Kirchheim

Krach ist kein Menschenrecht

Gerd Esslinger - esyReadaktion Teckbote - Redakteur
Gerd Esslinger - esyReadaktion Teckbote - Redakteur

Kommentar Ich bekenne mich schuldig: Auch ich gehöre zur Spezies der Motorradfahrer, die ihrem Hobby zwangsläufig meist am Wochenende frönen und, mit Lust am Kurvenräubern, natürlich auch auf der Schwäbischen Alb. Dabei vermeide ich allerdings die klassischen Hotspots, Glemseck, die Fischerhütte im Lautertal oder die Löwensteiner Platte, geht es an diesen Bikertreffs doch meist nur um die Präsentation der „Eisenhaufen“ und vor allem um ihren Sound. Selten eine Kiste, die an solchen Treffpunkten mit Standardauspuff dasteht. Zumeist mit sündhaft teuren Zubehörtöpfen veredelt, röcheln die Maschinen schon im Standgas bedrohlich und brüllen infernalisch bereits beim leichtesten Zug am Gas.

Liegt es am PS-Wahn, der zweifelsfrei in der Zweiradbranche seine Blüten treibt? Nicht zwangsläufig. Mancher Hersteller schafft es, kraftstrotzende Boliden auf die Straße zu stellen, die „vornehm zurückhaltend säuseln“, wie es Fachjournalisten beschreiben, um im gleichen Atemzug davon zu schwadronieren, dass hier Nachholbedarf bestünde. Was hier verbal gehypt wird, ist archaisches Kraftgemeiere, das dankend von einer bestimmten Klientel angenommen wird. Aber seien wir ehrlich - die Mehrheit fährt lieber zurückhaltend, unauffällig und leise.

Was aber tun mit den Jüngern des Sounddesigns, wie banales Krachmachen euphemistisch umschrieben wird. Schalldämpfer, die diesen Namen nicht verdienen, müssen vom Markt, Fahrzeughersteller gehören dazu verdonnert, ihre Standardanlagen kontinuierlich leiser zu gestalten, und die Zubehörindustrie sollte sich vielleicht einmal überlegen, ob nicht weniger mehr sein könnte: Weniger Krach, mehr Umsatz, mit Nachrüstsätzen für ältere Baujahre.

Und was machen mit den ewig Testosterongesteuerten? Vielleicht helfen drastische Strafen - von mir aus. Fraglich bleibt, ob allein die Drohung fruchtet. Und dass die mit Personalnot kämpfende „Rennleitung“, sprich Polizei, mit großen Kontrollen die Richtigen erwischt, scheint ebenso fraglich. Schließlich sind Biker gut vernetzt und setzen Rauchzeichen ab, wenn die Ordnungsmacht droht. Also gilt es, genau dieses Netzwerk zu nutzen, um für das Thema zu sensibilisieren. Krach zu machen ist kein Menschenrecht, sondern Rücksichtslosigkeit. Auch die Annahme, dass es genetisch bedingt sein könnte, dass wir Lärm mit Lust und Kraft gleichsetzen, ist ein Irrglaube. Es ist schlicht Gewohnheit, wie das in Deutschland übliche Silvester-Geböllere.

Ich jedenfalls freue mich auf meine nächste Ausfahrt mit Freunden, die alle Motorräder besitzen, die „vornehm zurückhaltend säuseln“. Recht so. Von Gerd Esslinger