen wird, und kann schließlich nichts anderes tun, als seinen Rucksack zu packen und ihr nach Manhatten zu folgen.

Als „wunderschönen Briefroman, der zeigt, wie Literatur und Gespräche in schwierigen Zeiten helfen können“, empfiehlt Yvonne Peter von „Das Buch“ in Weilheim Mary Ann Shaffers als Rowohlt-Taschenbuch erschienenes „Deine Juliet“, das weltweit schon über eine Million Mal verkauft wurde. Schriftstellerin Juliet erhält in den späten Vierzigerjahren Post von Bauer Adams von der Kanalinsel Guernsey. Sie erfährt so von einem dort existierenden literarischen Club, der den Bewohnern über die schwere Zeit des Krieges hinweghelfen sollte, und lernt bei einem Besuch auf der Insel ihren Briefpartner Dawsey Adams auch noch persönlich kennen.

Mit „Gute Geister“ von Kathryn Stocket empfiehlt Karen Ziegler vom Buchcafé in Dettingen einen bei btb aktuell erschienenen Roman, der zu einer Reise in den tiefen Süden der USA in den 60er-Jahren einlädt und die „fesselnde und nachwirkende Geschichte“ dreier außergewöhnlicher Frauen erzählt, die mit allen Konventionen brechen. Der 2009 erschienene Erstling eroberte im Sturm die Bestsellerliste der New York Times, belegte über Monate den ersten Platz, wurde in über 40 Sprachen übersetzt und wird wohl auch in der Filmadaption bald für Furore sorgen.

Die Sechzigerjahre stehen im Mittelpunkt des im S. Fischer Verlag erschienenen Romans „Die hellen Tage“ von Zsuzsa Bank. Katrin Hörcher von der Buchhandlung Schöllkopf in Kirchheim lobt vor allem die „wunderbar poetische Sprache“ und das große Einfühlungsvermögen der Autorin ungarischer Abstammung, die vom idyllischen Aufwachsen und der Lebensfreude dreier Kinder in einem Neckarstädtchen erzählt, die, über drei Jahrzehnte von Heidelberg bis nach Rom begleitet, immer mehr zu Außenseitern werden.

Als ein „wunderbares Buch mit herrlich humorvollen Dialogen und Ausflügen in die abendländische Geis­tesgeschichte, die dennoch nie ermüdend wirken,“ lobt Margot Schieferle den bei Rowohlt erschienenem aktuellen Roman „Muttersohn“ von Martin Walser. Er gewährt darin Einblicke in die Arbeit im Psychiatrischen Landeskrankenhaus Scherblingen, an das der Krankenpfleger Percy von seinem Ausbilder und Mentor zurückgerufen wird, da die behandelnden Ärzte an einem stark suizidgefährdeten Patienten fast verzweifeln. Den Professor und den Krankenpfleger verbindet nicht nur die aufopfernde Hingabe zu ihrem Beruf sondern auch die bedingungslose Liebe zu ihren Mitmenschen.

Nicht immer nur auf Neuerscheinungen zu blicken, sondern ruhig auch wieder einmal im eigenen Regal auf Schatzsuche zu gehen, lautet Margot Schieferles für eine Buchhändlerin sicher etwas ungewöhnliche abschließende Empfehlung für die richtige Sommerlektüre. Sie hat so für sich amerikanische Klassiker wie Steinbeck, Faulkner, Capote und McCullers wiederentdeckt, die auch nach sechzig und mehr Jahren immer noch wie neu zu lesen sind.